Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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jungen Frau mit blonden Haaren. Er brauchte einen klaren Kopf und lief zur Terrassentür. Draußen in der Nachmittags­sonne sog er die warme Luft in seine Lungen. Die Nervosität trieb ihn auf der großen Dachterrasse auf und ab. Die Holzplanken des Bodens knirschten unter jedem seiner Schritte. Wie konnte es jetzt nur weiter gehen. Oder war es schon zu Ende, bevor es überhaupt begonnen hatte. Marc Lighter richtete den Blick auf die Berge im Süden, die ver­schwommen hinter einer graubraunen Smogschicht lagen. Für die Jahres­zeit war es noch ungewöhnlich warm und er spürte, wie ihm die Hitze langsam den Schweiß aus den Poren trieb. Hier oben musste er immer an Candice denken. Wäre es wohl anders verlaufen, wenn er mehr Zeit für sie gehabt hätte. Wahrscheinlich wäre sie dann noch bei ihm und wahrscheinlich hätten sie schon Kinder. Alles wäre perfekt, doch jetzt fühlte er sich dumpf und leer. Das Klingeln des Telefons riss ihn aus den trüben Erinnerungen. Marc Lighter nahm noch einen tiefen Atemzug und eilte dann zurück zum Schreibtisch. Es gab nur wenige Leute, die seine geheime Büronummer kannten. Doch der Blick auf die Anzeige des Telefons offenbarte den Anrufer nicht.

      Das Rauschen in der Leitung deutete auf eine Satellitenverbindung. Sofort wusste er, wer am anderen Ende der Leitung war. „Ist alles klar für morgen?“, fragte der Anrufer ohne Begrüßung.

      „Nein, habe noch keine stabile Verbindung hinbekommen!“, antwortete Marc Lighter mit schnaufender Stimme.

      „Mach‘ mir keine Sorgen Marc“, antwortete der Anrufer, während im Hintergrund monoton die Hochleistungstriebwerke rauschten.

      „Ich arbeite daran, aber es ist verdammt nicht einfach.“

      „Ich weiß, deswegen machst Du es ja auch“, lachte der Anrufer. „Und Du weißt, was davon abhängt, Marc.“

      „Na klar. Ich habe aber auch schon einen Plan B.“ Marc Lighter rieb sich die Bartstoppeln am Kinn.

      „Und wie sieht der aus?“

      „Nicht am Telefon! Lass uns das persönlich besprechen. Wann bist Du wieder in der Gegend?“

      „Bin im Moment 10.500 Meter über der Karibik. Richtung Süden“, erklärte der Anrufer und Marc Lighter bildete sich ein, ein Knacken in der Leitung zu hören. „Ich könnte auf dem Rückweg vorbeikommen. Ich melde mich. Ende.“ Die Verbindung wurde unterbrochen und Marc Lighter ließ sich in seinen Stuhl fallen.

      5.Casino des Cerro Paranal (Chile) – 13. September, 19:39 Uhr Ortszeit

      Richard saß im großen Speisesaal des Kasinos und zog den Teller mit einer großen Portion Spareribs zu sich heran. Ohne noch einmal über seinen Jet Lag nachzudenken, war die Zeit wie im Flug vergangen. Nach wenigen Stunden auf dem Paranal hatte Richard bereits die wichtigsten Wissenschaftler und Ingenieure, die am Yepun arbeiteten, kennengelernt. Carl Bacher, ein Astrophysiker aus Garching, interessierte sich sehr für Richards Arbeit. Er war ein stämmiger Mann mit Bauchansatz und bayerischem Vollbart und trank als Einziger Bier zum Essen. Er arbeitete im Exoplaneten-Team, einer eingeschworenen Gemeinschaft, die sich mit der Suche und Erforschung von Planeten außerhalb des Sonnen­systems beschäftigte. Auf dem Paranal entlockten sie dem Licht, das von Lichtjahre entfernten Sonnensystemen zur Erde vordrang, mit den fort­schrittlichsten optischen und analytischen Methoden seine Geheim­nisse. In der gesamten Community ernteten sie Anerkennung für die neue Perspektive auf die menschliche Existenz, die ihre Arbeit ermöglichte, ja praktisch erzwang. Seit der Eröffnung des Paranal hatte das Team um Paul Rodriguez das Observatorium durch eine Reihe bahnbrechender Ent­deckungen zu einer der ersten Anlaufstellen für diese noch junge Forschungsdisziplin gemacht. Ein Höhepunkt war die erste direkte Beobachtung eines Planeten außerhalb des Sonnensystems. Paul Rodriguez, der sechsundvierzigjährige Portugiese, hatte nach dem Studium einige Jahre in Kalifornien gelebt und arbeitete schon seit der frühen Planungsphase am Observatorium. Seine Veröffentlichungsliste hätte für mehrere Forscherleben gereicht und seine Beiträge zur Exo­planeten-Forschung waren Standardwerke. Die meisten davon hatte Richard gelesen. Rodriguez vereinte, wie kaum ein zweiter, die umfassende Kenntnis der Instrumente und ihrer Möglichkeiten mit dem tiefgreifenden Verständnis der zugrundeliegenden Physik, hatte Professor Fehringer betont.

