Marlene Wagner

Sommersturmzeit


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unschön das Verhalten der Damen auch war, letztendlich war Katharina rückblickend sogar froh darüber. Es war gut, dass niemand mitbekommen hatte, wie weit sie sich in das Lager des Feindes begeben und noch viel mehr, wie gut sie sich vor allem mit dem Kommandanten verstanden hatte.

      Nun beruhigte es Katharina etwas, dass der König offensichtlich auch andere Frauen zu sich bestellt hatte. Im Schloss war mit einem Mal ein emsiges Treiben entbrannt. Kleider und Perücken wurden hin- und hergetragen und einzelne Damen, alle größtenteils in Katharinas Alter, liefen schon in Richtung Jagdzimmer. Wahrscheinlich sollten all diejenigen, die zum ersten Mal am Festival teilnehmen, noch einmal einen Verhaltenskodex bekommen, damit die nächsten Tage auch ja nichts schief ging, dachte sie verächtlich. Als ob es nichts Wichtigeres als dieses schreckliche Fest gäbe.

      Wie ihr vor den nächsten Tagen graute – am liebsten würde sie sich unpässlich melden, um so das Ganze zu umgehen. Für den Moment beschloss Katharina, statt sich auf direktem Weg zum Jagdzimmer zu begeben, lieber noch einmal in den Stall zu eilen und nach Othello zu sehen. Vielleicht ging die ganze Angelegenheit beim König doch schneller vorüber als befürchtet und dann konnte sie den geplanten Ausritt nachholen. Der Rappe stand bereits gesattelt in seiner Box und Katharina bedauerte einmal mehr, dass sie nicht einfach ein paar Minuten eher ihr Zimmer verlassen hatte. Dann wäre sie bereits unterwegs gewesen und niemand hätte ihr einen Vorwurf machen können. Sie unterhielt sich noch eine Weile mit einem der Stallburschen, die den Rappen betreuten und mit denen sie sich gut verstand. Die Jungen, die nicht älter als 16 Jahre alt waren, erinnerten sie in ihrer unbekümmerten Art immer auf eine wehmütige Art an ihre Jugend am Hof ihres Vaters.

      Als sie es beim besten Willen nicht länger heraus zögern konnte, machte sie sich schweren Herzens auf dem Weg zurück ins Schloss. Ein Mädchen, welches erst kürzlich am Hof lebte, überholte sie auf halben Weg. Katharina bemerkte erstaunt, wie herausgeputzt diese war. Sie selbst trug ein eher schlichtes Reitkleid und war normal frisiert, wogegen das Mädchen schon auf eine Weise gekleidet und frisiert war, als würde der am Abend stattfindende Eröffnungsball bereits jetzt beginnen.

      Katharina schüttelte ungläubig den Kopf. Schlimm genug, dass dieses Festival während des Verlaufs des Krieges überhaupt stattfand, doch das sich manche Leute bereits Stunden vorher derart aufführen mussten, war ihr unbegreiflich.

      Zwei Höflinge öffneten ihr die Flügeltüre zum Jagdzimmer und Katharina blieb nach ein paar Schritten erstaunt stehen. Sie schien die letzte von den Damen zu sein, die zum König bestellt worden waren. Zu ihrer Überraschung hatten sich die anderen Mädchen bereits in einer Reihe aufgestellt. Alle waren zudem offensichtlich bemüht, einen denkbar guten Eindruck zu hinterlassen und ebenso wie das Mädchen, welches sie gerade begegnet war, in schönste Stoffe bekleidet und bereits um diese Tageszeit mit möglichst viel Schmuck behangen.

      Hatte sie etwas verpasst? Im Geist ging sie erschrocken alle ihr auf die Schnelle einfallenden Optionen durch, doch es wollte ihr partout nichts einfallen, was das Ganze hier erklären würde.

      Der König selbst stand vor den Frauen und neben ihm ein weiterer Mann, der aber von Augusts imposanter Gestalt weitgehend verdeckt wurde.

      „Ah, die Baroness von Lichtenstein gibt uns auch noch die Ehre. Spät, aber reizend wie immer.

      Da sollten wir nun alle beisammen haben...“

      August hatte sie in der Tür stehend bemerkt und winkte sie in das Zimmer. Er schien ausgesprochen gut gelaunt und dirigierte sie sofort um, als sie sich an das Ende der Reihe stellen wollte.

      „Nein, nicht ans Ende, nur nicht so bescheiden, Baroness. Kommt, stellt Euch hierher!“

      August wies ihr einen Platz in der Mitte der Reihe zu.

      Katharina tat wie ihr befohlen, den Blick vorschriftsmäßig ehrfürchtig gesenkt.

