Marc F. Bloom

Sustainable Impact


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aus wie… wie eine Schlierenbildung durch Konvektionsströ­mungen bei stark unterschiedlichen Temperaturen der einzelnen Luft­schichten – oder so etwas ähnliches“, murmelte Stapleton und beobachtete das Ölfeld durch die Helikopterkanzel.

      „Ist das austretendes Gas? Was kann das sonst sein? Wir müssen das un­bedingt untersuchen!“, erklärte Brighton in die Freisprecheinrichtung.

      „Ich glaube nicht. Sie haben nach meinen Informationen noch gar nicht mit der Einbringung begonnen“, antwortete Stapleton ruhig. In kritischen Situationen zeichnete ihn eine seinem Gegenüber mitunter aggressiv machende Gelassenheit aus. „Warten wir’s ab, Bill. Wir sind ja gleich da.“

      Die Einbringung, von der Parker Stapleton sprach, bezeichnete das Einpumpen von Kohlendioxid in ein versiegendes Ölfeld, die dritte Stufe der Ausbeutung einer Öllagerstätte. Zu Beginn der Förderung schießt das Öl meist unter dem eigenen Druck an die Erdoberfläche. Fällt der Eigendruck ab, verbleiben noch etwa neunzig Prozent des Rohöls im Reservoir. Durch die Einleitung von Wasser wird der Druck in einer zweiten Stufe erhöht, um das Rohöl zu den Förderstellen zu pressen. Nach einer weiteren Ausbeute von bis zu vierzig Prozent des Reservoirs reicht auch diese Methode nicht mehr aus, um die Förderrate aufrecht zu erhalten. In einer dritten Stufe werden neben thermischen Verfahren auch chemische Lösungsmittel und in erster Linie Kohlendioxid eingesetzt, um die Fließeigenschaften des verbleibenden Rohöls zu verbessern und den Ertrag über einen längeren Zeitraum zu stabilisieren. Das Jaham-Feld war eine kleine, im Vergleich zu den übrigen Feldern Saudi Arabiens unbedeutende Quelle. Es hatte keine strategische Bedeutung für die Erreichung der täglichen Zielfördermengen. Weit abgelegen von den anderen Feldern war es daher von Saudi Aramco zum geheimen Testfeld für die Erprobung und Weiterentwicklung dieser dritten Stufe der indus­triellen Rohölproduktion erklärt worden.

      „Aber ich habe doch den Jungs erklärt, dass sie jetzt keine weiteren Test­reihen durchführen sollen…“, murmelte Brighton nachdenklich. Mit besorgtem Gesichtsausdruck strich er sich über das Kinn.

      „Von welchen Testreihen sprichst Du, Bill?“, fragte Stapleton interessiert nach.

      „Ach nichts“, versuchte Brighton seine unbedachte Äußerung herunter­zuspielen. „Ich habe nur laut über ein anderes Projekt nachgedacht.“

      Der Sikorsky näherte sich langsam den Förderanlagen und war dabei noch tiefer gegangen. In weniger als einhundert Metern Höhe hielt der Pilot die Maschine über einer der Förderstellen. Brighton blickte nach unten und konnte Details erkennen, die ihn erschrecken ließen. Neben einer der Injektionsanlagen für das Kohlendioxid, direkt an der Steuerungseinheit, lagen fünf Personen regungslos am Boden. Das war genau diejenige Stelle, an der das Kohlendioxid mit hohem Druck durch ein Bohrloch in den Untergrund gepresst wurde.

      „Wir müssen runter und nachsehen, was passiert ist“, erklärte Brighton über das Bordfunknetz.

      „Wir müssen vor allen Dingen sehen, dass uns nichts passiert, George!“, entgegnete Stapleton mit kühlem Unterton. „Wenn da wirklich Kohlendioxid ausgetreten ist – was ich wohlgemerkt nicht glaube, da die Tests noch gar nicht beginnen sollten – dann sollten wir uns da unbedingt fernhalten. Kopfschmerzen und Schwindel sind das Günstigste, was uns in so einem riesigen CO2-See passieren kann.“

      „Aber ich muss ausschließen, dass es nicht etwas ganz anderes war“, erklärte Brighton angespannt.

      „Ich kann noch etwas weiter runter gehen“, mischte sich der Pilot in die Unterhaltung über die Bordsprechanlage ein.

      „Gut, machen Sie das“, befahl Brighton.

