Rainer Homburger

Lucies Abenteuer


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versuchte, sich wieder zu beruhigen. Es gelang ihr nicht.

      »Das gibt ein Chaos nachher. Ich weiß überhaupt nichts mehr.« Kirsten wurde jetzt ganz nervös.

      »Na komm, das klappt schon. Konzentriere dich auf die Aufgaben. Du wirst sehen, so schlimm wird das nicht.« Lucie sah auf ihre Uhr. »Es ist Zeit, wir müssen hoch.«

      Sie standen auf und Kirsten folgte ihr Richtung Eingang. Klaus saß bereits an seinem Platz, als die beiden Mädchen durch die Türe ins Klassenzimmer kamen. Er sah sie und grinste über das ganze Gesicht.

      Na warte, dachte Kirsten.

      Klaus blätterte in einer Computerzeitschrift. Als Kirsten näherkam, versuchte sie blitzschnell, ihm die Zeitschrift zu entreißen. Damit hatte er natürlich gerechnet und drückte mit beiden Händen das Heft fest auf den Tisch.

      Kirsten zog an der Zeitschrift, aber ihre Finger rutschten ab. Klaus grinste erneut.

      »Alle hinsetzen, bitte.«

      Kirsten hatte überhaupt nicht gemerkt, dass die Lehrerin gekommen war. Sie fauchte Klaus noch etwas entgegen und setzte sich neben Lucie auf ihren Platz.

      »Viel Glück. Geh einfach in Ruhe die Aufgaben durch. Du machst das schon.«

      Lucie zwinkerte ihr mit dem rechten Auge zu.

      »Und wie war es bei dir?«

      »Ich glaube, es hat mich gerettet, dass wir die Aufgaben vorhin noch einmal durchgegangen sind«, sagte Kirsten in der kleinen Pause nach der Arbeit. »Auch wenn ich manchmal nicht ganz verstanden habe, warum ich die Aufgaben genauso lösen musste, wie du es mir erklärt hast. Aber egal. Das war die letzte Mathearbeit und ich hoffe, ich komme noch mit einem Dreier im Zeugnis durch.«

      »Wann treffen wir uns heute Nachmittag?«

      »Am besten gleich um zwei Uhr. Ich möchte so schnell wie möglich mit Ramon zum Springen«, antwortete Lucie.

      Sie konnte es kaum erwarten. Schon oft hatten sie vorgehabt, mit Ramon über Hindernisse zu springen, aber immer wieder kam etwas dazwischen. Ramon hatte schwache Fesseln und dort leider immer wieder Schwellungen bekommen. Nachdem es jetzt aber eine längere Zeit gut war, hat Dr. Merz, der Tierarzt, den Lucie unheimlich gernhatte, ihnen ein leichtes Springen mit Ramon erlaubt.

      »Na, wie war die Arbeit bei euch?«

      Plötzlich stand Gisi hinter den beiden. Eigentlich hieß sie Gisela, aber alle nannten sie nur Gisi. Sie war ein nettes Mädchen und die Drei verstanden sich echt gut.

      Da sie aber keinen Bezug zu Pferden hatte, blieb ihre Freundschaft auf die wenigen Termine außerhalb des Reitstalls beschränkt.

      In der Schule standen sie aber oft in den Pausen zusammen und unterhielten sich über alles Mögliche.

      »Lucie, ich möchte dich gerne einladen für den nächsten Samstag. Meine Eltern verreisen übers Wochenende und ich mache eine Party.«

      »Du darfst eine Party machen?« Lucie schaute sie überrascht an.

      »Ich habe lange gebraucht, meine Eltern zu überzeugen. Sie haben auch nur zugestimmt, weil mein Bruder versprochen hat, ein Auge auf uns zu werfen.«

      »Wie soll man denn da eine Party feiern, wenn der große Bruder aufpasst?«

      »Na komm schon, Lucie«, sagte Kirsten, »ich habe auch zugesagt. Das wird sicher gut.«

      »Okay, ich komme gerne. Danke.«

      »Toll, wir werden sicher unheimlich viel Spaß haben«, sagte Kirsten und strahlte freudig über das ganze Gesicht.

      4. Kapitel

      Sie trafen sich am Nachmittag um zwei Uhr an ihrem Treffpunkt.

      »Was hast du denn da in deinem Rucksack?«, fragte Lucie.

