Chris Biller

GAUCHO


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aber es stockte mir der Atem. Sie lag unbekleidet auf ihrem Bett und streichelte sich am ganzen Körper. An ihren Brüsten, zwischen ihren Beinen. Ihre Kleidung lag verstreut um das Bett herum und auf ihrem Nachtschrank befanden sich Utensilien zur Hilfe der Selbstbefriedigung, die mir damals mehr als unbe-kannt waren, aber ein gewisses Fremdschämen in mir verursachten. Was machte sie da nur? Es kam mir vor, als würde ich von meiner heilen Welt durch dieses Fenster in eine andere, schlimme Welt blicken. Das unscheinbare und schüchternde Mädchen mit dem süßen Lächeln von Nebenan, lag wie die Natur sie schuf nicht unweit vor mir und praktizierte Dinge mit sich, die ich nicht wechseln konnte. Die Aufregung in mir ließ den Puls bis in meinen Kehlkopf hämmern und in meinem Magen bäumte sich ein Gefühl wie kurz vor dem Erbrechen auf. Ich musste so schnell und heftig atmen, dass die Fensterscheibe ständig beschlug und ich sie nach jedem dritten Atemzug mit dem Ärmel abwischen musste. Es wäre eine Lüge zu behaupten, dass mich das mit Elena nicht irgendwie angemacht hätte, obwohl es auf eine Art befremdend war. Ich empfand es als unwahrscheinlich dass es genau das war, was sie all die Jahre fast jeden Tag in ihrem Zimmer anstellte. Warum sollte sie das tun? Wer würde das über-haupt so oft mit sich machen wollen? War Elena womöglich besessen von sich selbst?

      Ich versuchte einen klaren Kopf zu bewahren. Wenn es eine Antwort auf meine Fragen gab, dann war sie vielleicht genau hier zu finden.

      Ganz rechts, so weit es möglich war, fing ich an ihr Zimmer in meinem Fokus zu inspizieren. Schritt für Schritt, langsam, tastete ich Sämtliches mit meinen Augen ab um eventuell Klarheit zu erlangen.

      Gleich neben dem Fenster erkannte ich das Seitenteil einer Schrankwand, wie sie für Jugendzimmer üblich war. Sie reichte über Eck bis zur nächsten Wand und in ihr flimmerte ein mittelgroßer Fernseher, dem ich zunächst vom Sichtwinkel zum Bildschirm her wenig Beachtung schenken konnte. Am Ende zur dritten Wand, stand der Nachtschrank, auf dem sich zusammen mit den schon erwähnten Utensilien, auch ein kleiner runder Frisierspiegel stand dessen Spiegel sich vertikal drehen ließ. Gleich daneben, ihr Bett, das ebenso wie der Schrank und eigentlich wie alles andere in diesem Zimmer überwiegend in einem Rot gehalten war. Ein großes kitschiges Bild hatte sie darüber gehängt, mit einem goldenen verzierten Holzrahmen. Darauf zu sehen, fünf vergnügte fliegende Engel, von denen der eine auf einer Harfe spielte. Heile Welt, dachte ich, beim betrachten dieser Darstellung und bemerkte am Rande meines Blickfeldes noch einmal den Frisierspiegel. Er spiegelte das Fernsehbild, das ich zuvor nicht einsehen konnte wieder. Ich nahm an, einen Erotikfilm zu sehen, mit dem sich Elena offensichtlich in Stimmung brachte, musste dann jedoch schockierend erkennen, dass die Bewegungen auf dem Bildschirm mit den ihren übereinstimmten. Nun sah ich auch ein Stativ das unmittelbar neben dem Fernseher mit einer Kamera bestückt aufgestellt war, mit der ihre intimsten Darstellungen ohne jeden Zweifel aufgezeichnet wurden. Ich war nicht gerade dumm für mein Alter. Oft kam es vor das durchaus auch Erwachsene in einigen Dingen was meine Intelligenz anbetraf, Mühe hatten mir das Wasser zu reichen. Womit ich lediglich behaupten möchte, dass ich sehr wohl eins und eins zusammen zählen konnte. Aber diese Flut an neuen und kuriosen Eindrücken, erst recht ihren Sinn verstehen, brachte mich dann doch an meine Grenzen. Warum um alles in der Welt nahm sie mit einer Kamera auf wenn sie sich selbst befriedigte? Machte sie das immer oder wollte es der Zufall, das sie es gerade an dem Tag machte an dem ich durch das Fenster spionierte? Tat sie es für die Nachwelt, für ihre Kinder, um denen zu zeigen wie es richtig gemacht wird? Wie krank war das denn? Wieder musste ich zu dem von mir vermuteten Entschluss gelangen, Elena sei von sich sexuell besessen.

      Ich überlegte abzubrechen. Was konnte Schlimmeres noch kommen als das was ich schon gesehen hatte? Ein hin und ein her in meinem Kopf und schließlich, machte ich weiter.

