Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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dem Stuhl zurück an seinen Platz und griff in seine Tasche. Zwischen den Unterlagen zog er eine leere DVD heraus. An der MITADE-Steuerungseinheit legte er sie in das Laufwerk und startete den Kopiervorgang. Der Rechner übertrug die Zugriffscodes und die komplette Steuerungs- und Kontrollsoftware des über eine Milliarde Dollar teuren Satellitensystems auf seinen Datenträger.

      In einem kurzen Seitenblick überprüfte er noch einmal die Radar­vermessung des Eisbergs, den die NASA für diese Testreihe des Mikrowellensystems ausgesucht hatte. Dabei fiel ihm ein, dass Andrew Whileman und Harrison Greenburg noch auf die Daten seiner Tests warteten. Schnell rutschte er mit seinem Stuhl zum Kontrollpult des Radarsatelliten und kopierte die Daten der Radarvermessung auf einen Daten-Stick, den er immer bei sich trug. Sobald die Kontrolllampe erloschen war, zog er den handlichen Speicher ab und rollte zurück zu seinem eigenen Kontrollrechner, um die Daten an die beiden Wissen­schaftler zu mailen. Er selbst interessierte sich nicht sonderlich für die neuen Messwerte. Die Testreihen der vergangenen Stunden, die er mit unterschiedlichen Parameterwerten des Hochleistungsmikrowellen­systems durchgeführt hatte, hatten inzwischen zwölf Prozent der Eismasse schmelzen lassen, was einem Volumen von nahezu zwei Millionen Kubikmetern oder fünfundvierzigtausend Lastzügen entsprach. Ein beeindruckender Wert. Doch das waren keine Erkenntnisse, die er nicht schon in den unzähligen Testreihen der vergangenen zwei Jahre gewonnen hatte. In der Wüste Arizonas und auf Grönland hatte er sein Mikrowellensystem unter allen möglichen Betriebsbedingungen und für die unterschiedlichsten Einsatzbereiche getestet. Dabei hatte er die Wirkung der gepulsten Mikrowellenstrahlung auf verschie­dene Formen von Materie, elektronische Geräte, Computersysteme und auch auf den menschlichen Organismus untersucht. So nahm Lighter von den Informationen auf der Bildschirm­anzeige keine weitere Notiz. Es gab nur wenige Dinge, die ihm noch eine Regung entlocken konnten. Nach dem Einstieg eines reichen Investors in seine Firma hatte er finanziell ausgesorgt und arbeitete eigentlich nur noch, um vor der Leere in seinem Haus zu fliehen, die ein schreckliches Unglück vor fünf Jahren in sein Leben gerissen hatte. Eine Katastrophe hatte seine Frau zusammen mit ihrer Schwester von einem Moment auf den anderen aus seinem Leben gerissen. Danach war er in ein tiefes Loch gestürzt. Monatelang hatte er sich in seinem Haus eingeschlossen und jeglichen Kontakt zur Außenwelt abgebrochen. Erst als seine Firma kurz vor dem Konkurs stand und ein reicher Investor sich für seine Mikrowellensysteme zu interessieren begann, kehrte er langsam zurück ins Leben. Er schloss die Entwicklung einer neuen Generation von Hochleistungsmikrowellen­systemen ab, die die Vorgängerserie in ihren Leistungsparametern um ein Vielfaches übertraf und entwickelte besondere Energie in der Erschließung neuer Einsatzbereiche für Mikrowellensysteme.

      Plötzlich wurde Lighter vor dem Kontrollrechner aus seinen Gedanken gerissen. Das Schloss der gesicherten Stahltür surrte und Roger Beechey riss keuchend und vom Regen durchnässt die Tür auf. Lighters Puls begann zu rasen. Nervös blickte er zur Uhr und zwang sich zugleich zu einem belanglosen Blick auf den Kontrollmonitor des MITADE-Satelliten. Der Kopiervorgang der Steuerungs- und Kontrollsoftware lief noch immer. Und nur noch drei Minuten bis zum nächsten Transit. Der einzige Test, den er unbedingt zu Ende bringen musste.

      17.Englewood (New Jersey, USA) – 1. Oktober, 14:38 Uhr Ortszeit

      Zwei Polizeihubschrauber kreisten seit einer Stunde über dem Viertel. In den Straßen, die den sanierten Häuserblock eingrenzten, patrouillierten seit den frühen Morgenstunden Sicherheitskräfte des Secret Service. Die solaraktive Fassade des Appartementgebäudes glänzte bläulich in der schwachen Nachmittagssonne. Endlich näherte sich die Wagenkolonne. Die Sicherheitsleute an der Absperrung fassten ihre Reihen enger. Einige murmelten kurze Befehle in ihre Mikrophone am Handgelenk. Eine Kolonne von vier Fahrzeugen, darunter zwei schwere gepanzerte Limousinen, hielt vor dem Haupteingang der über 300 Wohneinheiten umfassenden Wohnanlage.

      „Was ein Aufwand, George“, murmelte der Geschäftsführer der gemein­nützigen Wohnungsgesellschaft zu einem gut gekleideten Mann Mitte fünfzig mit grauem Haar, der direkt neben ihm stand.