      Erst als sie ihren Platz eingenommen hatte, hob sie wieder den Kopf und musterte den Gast, für den offensichtlich dieser Aufwand betrieben wurde und der ihr nun direkt gegenüber stand.

      Der Schreck war so groß und kam so unvermittelt, dass ihre Beine fast nachzugeben drohten und sie sich kurz an dem Mädchen neben ihr festhalten musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Diese schaute sie empört an.

      „Hoppla, Baroness - geht es Euch nicht gut? Erst zu spät kommen und jetzt Schwäche zeigen, na na na, was ist denn da los??“

      Auch August war auch ihr kurzer Schwächeanfall nicht entgangen und er drohte ihr scherzend mit dem Zeigefinger.

      „So schlimm sieht unser Gast doch auch wieder nicht aus, oder etwa doch?“

      Er lachte sein dröhnendes Lachen.

      Katharina lächelte gequält und schaute dann schnell wieder zurück auf den Boden. Sie war einer Ohnmacht nahe und überlegte krampfhaft, ob es nicht das Klügste wäre, einfach aus dem Raum zu rennen, solange sie sich noch auf den Beinen halten konnte. Nur die noch größere Angst vor den Konsequenzen, die sie dann zu fürchten hatte, hielten sie zurück.

      Der Gast, der ihr direkt gegenüberstand und sie nun interessiert anschaute, war kein anderer als „ihr“ schwedischer Kommandant.

      Was machte er hier, mitten am Hof des Gegners, auch noch in scheinbar bester Freundschaft mit dem feindlichen Herrscher verbunden? Und wieso mussten sich alle jungen Frauen des Hofes vor ihm versammeln? Ihr wurde schlecht vor Angst.

      Die einzige Möglichkeit, die einen Sinn ergab, war dass er August von ihrem Besuch im Lager berichtet hatte und dieser nun herauszufinden versuchte, um wen es sich bei der Besucherin handelte.

      Endlich begann August zu sprechen.

      „Meine lieben Damen, Ihr werdet Euch sicher wundern, warum ich Euch alle hier versammelt habe.

      Nun, mein Gast, ich bitte zu beachten, dass es sich dabei um keinen Geringeren als den schwedischen König höchst selbst handelt, hat nach eigener Aussage so viel Gutes von unserem Festival gehört, dass er dieses Jahr selbst daran teilnehmen möchte...wo er doch nun schon einmal in der Nähe weilt....“

      August lachte am lautesten über seinen Scherz.

      „Und da er sich mit unseren Sitten und Gebräuchen naturgemäß nicht so gut auskennt, habe ich ihm versprochen, dass ihm eine von Euch in dieser Zeit mit Rat und Tat und auch bei den Festakten als seine begleitende Dame zur Seite stehen wird. Dass es sich für die Auserwählte dabei um eine große Ehre handelt, versteht sich dabei von selbst.“

      August machte eine kurze Pause, um seine Worte wirken zu lassen.

      „Mein lieber Cousin hat jetzt allerdings die Qual der Wahl und ich muss gestehen, ich wüsste auf Anhieb nicht, wen von Euch ich ihm empfehlen sollte, so beeindruckend seht Ihr alle aus“

      fügte er nicht ohne Stolz hinzu.

      Die Mädchen begannen aufgeregt miteinander zu tuscheln und ihre Vorzüge möglichst gut zur Geltung zu bringen, während Katharina zunächst damit beschäftigt war, die neuen Informationen zu verarbeiten. Nach der ersten Erleichterung, dass der Kommandant offensichtlich nicht da war, um sie zu verraten, überfiel sie die nächste Panik.

      Der schwedische König!

      Statt mit einem kleinen Kommandanten hatte sie völlig unstandesgemäß mit dem schwedischen König selbst geplaudert, sich von ihm beinahe den Kopf verdrehen lassen und nun stand er keinen Meter von ihr entfernt, ohne auch nur im Entferntesten den Eindruck zu erwecken, dass er sie wiedererkannte.

      Katharina hatte das Gefühl, sich in einem schrecklichen Albtraum zu befinden. Und zu allem Unglück war sie auch noch die mit Abstand am Schlechtesten gekleidete aller anwesenden Frauen. Sie wünschte, im Boden zu versinken.

      Währenddessen hatte der Schwede begonnen, langsam die Reihe der Mädchen entlang zu schreiten und jede Einzelne genau in Augenschein zu nehmen.

      Vor Katharina, die den Blick nun wieder angestrengt auf den Boden gerichtet hielt und inständig hoffte, er würde einfach an ihr vorbeigehen und ihre Bekanntschaft nicht doch noch mit einer unbedachten Geste oder Bemerkung verraten, insofern er