      Als Richard den letzten abgenagten Knochen zur Seite legte, kam ein untersetzter Fünfzigjähriger an den Tisch. „Hey Paul, Wirst Du heute Nacht wieder mit E.T. flirten?“ Mindestens dreimal schlug er ihm während der kurzen Unterhaltung auf die Schulter. Dann wandte sich der Mann von den anderen am Tisch ab und zog Paul zu sich heran. Richard konnte die Unterhaltung dennoch verstehen. „Sag mal Paul, hast Du schon Neuigkeiten zu meinem Projektantrag?“, wollte der Wissen­schaftler wissen und schob dabei einen Stapel Unterlagen zusammen.

      „Rick, nicht jetzt!“, zischte Rodriguez ihn an. „Morgen kann ich Dir mehr sagen.“ Mit einem Knuff in die Seite verabschiedete er den Kollegen. Als Rodriguez zu seinem Platz zurückkam, wirkte er ange­spannter als zuvor. Immer wieder nippte er an seiner Cola. Im Gegensatz zu seinen Teammitgliedern offenbarte er nur wenig Privates. Er hatte sein Leben völlig auf seine Arbeit ausgerichtet. Seine wenigen guten Freunde konnten nicht einmal sagen, ob seine Besessenheit von der Idee, Leben im Weltraum zu finden, der Grund für das Scheitern seiner Beziehungen war. Oder hatte er sich nach seiner letzten festen Beziehung vor acht Jahren zur Ablenkung und aus reinem Selbstschutz, wie er es nannte, noch fanatischer in seine Forschung vergraben. Bestätigung bekam er durch die Arbeit mit anderen Wissenschaftlern. In den vergangenen Jahren hatte er sich so ein weitreichendes persönliches Netzwerk namhafter Astronomen weltweit aufgebaut. Doch er hatte auch einen Preis dafür gezahlt. Lange Arbeitstage, der Schlaf kam regelmäßig zu kurz. Auf seine wissenschaftliche Leistung hatte das bisher noch keine Auswirkung, aber er wirkte häufig nervös und rastlos. Und seine markant geformten Gesichtszüge mit den ersten Falten, konnten die Müdigkeit nicht verbergen.

      „Richard, ich möchte Dich unbedingt einigen Leuten vorstellen“, erklärte Rodriguez, nachdem er den letzten Schluck seiner Cola ausgetrunken und die Flasche mit einem lauten Stoß auf der Tischplatte abgestellt hatte. „Ich bin mir sicher, dass wir Mittel für Dein Thema bekommen können.“

      Richard schluckte. Zwar hatte er schon gehört, dass Paul Rodriguez ein Meister darin war, Fördergelder einzuwerben. Aber auch, dass ihm diese Fähigkeit nicht nur Freunde gemacht hatte.

      „Aber Paul, Du hast doch mein Modell noch gar nicht gesehen!“, antwortete Richard und verschränkte die Arme vor der Brust.

      „Glaub’ mir Richard, ich habe ein Gespür dafür“, erklärte Rodriguez mit einem einnehmenden Lachen. „Deine Arbeit wird einen wichtigen Bau­stein liefern, um die Effizienz unserer Suche in Zukunft zu verbessern. Es gibt da einige Leute, die so etwas erkennen. Und fördern.“ Rodriguez sah sich zur Selbstbedienungstheke um. Seinem Gesichtsaus­druck entnahm Richard aber, dass er dort etwas anderes erwartet hatte.

      „Es gibt Menschen, die über ausreichende Mittel verfügen und obendrein noch Interesse an den Grundfragen unserer Existenz haben“, erklärte er mit überzeugender Stimme.

      „Ob wir allein sind“, ergänzte Richard, „in den dunklen Tiefen des Weltalls.“

      Rodriguez grinste zufrieden. „So viele Parameter müssen zusammen­passen, damit in der bewohnbaren Zone um einen Stern Leben entstehen kann und sich über Milliarden von Jahren zu höheren Lebensformen entwickelt, die wir überhaupt erst wahrnehmen können. Das allein lässt die Wahrscheinlichkeit für intelligentes Leben so unglaublich gering erscheinen. Aber in der unvorstellbaren Weite unseres Univer­sums hatte die Evolution genügend Gelegenheit. Wir Menschen sind kein Zufall. Da draußen muss es noch wirklich intelligente Wesen geben. Unser größtes Problem ist die Begrenzung von Zeit und Ressourcen, alle Stellen im Weltraum zu durchsuchen.“

      „Und Du glaubst, dass ich dazu einen Beitrag leisten kann?“

      „Deine Arbeit wird unsere Suche effizienter machen und uns helfen, unsere knappste Ressource, die Beobachtungszeit, noch besser zu nutzen…“ Rodriguez wandte seinen Blick durch die spiegelnde Scheibe hinaus in den pechschwarzen Nachthimmel. Wenige Sekunden später drehte er sich plötzlich wieder um. Richard folgte unwillkürlich seinem Blick zur Eingangstür. Ein heißkalter