      Neben Elenas Bett, auf dem sie noch immer unaufhörlich an sich herum rieb, befand sich die Zimmertür. Wüst bepackt an den darauf befindlichen Haken mit Jacken, Blusen und Hosen, so das ein komplettes aufsperren sich als Schwierig herausstellen musste, weil der Türrahmen dort schon an der vierten und demnach letzten Wand grenzte. Sie war übersät mit hunderten Fotos von Elena. Eine riesige Collage mit Bildern in allen Formen und Größen, mit und ohne Rahmen, hingen sie kreuz und quer übereinander lappend. Auf den meisten Fotos, die ich mit Mühe erkennen konnte, wirkte sie seltsam emotionslos. Sie hatte sich scheinbar selbst fotografiert, ohne eine Miene zu verziehen, ohne einen Ausdruck, wie auf einem Passfoto. Als wollte sie sich dokumentieren und ihren Wandel über die Jahre festhalten.

      Bedenklich dieser Bilder und doch unbedacht ging mein Blick langsam weiter zur linken Ecke des Zimmers. Die Erwartung auf einen harmlosen Gegenstand oder auf etwas Ähnlichen zum Abschluss zu stoßen, machten mich unbekümmert. Bis ich ein Bein sah. Ein nacktes Bein, viel mehr ein nacktes Knie und dann zwei davon. Nackte Beine in einer Sitzposition auf einem Sessel der weit in dieser Ecke stand. Meine Augen kamen vor Schreck mehrere Zentimeter aus ihrer Höhle und ich drohte fast an meiner Spucke zu ersticken. Schemenhaft zu erkennen saß dort Jemand der erkennbar nackt zu sein schien und durch eine vertraute Handbewegung ohne Zweifel vermittelte zu onanieren. Mit Ekel und Angst im Blick verkrampft, waren mir diese Bewegungen, da ich selbst zum männlichen Geschlecht gehöre, sehr wohl bekannt und obwohl ich es erahnen konnte, um wen es sich auf dem Sessel handeln musste, wollte ich es nicht glauben. Das Aufglimmen einer Zigarette im Gesicht dieser Person, als sie daran zog, verschaffte in diesem Augenblick genug Licht um zu erkennen.

      Ich verlor den Halt meiner vor Aufregung zittrigen Beine und rutschte wieder mit den Füßen vom Tritt auf dem ich stand. Meine Hände die noch immer an der Fensterscheibe klebten, verursachten durch das Abrutschen ein hörbares quietschendes Geräusch auf dem Glas und ich schlug diesmal mit dem Kinn auf die Außenfensterbank. Ohne Halt flog ich rücklings blutend auf den nassen matschigen Rasen, von dem ich mich ohne ein zögern aufraffte und so schnell ich konnte zu unserem Hintereingang rannte.

      Ich hatte ihren eigenen Vater gesehen. Wie sollte ich das verstehen, wer kann das verstehen? Das Dreckschwein saß da, völlig nackt und holte sich sexuell ergötzend durch den Anblick seiner masturbierenden Tochter Einen runter.

      Sie mussten mich gehört haben, zu laut war mein Abgang aber das interessierte jetzt nicht mehr. Wie ein Irrer stieß ich die Hintertür zu unserem Haus auf und schrie immer wieder völlig aufgelöst nach meinem Vater. Das Blut, das aus dem Cut an meinem Kinn herunter lief, durchtränkte den Kragen meines Sweatshirts und ließ mich schlimmer aussehen als es eigentlich war. Jedoch kann sich jeder vorstellen, wie der erste Eindruck sein musste, wenn der Sohn in diesem Zustand hysterisch schreiend ins Haus gerannt kommt. Als mein Vater mir entgegen kam, beinah so aufgeregt wie ich, sah ich in sein Gesicht den Ausdruck den ich vermutlich an Elenas Fenster gehabt hatte.

      >>Lilliiiie………Lilliiie, SCHNELL!!<<

      Ich hatte nicht oft die Gelegenheit mit meinen Vater zu sprechen oder Sonstiges zu unternehmen. Schuld daran waren seine Wechselschichten, was aber dem guten Verhältnis zwischen uns, so wie es bei mir und meiner Mutter war, in nichts nachstand. Er war nicht der Vater der stets darauf bedacht war weit über dem Durchschnitt zu liegen um alles perfekt zu machen. Er war kein Drachenbauer sondern einfach nur mein Vater, der durch seinen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn den Menschen erst unvoreingenommen sein Ohr gönnte, bevor er sich für jemanden einsetzte oder im schlimmsten Fall verurteilte. Er war da, wenn ich ihn brauchte.

      >> Oh Gott, Himmel, du bist ja blutüberströmt! Was ist denn passiert? <<

      Ich atmete schnell und mir kamen die tränen. Meine Kehle schnürte sich zusammen, so dass ich außer einem wirren Gestammel kaum ein Wort heraus brachte.

      >>Komm setz dich Tony, hol erst einmal tief Luft und versuch dich zu beruhigen, Mensch. Was in Dreigottesnamen bringt dich denn derart durcheinander? <<

      Mit einer Schale warmen Wasser, einem Tuch und Pflaster, eilte meine Mutter herbei. Sie ahnte schon von der Stimmlage meines Vaters her, was sie wieder einmal erwartete. Ihr Tony musste sich verletzt haben.

      >>So, bin schon da Schätzchen! Ach herrje, wie hast du denn das wieder hinbekommen? Halb so wild, das haben wir gleich. <<

      Sie setzte mich auf die Waschmaschine und verarztete mich während mein Vater, die Arme verschränkt, daneben stand und mitleidend aber auch argwöhnisch zu mir schaute.

      >>