Rainer Homburger

Lucies Abenteuer


Скачать книгу

und verabschiedete sich mit einen »Tschüss« von ihrem Vater. Dann ging sie zum Schuppen neben dem Haus, in dem die Fahrräder untergebracht waren. Sie holte ihr Rad, schwang sich auf den Sattel und radelte los.

      Am Horizont stand die Morgensonne bereits über den Bäumen und strahlte Lucie entgegen. Auf der braunen Haut ihrer Nase und den Wangen leuchteten ein paar Sommersprossen. Ihre Haare flatterten im Wind. Lucie war ein hübsches Mädchen.

      Das hatten auch schon viele Jungs in ihrer Umgebung festgestellt.

      Doch Lucie dachte in ihrer Freizeit nur an Pferde.

      2. Kapitel

      Lucie radelte durch die mittlerweile warme Luft und dachte an das Springen mit Ramon, den sie am Nachmittag besuchen wollte.

      Ramon war sieben Jahre alt und ein wirklich schönes Pferd. Er war braun und sein Fell glänzte unheimlich in der Sonne. Seine Augen funkelten und blickten aufmerksam in die Welt.

      Lucie war mit sechs Jahren das erste Mal im Reitstall gewesen. Ihre Mutter hatte sich dort mit ihrer Freundin getroffen und sie mitgenommen. Die Freundin ihrer Mutter besaß ein eigenes Pferd und daher trafen sie sich gelegentlich auch mal im Reitstall. Damals hatte Lucie noch Angst vor den großen Tieren gehabt. Sie hielt immer Abstand zu ihnen und traute sich nicht, sie zu streicheln. Wenn ihre Mutter den Pferden etwas aus der Hand zu Fressen gab, wollte Lucie sie natürlich auch füttern. Bevor die Pferde aber das trockene Brot von ihrer Hand nehmen konnten, zog sie ihren Arm ängstlich zurück und das Brot fiel auf den Boden. Daheim musste die Mutter das Pferd spielen und Lucie wollte sie füttern. Und da klappte es auch prima. Als sie dann aber erneut den großen Tieren gegenüberstand, verließ sie immer wieder der Mut. Alles änderte sich, als Ramon geboren wurde. Die Mutter von Ramon war das Pferd von der Freundin ihrer Mutter. Deshalb durften sie auch bei der Geburt dabei sein. Lucie hatte sich sofort in Ramon verliebt. Wie er so wackelig auf seinen Beinen stand. Ramon war zu diesem Zeitpunkt nicht größer als sie.

      Dadurch hatte sie keine Angst vor ihm und streichelte ihn auch schon bald nach der Geburt. Von diesem Tag an wollte Lucie immer mit der Mutter in den Reitstall, um nach Ramon zu sehen.

      So kam es auch, dass sich Lucie schnell mit Kirsten anfreundete. Kirsten war die Tochter der Freundin ihrer Mutter. Obwohl sie sich schon lange kannten, hatten sie sich bis dahin nicht besonders gut verstanden. Das änderte sich schnell, als Lucie ihre Liebe zu den Pferden entdeckte. Auch Kirsten war eine Pferdenärrin und so verbrachten die beiden viel Zeit miteinander. Sie sprachen über Pferde, malten Bilder von den Tieren und hielten sich in ihrer Freizeit meistens bei Ramon, seiner Mutter und den anderen Pferden im Reitstall auf.

      Kirsten war wie Lucie dreizehn Jahre alt und mittlerweile waren sie beste Freundinnen geworden. Kirsten wohnte am anderen Ende des Ortes, ganz in der Nähe der Schule. Sie gingen in die gleiche Klasse und hatten einen festen Punkt, an dem sie sich jeden Morgen trafen, um den restlichen Weg zur Schule gemeinsam zurückzulegen.

      »Hey Lucie, was ist denn mit dir los?«, hörte sie plötzlich Kirsten rufen.

      Lucie war so in Gedanken an Ramon versunken gewesen, dass sie doch glatt an ihrer Freundin vorbeigefahren war.

      »Hallo Kirsten. Entschuldige, aber ich war in Gedanken schon wieder bei Ramon. Ich freue mich auf heute Nachmittag. Dann werden wir endlich mit ihm zum Springen können.«

      »Du solltest erst einmal an unsere Klassenarbeit denken. Kannst du mir nachher eigentlich noch mal die Textaufgaben von letzter Woche erklären? Die habe ich immer noch nicht kapiert.«

      »Na klar, die sind doch ganz einfach.«

      »Du hast gut reden. Mir graust es jetzt schon davor.«

      Kirsten mochte Mathe überhaupt nicht. Sie konnte sich viele Formeln nicht merken, war dafür aber in Deutsch besser als Lucie. Besonders liebte sie es, Aufsätze zu schreiben. Kirsten hatte eine blühende Phantasie, die ihr in einigen Arbeiten zugutekam, in anderen schoss sie aber auch schon mal deutlich über das Ziel hinaus. Lucie und Kirsten halfen sich oft bei den Hausaufgaben.