      »Meine Mutter hat uns beiden was zu Trinken und ein paar Leckereien eingepackt. Und dann noch etwas altes Brot für die Pferde.«

      »Na, dann los.«

      Die Sonne stand hoch am Himmel. Keine Wolke war zu sehen und die Hitze war drückend. Kirsten und Lucie hatten nur ein T-Shirt und eine kurze Hose an. Es war viel zu heiß, um die Reiterhose schon vorher anzuziehen. Die Reiterstiefel, die Reiterhose und den Helm trugen sie beim Reiten aber immer. Die beiden Mädchen waren froh, als der Weg durch den Wald führte. Hier war es besser auszuhalten. Die Bäume ließen die Hitze nicht durch und es war deutlich angenehmer auf dem schönen Waldboden in der kühlen, frischen Luft. Sie radelten zügig. Lucie immer etwas vor Kirsten. Sie machte Tempo und wollte so schnell wie möglich im Reitstall sein.

      »Nun hetz doch nicht so«, rief Kirsten, die mit ihrem Rucksack auf dem Rücken deutlich mehr ins Schwitzen kam als Lucie.

      Am Reitstall angekommen stellten Sie ihre Fahrräder hinter den Schuppen.

      Sie schlossen sie nicht ab und gingen direkt in das große Gebäude. Hier waren die meisten Besucher und Reiter gut bekannt, so dass die Mädchen keinen Diebstahl befürchteten.

      »Hallo, ihr Zwei.«

      »Hallo«, antworteten die beiden gleichzeitig. Rolf war der Sohn der Eigentümer und mit seinen fünfzehn Jahren zwei Jahre älter als die Mädchen. Wann immer er konnte, hielt er sich im Reitstall auf und half überall dort, wo es nötig war. Der Umgang mit den Pferden machte ihm Spaß und er hatte ein gutes Händchen für die Tiere. Rolf sprang schon zwischen den Pferden herum, als Lucie zum ersten Mal den Reitstall besuchte.

      Kurz bevor die beiden Mädchen die Pferdeboxen betraten, drehte sich Kirsten noch einmal um.

      »Was glotzt der uns denn so nach?«

      »Das ist mir die letzten Male schon aufgefallen. Und irgendwie kam es mir so vor, als ob er sich immer dort aufhielt, wo ich auch gerade war.«

      »Komm jetzt«, sagte Lucie und hielt Kirsten die Tür zu den Pferdeboxen auf.

      Die Box von Ramon war auf der rechten Seite, ungefähr in der Mitte des langen Stalls.

      »Hallo Ramon«, begrüßte Lucie ihn freudig. Der große Hengst kam sofort zur Tür, und als Lucie die Box betrat, stieß er sie mit seiner Nase an. Lucie und Kirsten streichelten ihn.

      »Ich freue mich schon. Wir werden heute gemeinsam springen«, flüsterte Lucie ihm liebevoll ins Ohr, während sie seinen Hals streichelte.

      Ramons Ohren waren steil nach oben gerichtet. Seine Augen glänzten. Lucie spürte, dass er sich jedes Mal sehr freute, wenn sie kam. Seine Augen verrieten die freundschaftliche Nähe zu Lucie. Beide waren einander vertraut und merkten sofort, wenn sich der andere nicht wohlfühlte.

      Wenn Lucie mal ein paar Tage nicht in den Reitstall konnte, was nur selten vorkam, nahm ihr Ramon das gleich übel.

      »Dann schaut er mich gar nicht mehr an«, erzählte sie daheim immer ihren Eltern. Doch schnell war ihr Verhältnis wieder das alte und Ramon freute sich, dass Lucie bei ihm war.

      Lucie ging den Sattel holen, während Kirsten ihm das Fell bürstete. Ramon hatte sich erst kurz vor ihrem Besuch in seiner Box im Stroh gewälzt. Sein Fell war staubig und überall hingen noch einzelne Strohhalme.

      »So können wir dir ja keinen Sattel auflegen«, sagte Kirsten zu ihm, während sie ihn von oben nach unten striegelte und dazwischen immer wieder die Bürste abstreifte.

      Lucie kam mit dem Sattel zurück. Kirsten führte Ramon aus seiner Box. Im Gang banden sie ihn an und begannen ihn zu satteln.

      »Ich werde mal nach Rolf sehen«, sagte Kirsten, »er hat uns versprochen, beim Aufbau der einzelnen Hindernisse zu helfen.«

      Sie ging nach draußen, um Rolf zu suchen.

      Nachdem Ramon fertig war, nahm ihn Lucie am Zügel und führte ihn vor den Reitstall. Neben dem Tor war eine lange Stange angebracht. Hier konnten die Reiter vor oder nach einem