Marlene Wagner

Sommersturmzeit


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begeben könnt? Das ist doch völlig verrückt und um Eure Frage zu beantworten, hat ein derartiges Verhalten in meinen Augen überhaupt nichts mit einem Heldenstück zu tun, sondern ist, um Eure eigenen Worte zu zitieren, tatsächlich einfach nur eine unglaubliche Dummheit!“

      Ihre Worte kamen heftiger als beabsichtigt und Karl schaute sie belustigt an.

      „Das ist also tatsächlich Eure Meinung? Nun, ich muss zugeben, ich hatte von Euch mehr Verständnis erwartet. Man möchte doch meinen, von uns beiden seid noch immer Ihr die größere Expertin für Handlungen, die von anderen Menschen auch mit viel Verständnis als verrückt bezeichnet werden könnten, ganz abgesehen von dem Punkt „sich freiwillig in Gefahr begeben“…

      Ich dagegen besuche doch nur meinen Cousin 2. Grades und habe von ihm die ausdrückliche Zusicherung, für die Tage des Festivals sein Gast zu sein. Wo ist da die Gefahr?“

      „Wo da die Gefahr ist??“

      Seine Sorglosigkeit verschlug ihr kurzzeitig die Sprache und sie schüttelte verständnislos den Kopf, bevor sie verärgert weitersprach.

      "`Ihr habt offensichtlich keine Vorstellung von der Launenhaftigkeit Eueres Cousins 2. Grades! Heute seid Ihr für ihn vielleicht noch eine willkommene Abwechslung, aber schon morgen lässt er Euch womöglich gefangen nehmen. Man kann es drehen und wenden wie man will, aber das was Ihr hier tut ist schlicht und ergreifend Wahnsinn, immerhin seid Ihr nicht irgendwer, sondern habt auch eine Verantwortung für Eure Soldaten und Euer Land!!"'.

      Auf Karls Gesicht hatte sich während ihrer Worte ein erfreutes Grinsen breitgemacht.

      "`Aber, aber – hier scheint ja jemand ernsthaft um mich und meine Untertanen beunruhigt zu sein. Meine Männer sind Euch wohl während Eures Besuches mehr ans Herz gewachsen als gedacht?

      Doch anstatt von Euch nur Vorwürfe über meine vermeintliche Leichtsinnigkeit zu hören, hatte ich eigentlich vielmehr gehofft, dass Ihr Euch nach unserer so netten Plauderei in meinem Lager freut, so unverhofft die Möglichkeit zu haben, diese mit mir fortsetzen zu können."'

      Mit funkelnden Augen kam er auf sie zu und stützte sich mit beiden Händen so auf die Lehnen ihres Sessels, dass Katharina ihm nicht weiter ausweichen konnte.

      „Also, wie sieht es aus, seid Ihr nicht doch ein klein wenig froh, mich wiederzusehen, Katharina?“

      Sein Gesicht näherte sich dem ihren bis auf wenige Zentimeter und das Glitzern in seinen Augen, die Begeisterung und der Jagdtrieb, den sie darin sah, erinnerten Katharina unwillkürlich an ihre Katze, mit der sie zu Hause als Kind so gern gespielt hatte. Nur war nun sie die Maus, die in der Falle saß und mit der gegen ihren Willen gespielt wurde. Karls Lippen waren den ihren nun so nahe, dass sie seinen Rotwein-geschwängerten Atem riechen konnte und allein der Gedanke daran, dass er sie gleich küssen würde und sie ihm dabei völlig ausgeliefert war, lähmten Katharina zusätzlich zu der Furcht, die sie mittlerweile ergriffen hatte.

      Schon seit frühester Kindheit empfand sie eine Abscheu gegen alkoholisierte Männer. Sie war noch sehr klein gewesen, als Besucher ihres Vaters nach einem nächtlichen Trinkgelage in ihrem elterlichen Schloss versucht hatten, sich an Mägden zu vergehen. Katharina konnte sich kaum mehr an Details erinnern, doch wie in kurzer Zeit aus angenehmen, gebildeten Besuchern grobschlächtige Wüstlinge wurden, war ihr unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt. Ebenso wie der in einem solchen Maß selten erlebten Zorn ihres Vaters, als er die Männer in Schimpf und Schande vom Hof jagte. Danach hatte er sorgfältig darauf geachtet, wen er sich in sein Haus einlud, Zechgelage waren verpönt und war zumindest in der Gegenwart von Katharina und ihres Bruders hielt sich auch ihr Vater mit dem Genuss von Alkohol sehr zurück. Den Umgang mit angetrunkenen Personen, aber auch prinzipiell mit alkoholischen Getränken war Katharina daraufhin kaum gewöhnt, als sie nach Dresden kam. Um so schockierter war sie vom Lebensstil am königlichen Hof. Es gab kaum eine Gesellschaft oder Soiree, bei der nicht der Alkohol in Strömen floss. Mittlerweile war sie bereits mehrfach unfreiwillig Zeugin von Trinkgelagen und teilweise ehrlosen Ausfällen einiger Herren gegenüber Damen geworden. Diese zum Teil sehr unangenehmen Erlebnisse hatten ihre Abneigung nur noch verstärkt und mittlerweile ging sie solchen Situationen ohnehin von vornherein aus dem Weg, da sie sich von gesellschaftlichen Vergnügungen am Hof ohnehin soweit wie möglich zurückgezogen hatte. Das schlechte Bild, welches sie von den meisten der männlichen Vertreter am Hof hatte, war inzwischen schon so verfestigt, dass Katharina von vornherein mit dem schlimmsten Benehmen rechnete. Doch dass sie nun ausgerechnet von dem Mann bedrängt wurde, zu dem sie vom ersten Moment ihrer Begegnung so viel Sympathie und vor allem ein für ihre Verhältnisse geradezu ungewöhnliches Vertrauen gespürt hatte, war unerträglicher als alles, was sie bisher am Hof erlebt hatte. Denn er besaß ja ein gutes Benehmen und Schicklichkeit, das hatte er ihr erst vor wenigen Tagen in seinem Lager bewiesen.

