Chris Biller

GAUCHO


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genervt das Krankenblatt am Fußende fallen und forderte, in dem er seine Hand Doktor Lammers entgegenstreckte, die Taschenlampe.

      >>Darf ich? <<

      >>Aber natürlich, Professor. <<

      Während Niehlan die gleiche Prozedur durchführte und ebenfalls die Beobachtung machte, zeichnete sich ein erleichterndes Grinsen in seinem Gesicht ab. Hatten doch so manche Kollegen meine Wenigkeit abgeschrieben und den enormen medizinischen Aufwand den er betrieb und stets versuchte zu rechtfertigten, in Frage gestellt. Bekam er jetzt den Lohn dafür?

      >>Wahrhaftig, der Junge zeigt endlich das es ihn noch gibt. Zwar vom Reflex auffallend langsam aber es bewegt sich was, sehr schön! Sie kümmern sich um alle nötigen Tests Doktor Lammers. Gehen sie noch einmal alles durch. Wäre ja schade wenn unser Herr Schmitz hier mehr mitbekommt als wir erahnen, nicht wahr? <<

      >>Ja Professor, ich werde die Stationsschwester beauftragen alles zu veranlassen. <<

      Im Begriff den Raum zu verlassen blieb Professor Niehlan, um auf Lammers Antwort zu reagieren, kurz vor der Tür stehen, drehte sich jedoch bewusst unhöflich nicht um.

      >>Nicht die Stationsschwester kümmert sich, Herr Doktor Lammers, sondern ausschließlich sie. Ist ihnen das recht oder haben sie gerade Wichtigeres vor? <<

      >> Nein, nein, natürlich ist mir das recht, Professor! Warum sollte mir das nicht recht sein? <<

      Lammers verhielt sich ertappt aber auch angepisst und versuchte nervös ungeduldig seine Taschenlampe zurück in seiner Brusttasche zu stecken. Immer wieder stieß sie auf die obere Kante des umsäumten Eingriffs und erst nach pressender Gewalt war sie zum Verschwinden in die Tasche bereit.

      >>Fein, und nennen sie mich nicht immer Professor, Herr Doktor Lammers! <<

      >>Verzeihung, wie soll ich sie sonst nennen? <<

      >>HERR Professor, Herr Doktor Lammers, HERR Professor! Wenn sie nur Professor sagen komme ich mir vor wie in der Sesamstrasse?! <<

      >>Ich verstehe, Herr Professor! <<

      >>Das will ich doch meinen. <<

      Niehlan verließ das Zimmer und hatte gerade mal die Türklinke von außen losgelassen, als Lammers im gleichen Atemzug „Arschloch“ sagte.

      Professor Doktor med. med. Adalbert Niehlan! Der Name war nicht nur in der Klinik, sondern weltweit auf medizinischer Ebene für viele Studenten und angehende Ärzte in sämtlichen Fachrichtungen Gesetz. Er war Chef der Klinik und eine Koryphäe auf mehreren Gebieten. Personalmangel gab es bei ihm nicht, denn allein der Status unter seiner Führung arbeiten zu dürfen, war für viele die größte erreichbare Ehre ihrer Laufbahn. Er konnte sich die Besten heraus suchen und tat es auch. Egal welcher Herkunft, Glauben oder Hautfarbe, wer in der Lage war explizit das menschliche Leben zu retten und auf hohen Niveau am Leben zu halten, war bei ihm willkommen.

      Wir haben über dem Menschen und darüber hinaus einen Eid abgelegt und wurden von Gott bestimmt mit unseren Händen zu helfen und in der Not zwischen Leben und Tod beizustehen.

      Es wäre und ist für uns unduldbar, wenn diese Gabe wegen Mangel an Aufmerksamkeit an Einzelne egal in welcher Lage und Situation in Frage gestellt würde.

      Eine Mahnung von ihm in mehreren Ausfertigungen, eingerahmt für jedermann ersichtlich und plädierend auf allen Stationen aufgehängt. So war Niehlan!

      Während sich meine Augen nur schwer von dieser tollen Lichtaktion erholten, hörte ich wie Lammers in meinem Krankenblatt blätterte und dann ebenfalls hinausging. Die Tür ging zu und meine Augen blieben auf. Ja sie blieben auf! Auch meine Sehkraft pendelte sich immer mehr von einem schwarzen Punkt, umrandet mit einem Ring aus Licht, zur normalen Schärfe ein. Je mehr ich erkennen konnte umso glücklicher wurde ich. Ich sah die Zimmerdecke, verkleidet mit 40x40 Platten sowie sie in fast allen Krankenhauszimmern üblich war.

      Diese hässliche lange Deckenlampe, die durch den alten Starter immer vier-fünfmal aufblinkte bevor sie endlich an blieb wenn man sie anschaltete.