      Sie waren ein gutes Team. Und das hatte auch noch einen anderen Vorteil. Gemeinsam waren sie so schneller mit den Aufgaben fertig und konnten dann früher im Reitstall sein.

      Sie stellten ihre Fahrräder an der Schule ab und schlossen sie an die Fahrradständer an.

      Vor drei Jahren war Lucie einmal ihr Fahrrad an der Schule gestohlen worden. Sie war spät dran gewesen und hatte es, um Zeit zu sparen, nicht abgeschlossen. Daheim gab es ein gewaltiges Donnerwetter von ihren Eltern. Aber das war für Lucie nicht mal das Schlimmste. Bis sie ein neues Fahrrad hatte, musste sie in die Schule und in den Reitstall laufen. Das kostete doch einiges an Zeit und im Sommer bei großer Hitze war sie immer schon verschwitzt, bis sie ankam. Es dauerte vier Wochen, bis ihr ihre Eltern ein neues Fahrrad gekauft hatten. Die Hälfte davon musste sie auch noch von ihrem eigenen Geld bezahlen. Und das war ärgerlich.

      Lucie war eine eifrige Sparerin. Was ging, steckte sie in ihre Spardose, die die Form eines Pferdes hatte. Davon leistete sie sich dann immer wieder ein paar Reitstunden.

      Zum Glück hatte sie ab und zu in den Ferien die Möglichkeit, im Reitstall zu arbeiten. So war sie mit den Pferden zusammen und konnte sich auch noch etwas Taschengeld dazu verdienen.

      3. Kapitel

      Sie gingen in ihr Klassenzimmer im ersten Stock. Lucie und Kirsten saßen nebeneinander am Fenster. Hinter Ihnen saßen Klaus und Mike, daneben Peter und Stefan. Die vier Jungs hingen die meiste Zeit zusammen und unterhielten sich über Computer und Handys.

      Stefan war ein ziemlich ruhiger Junge und passte gar nicht so richtig in die Gruppe. Im Gegensatz zu den anderen, die doch öfters mal eine große Klappe hatten, war er ein Mitläufer.

      Stefans Eltern arbeiteten beide. Sie hatten wenig Zeit für ihn und versuchten dies mit Großzügigkeit auszugleichen.

      Stefan hatte von allen den mit Abstand besten Computer und auch die neusten Spiele dafür. Die anderen drei nutzten das aus und meistens saßen sie bei Stefan daheim am Computer. Nur dadurch war Stefan in der Gruppe akzeptiert und versuchte, dies immer wieder durch neue Spiele oder bessere Computerausstattung zu erhalten.

      »Schnell macht das Fenster auf, hier stinkt‘s nach Pferd.« Klaus gab regelmäßig einen Kommentar ab, wenn Lucie und Kirsten ins Zimmer kamen.

      Kirsten warf ihm einen bösen Blick zu.

      Dass die beiden Mädchen große Pferdeliebhaberinnen waren, wusste die ganze Klasse. Kirsten hatte im vergangenen Jahr mit Hilfe ihrer Mutter einen Klassenausflug zum Reitstall organisiert. Dort wurde den Schülern viel über Pferde, ihre Gewohnheiten, ihr Verhalten und weitere interessante Dinge erzählt. Der Höhepunkt war aber, dass jeder einmal reiten durfte. Wenn auch nur eine kleine Runde in der Halle.

      Von diesem Angebot machten fast nur die Mädchen Gebrauch. Stefan war einer der wenigen Jungs, die sich meldeten. Nachdem aber Klaus groß hinausposaunte, dass nur Memmen auf Pferden reiten, zog er seinen Finger zurück und traute sich nicht mehr.

      In der Pause gingen die beiden Mädchen noch einmal die Textaufgaben durch. Sie saßen im Schulhof im Schatten eines großen Baums. So kurz vor der Arbeit war das am besten. So konnte sich Kirsten meistens ein paar Dinge für die Arbeit merken, auch wenn sie sie bald danach dann doch wieder vergessen hatte.

      Plötzlich wurde Kirsten das Blatt weggezogen, auf dem sie gerade eine Aufgabe durchrechneten.

      »Hey, spinnst du? Gib mir sofort das Blatt zurück.« Kirsten sprang auf und rannte hinter Klaus her.

      Da Kirsten größer und sportlicher war als Klaus, hatte sie ihn schnell eingeholt. Sie entriss ihm das Blatt und versuchte ihm noch eins mit der flachen Hand auszuwischen. Klaus duckte sich, lachte und war gleich hinter dem nächsten Baum verschwunden.

      »Idiot.« Sie ging zurück zu Lucie. »So wird das natürlich nichts mit der Mathearbeit.«

      »Komm,