      „Nein. Ich verbiete es Ihnen. Drehen Sie um“, unterbrach Stapleton und griff nach Brightons Arm. „Sei vernünftig, Bill. Das ist nun mal der Preis für das Öl.“

      29.Cerro Paranal, Kontrollzentrum (Chile) – 16. Oktober, 18:12 Uhr Ortszeit

      Richard saß am Kontrollpult von Yepun. An den Rechnern der drei anderen Teleskope waren nur noch zwei weitere Wissenschaftler in ihre Daten vertieft. Draußen schien noch die Sonne. Eigentlich wollte er die letzte Beobachtungsnacht vorbereiten und dazu noch einige Berech­nungen mit unterschiedlichen Parameterkonstellationen seines Modells durchführen. Unfähig, sich auf die Aufgabe zu konzentrieren, saß Richard mit seinem blanken Schädel in die Hände gestützt vor dem Monitor. Seine Gedanken kreisten immer wieder um den Unfall. Warum hatte das passieren müssen? Warum hat Paul nicht mehr bremsen können? Wieso Paul? Was wäre geschehen, wenn wir nicht gelaufen wären? Seit dem Unfall hatte er den genauen Hergang noch viele Male schildern müssen. Die Bilder vom Absturz des brennenden Pick-up ließen ihn nicht mehr los.

      Plötzlich gingen ihm wieder die Worte von Guido Hubner bei der Gedenkfeier durch den Kopf, die am Tag nach dem Unfall im großen Vortragssaal des Hotels stattgefunden hatte. Wir müssen weiter machen – Paul hätte es so gewollt. In unserer Arbeit und in Eurer Forschung lebt er weiter.

      Alle waren dort gewesen. Alle waren schockiert und betroffen von der Nachricht. So plötzlich. So unerwartet. So unerklärlich. Richard bemerkte Tränen in den Augen vieler Kollegen. Nur Carlotta Cassini hatte er seit dem Zusammentreffen an der Unfallstelle nicht mehr gesehen. Sie hatte ihren Container nicht mehr verlassen und niemanden an sich heran gelassen.

      Auch Guido Hubner war der Tod von Paul Rodriguez näher gegangen, als er es an der Unfallstelle offenbart hätte. Er konzentrierte sich darauf, den Wissenschaftsbetrieb am Laufen zu halten. Seit dem Unfall war er jeden Tag bei den Teleskopen und im Kontrollraum. Er sprach mit Pauls Team und interessierte sich für ihre Arbeit. Offensichtlich suchte auch er nach einer Erklärung für den Unfall. Ganz offensichtlich teilte Hubner einen Verdacht, den auch Richard hatte. Der Unfall war nicht allein auf technisches Versagen zurückzuführen. Doch wer hatte ein Motiv. Es gab sicherlich einige, die Paul den Erfolg und die öffentliche Anerkennung neideten. Aber alle waren selbst Wissenschaftler und wussten, dass der Erfolg in erster Linie das Ergebnis von harter Arbeit und zeitlichem und persönlichem Einsatz war.

      Richard wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der Computer das Ergebnis der Berechnungen ausspuckte. Es passte perfekt in die bisherigen Messungen. Wow! Eine der größten Hürden für seine Doktor­arbeit war genommen. Jetzt war es reine Fleißarbeit, alle Erkenntnisse zusammenzufassen und die Arbeit zu Hause in Heidelberg abzu­schließen. Doch Euphorie wollte nicht aufkommen. Pauls Tod und die vielen offenen Fragen hatten alles verändert. Während der Online-Über­tragung der Simulationsergebnisse auf sein Verzeichnis am Institut in Heidelberg versuchte er, sich abzulenken und klickte willkürlich durch die Verzeichnisstruktur. Für die rechenintensiven Simulationen seines Planetensystemmodells arbeitete er unter dem Account von Paul Rodriguez. Paul selbst hatte ihm das Passwort vor einigen Wochen gegeben. Neben vielen Dokumenten zu Aufbau und Kalibrierung der Instrumente fand Richard auch ein Verzeichnis mit wissenschaftlichen Messungen und Ergebnissen, darunter eine umfassende Sammlung von Arbeiten auf dem Gebiet der Exoplaneten-Forschung. Richard fühlte sich unwohl dabei, die Daten zu durchstöbern. Doch er rechtfertigte sein Interesse damit, dass Pauls Forschung auf jeden Fall weiterleben sollte – auch wenn er selbst tot war.

      Nach über einer Stunde, in der er mindestens zwei Dutzend Arbeiten über Exoplaneten-Systeme durchgeblättert und angelesen hatte, wollte sich Richard gerade wieder seiner eigenen Arbeit zuwenden, als er auf etwas Interessantes stieß.

      30.NASA Advanced Supercomputing Facility, Ames Research Center, (Kalifornien, USA) – 16. Oktober, 15:28 Uhr Ortszeit

      Ray Sandish lief durch die endlosen Reihen der Racks des Pleiades Supercomputers. Die mehr als 18 Tausend Prozessoren arbeiteten mit höchster Leistung und strahlten einen großen Teil der aufgenommenen Energie in Form von Wärme ab, die von der laut rauschenden Klimati­sierung abtransportiert wurde. Sandish eilte zu einem der Terminal­arbeitsplätze im benachbarten Kontrollraum, der durch eine breite Scheibe von den in langen Reihen aufgestellten Rechnersystemen abge­trennt war. Dort loggte er sich auf dem System ein und überprüfte die laufenden Simulationsrechnungen. Die