      Der Augenblick, in dem sie wie versteinert vor ihm saß, dauerte jedoch nur einen Moment.

      Dann spürte sie eine unglaubliche Empörung über sein Verhalten in sich hochsteigen.

      Was bildete sich dieser Mensch ein?

      Glaubte er, nur weil er als schwedischer König der Ehrengast dieses Fests war, könnte er mit ihr umspringen, wie es ihm beliebte und sie hier so mir nichts, dir nichts küssen? Als wäre sie ein Spielzeug, mit dem man umspringen konnte, wie einem gerade der Sinn stand?

      Kurz bevor sein Mund den ihren berührte, stieß sie ihn mit all ihr zur Verfügung stehenden Kraft zur Seite, sprang auf und befreite sich so aus ihrer misslichen Situation. Am liebsten wäre sie aus dem Zimmer gestürmt, aber sie wusste, dass sie sich das nicht erlauben durfte.

      Blass und bebend vor Wut ging Katharina deshalb nur zum geöffneten Fenster.

      Sie atmete tief durch, um sich zu beruhigen, bevor sie zu sprechen begann.

      „Ich weiß, welcher Ruf dem Dresdner Hof vorauseilt und kann mir nun lebhaft vorstellen, warum Ihr hergekommen seid und was Ihr Euch von Eurem Abenteuer hier versprecht. Aber ich muss Euch leider enttäuschen – dafür habt Ihr mit mir definitiv die falsche Wahl getroffen.“

      Sie drehte sich mit kaltem Blick zu ihm hin.

      „Aber ich bin überzeugt, wenn Ihr mit Eurem Cousin sprecht und ihm von Eurem Fehlgriff berichtet, wird er Euch gern Eure Wahl korrigieren lassen! Um ehrlich zu sein, ich wäre Euch sogar dankbar dafür, denn dieses ganze Fest an diesem schrecklichen Hof steht mir bis hier...“

      sie deutete mit der Hand an ihren Hals.

      „…ebenso wie die gesamte Männerwelt! Ich war nach meinem Aufenthalt in Eurem Lager der Meinung, Ihr wäret anders als die lüsternen, respektlosen Wichtigtuer, die die man hier Tag für Tag am Hof trifft, aber leider hab ich mich mehr als geirrt. Wie es aussieht passt Ihr im Gegenteil ganz hervorragend zu dieser Gesellschaft, offensichtlich bin ich es, die hier fehl am Platz ist.

      Also tut Euch bitte keinen Zwang an, Ihr solltet Euren Fehler besser sofort beheben, es gibt gewiss genug Damen, die sich über die Wahl zur Begleitung eines Mannes Eures Schlages freuen!“

      Wäre Katharina nicht so außer sich gewesen, hätte sie über den bestürzten Gesichtsausdruck, mit dem der Schwede sie nun anstarrte, wahrscheinlich sogar lachen müssen. Selbst nach einer Ohrfeige hätte er kaum entgeisterter schauen können. Ihre heftige, für ihn offensichtlich völlig unerwartete Reaktion schien ihn schlagartig ernüchtert zu haben und alles Großspurige und Überlegene war schlagartig aus seinem Antlitz verschwunden.

      „Entschuldigt bitte!“ stammelte er schließlich erschrocken und wollte einen Schritt auf Katharina zugehen, doch da diese sofort vor ihm zurückwich, blieb er unsicher stehen.

      „Ich gebe durchaus zu, dass der Ruf des Dresdner Hofes in Männerkreisen ein sehr interessanter ist...“ Der Anflug eines Grinsens umspielte seine Mundwinkel, doch er wurde sofort wieder ernst, als er ihren Gesichtsausdruck sah.

      „…doch Ihr müsst mir glauben, ich habe niemals auch nur im Entferntesten daran gedacht, Euch damit in Verbindung zu bringen...“

      Katharinas Mundwinkel zuckten verächtlich und er sprach schnell.

      „Hört