      Geradeaus, über mein Fußende hinweg hing Jupp an der Wand. Wie soll es auch anders sein. In jedem gut sortierten Krankenhaus war er zu finden und gehörte anscheinend zum Leid eines Jeden dazu. So oder so!

      Ich war überzeugter Atheist und hielt nichts von dieser Glaubensschwafelei. Das war allerdings nicht immer so. Als Kind ging ich sogar gerne in die Kirche und manchmal betete ich vor dem zu Bett gehen. In der Zeit als die Sache mit Elena passierte und nicht lange danach meine Mutter verstarb, richtete ich oft meine Gebete an Jesus. Der hatte meiner Meinung nach aber nichts Besseres zu tun, mit der Missachtung meiner Gebete, mir zu zeigen dass ich für ihn nicht existent war. Ich fühlte mich von ihm verleugnet und später tat ich mit ihm dasselbe. Das mag naiv klingen aber aus Kindestrotz vertretbar.

      Dann war da noch der große Strahler über meinem Bett. Er hatte bald einen Durchmesser von einen halben Meter, schien mir jedenfalls so. Er erinnerte mich an diesen Strahler von meinem Zahnarzt. Rund mit einem hochglänzenden breiten Chromring drum herum und innen, hinter einer hellorange getönten Scheibe, zwölf kleine Lampen die zusammen ein großes Licht ergaben. An der rechten Seite ging ein dicker Gelenkarm ab, der wiederum irgendwo neben mir am Bett befestigt war.

      Im groben war das eigentlich alles auf das sich mein Sichtfeld beschränkte. Zumindest solange bis ich mir dann den Strahler genauer betrachtete.

      Der spiegelnde Chromring ermöglichte mir meinen Blickwinkel, der aufgrund meiner völligen Bewegungs-einschränkung fast auf Null war, über das ganze Zimmer auszubauen. Durch die Wölbung des Ringes verzog sich alles was seitlich vom Strahler im Zimmer war für mich in eine parabolische Ansicht. Gewöhnungsbedürftig aber mit der Zeit lernte ich damit um zu gehen.

      Gar nicht schön der Moment als ich auf der inneren Seite des Ringes zur Mitte des Strahlers schaute. An dieser Stelle war keine Wölbung und in der getönten Scheibe war genau das zu sehen was sich unmittelbar darunter befand. Ich sah mich, ja mich! Wie in einem dunklen Spiegel, glasklar.

      War ich das wirklich? Ich sah ein verzerrtes, in sich Schläuche steckendes und fremdes Gesicht. Erst dachte ich, es liegt an meine Augen aber je länger ich mich auch auf mein Gesicht konzentrierte, es wurde nicht besser. Alles andere um mich herum gab ein klares Bild ab und so musste ich mich letztendlich damit abfinden, dass die Fratze die sich im Strahler widerspiegelte, die meine war.

      Schockiert und fassungslos wollte ich heulen, schreien. Diese Fratze berühren, versuchen sie irgendwie zu Recht zurücken aber es ging nicht.

      Sämtliche Gesichtszüge waren entglitten oder nicht mehr vorhanden.

      Schlapp und zerflossen, hängend wie ein Wachsfigurengesicht was zu lange in der Sonne lag, ohne jeglichen Ausdruck. Es war tot!

      Die Haare waren ab. Sie hatten mir den Kopf kahl geschoren. Zumindest an den Stellen wo noch Haare hätten wachsen können. Von Narben und Nähten übersät, sah mein Kopf aus wie der Grand Canyon, zusammengeflickt wie ein 3D Puzzle. Ungewiss was noch original in meinem Kopf war, wie viel Titan in Schrauben- oder Plattenform meinen Schädel zusammen hielt.

      Das einzige aufheiternde waren die tollen Schläuche die aus Mund, Nase, Kopf, Hals und dem Bett ragten. Sie verhinderten glücklicherweise aufgrund ihrer für mich lebensnotwendigen Funktion, den direkten Blick auf mich.

      Flüssigkeiten wie Wundwasser, Blut und anderen Sekrete die der Körper in meiner Lage absorbierte, wurden durch sie abgepumpt oder abgelassen. Zwei kamen allein schon seitlich aus meinem Hinterkopf und verhinderten das aufblähen meines Kopfes zur Größe eine Medizinballes.

      Die in der Nase und im Mund versorgten mich mit Sauerstoff und künstlichen Mahlzeiten in Flüssigform.

      So sah ich also aus….am Kopf!

      Die Bettdecke hing mir fast bis zum Hals und es war schwer, das was sie abzeichnete sicher zu definieren. So konnte ich nur raten wie der Rest aussehen könnte. War noch alles da? Wenn