      Dann öffneten sich die Türen der beiden vorderen Wagen und des Wagens am Ende der Kolonne. Heraus stiegen etwa ein Dutzend Männer in dunklen Anzügen und durchstreiften mit ihren Blicken sofort die umliegenden Häuserreihen, die Journalisten und die Schaulustigen. Nach einigen Minuten öffneten sich auch die Türen der gepanzerten Limousine und ein mittelgroßer Mann mit Bauchansatz und dünnem Haar stieg aus. Der Präsident. Auf ihn hatten alle gewartet. Umringt von einem Trupp Sicherheitskräften eilte er zum Haupteingang. Dieser lag zurückgesetzt zwischen zwei jeweils fünf Stockwerke hohen Gebäudeteilen. Die beiden Männer, die die Ankunft des Präsidenten schweigend erwartet hatten, gingen ihm entgegen. „Mister President. Herzlich Willkommen“, rief der Geschäftsführer der Wohnungsgesellschaft dem Ankommenden entgegen. „Es ist uns eine Ehre, Sie hier bei uns begrüßen zu dürfen.“

      „Schon gut, schon gut“, antwortete der Präsident. „Mister… ähm.“

      „Carsson“, klärte der untersetzte Geschäftsführer auf. „Und George Brighton, der unser Projekt erst ermöglicht hat.“

      „Carsson, genau. Mister Carsson“, korrigierte sich der Präsident und schüttelte dem Gastgeber die Hand. Dann wandte er sich an Brighton und tat dasselbe. Allerdings ohne, wie es die Presse sonst von Präsident Goldman gewohnt war, mit einem telegenen Blick die Kameras suchend. „Kommen wir zur Sache. Ich habe wenig Zeit.“

      „Mister President, bitte hier entlang“, beeilte sich Carsson und wies dem Präsidenten den Weg ins Innere. Wenige Augenblicke später ver­schwanden die drei Männer im Gebäude. Die Kamerateams folgten, so gut die Sicherheitsvorkehrungen es zuließen.

      Auf einer Tribüne in der bis auf den letzten Platz besetzten Eingangshalle der Wohnanlage zog Präsident Goldman einen Zettel aus der Innentasche seines Jacketts. Er entfaltete ihn, strich ihn auf dem Rednerpult glatt und begann seine Rede. Nach einer kurzen Begrüßung und den üblichen Floskeln über die Freude „heute hier bei Ihnen sein zu können“ kam der Präsident zu seinem eigentlichen Thema. „Meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie haben mich eingeladen, heute hier zusammen mit Ihnen diese Wohnanlage ihrer Bestimmung zu übergeben. Dafür bin ich Ihnen außerordentlich dankbar. Sie werden sich sicherlich fragen, warum der Präsident der Vereinigten Staaten sich die Zeit nimmt, eine Wohnanlage in New Jersey zu eröffnen. Hat er nichts Besseres zu tun?“ Der Präsident war nach einigen abgelesenen Sätzen zum Aufwärmen zu seiner gewohnten Form aufgelaufen und spielte durch sein provokantes Lachen mit seinen Zuhörern. Ein Raunen ging durch die Reihen. Nach einigen Momenten blickte er zufrieden zurück auf seinen Redetext und fuhr fort. „Ich habe trotz vieler Verpflichtungen und eines engen Zeitplanes die Einladung der gemeinnützigen Solarpower Wohnungsgesellschaft gerne angenommen. Und ich will Ihnen auch erklären warum. Mit diesem Gebäudekomplex haben Sie den Beweis angetreten, dass die Unab­hängigkeit vom Öl möglich ist. Sie haben in moderne Technologien investiert und damit ein Wohngebäude geschaffen, das völlig unabhängig von fossilen Energieträgern ist. Es bietet den Bewohnern zugleich einen hohen Komfort und völlige Autonomie bei Heizung, Warmwasser, Klimatisierung und Stromversorgung. Und ich bin Ihnen dankbar, dass Sie dieses Projekt umgesetzt haben, denn Sie schaffen damit eine wichtige Voraussetzung für die weitere Sicherung unseres Wohlstandes im Zeitalter steigender Rohstoffpreise.“

      Der Präsident hatte seinen Redetext zur Seite gelegt und sprach frei zu den mehr als dreihundert geladenen Zuhörern. Die Männer des Secret Service standen hinter, neben und vor dem Rednerpult und blickten unentwegt in die Reihen der Zuhörer. Plötzlich hob einer der Männer seine Hand ans Ohr und konzentrierte sich auf die eingehende Meldung. Als er die Nachricht vernommen hatte, wandte er sich zum Präsidenten, der noch immer die Vorzüge der Wohnanlage und die Vorteile der autonomen Energieversorgung pries. Er gab ihm ein kurzes Zeichen mit der Hand. Unmerklich nickte Präsident Goldman und bemühte sich sogleich, zum Schluss seiner Ausführungen zu kommen. „Die eingesetzten Technologien reichen von Solarthermieanlagen und Photovoltaiksystemen über Wärmepumpen und Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung bis hin zu Wärmeschutzisolierungen. Aber diese Technologien können Ihnen die Experten viel besser erklären als ich. Deshalb will ich Sie auch nicht länger auf die Folter spannen.“ Noch einmal machte Goldman eine Pause und blickte in die Menge seiner Zuhörer.