Marlene Wagner

Sommersturmzeit


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zeigte er eine Reihe von ebenmäßigen weißen Zähnen. Zudem schien er seine Männer im Griff zu haben. Seit er auf der Bildfläche erschienen war, hielten sich die Soldaten zurück und sahen auch bei weitem nicht mehr so gefährlich wie am Anfang aus.

      Katharina gab sich einen Ruck.

      Realistisch betrachtet hatte sie ohnehin keine Wahl. Eine Flucht war unmöglich und nun hatte sie sich schon einmal in diese verfahrene Situation hinein manövriert, jetzt hieß es nur noch, das Beste daraus zu machen und die Männer nicht noch unnötig zu verärgern.

      So kokett wie unter den Umständen möglich gab sie ihm ihre Hand und ließ sich vom Pferd helfen.

      Er lachte und rief erfreut „Bravo! Ihr seid wirklich ein sehr mutiges Mädchen!“

      Dann reichte er ihr galant den Arm, um sie durch die ersten Zeltreihen ins Innere des Lagers zu führen, als hinter ihnen Lärm ausbrach.

      Erschrocken drehte sich Katharina um. Ihr Rappe, der ihr offensichtlich folgen wollte, protestierte schnaubend und sich nun aufbäumend gegen die Soldaten, die ihn daran zu hindern versuchten. Mehrere Männer waren nötig, um ihn festzuhalten. Ohne auf die Soldaten zu achten, ließ Katharina den Arm des Kommandanten los und lief zurück zu dem Hengst, welcher noch immer empört schnaubte, nun aber nur noch nervös mit den Hufen scharrte. Liebevoll umfasste sie seinen Kopf, streichelte ihn beruhigend und flüsterte ihm dabei für die Umstehenden kaum verständliche Worte ins Ohr. Schließlich stand der Rappe lammfromm und Katharina übergab einem der umstehenden Männer die Zügel.

      „Jetzt sollte er ruhig bleiben.“

      Mit einem verlegenen Lächeln begab sie sich wieder zu dem Kommandeur, welcher die Szene mit verwundertem Blick beobachtet hatte.

      „Bitte entschuldigt! Ich habe mein Pferd darauf dressiert, mir immer zu folgen, außer ich gebe ihm ein spezielles Zeichen. Leider hatte ich dies gerade vor Aufregung vergessen…“

      „Meine Dame, Ihr seht mich beeindruckt. Wie schafft man es, ein so stolzes Pferd so abzurichten, dass es einem so gehorcht, wie es sonst nur Hunde zu tun pflegen?“

      Trotz ihrer Anspannung zog sich ein Lächeln über ihr Gesicht.

      „Es war auch nicht einfach und hat mich viel Zeit und Nerven gekostet.“

      „Das glaube ich Euch gern, doch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Habt Ihr Eurem Pferd denn auch einen Namen gegeben?“

      „Natürlich....“

      Sie zögerte. Der Name hatte bereits schon mehrfach für verständnisloses Stirnrunzeln gesorgt, so dass sie ihn gar nicht mehr gern zu nennen wagte. Von einem Offizier erwartete sie da nicht viel anderes.

      „Handelt es sich dabei etwa um ein Staatsgeheimnis, welches Ihr mir nicht verraten dürft?“

      Der Kommandeur sah sie belustigt an und Katharina errötete. Dann ärgerte sie sich, gerade hier war es doch wirklich egal, was von dem Name ihres Pferdes gehalten wurde. Wahrscheinlich hatte er ohnehin noch nie davon gehört.

      „Nein, natürlich nicht. Er heißt Othello...“

      Fast musste sie schmunzeln, als der Kommandeur sie verwundert ansah. Genau diese Reaktion hatte sie erwartet.

      „Ihr kennt Shakespeare?“

      Wenn Katharina mit vielem gerechnet hatte, dann aber doch nicht mit dieser Frage.

      Überrascht blieb sie stehen.

      „Ihr etwa auch?“

      Beide blickten sich erstaunt an.

      „Ob ich ihn kenne? Wollt Ihr mich beleidigen? Ich behaupte mit Stolz, einer seiner größten Verehrer zu sein und habe alle seine Werke gelesen und diese mittlerweile auch fast alle als Theaterstück gesehen. Doch noch viel interessanter ist für mich die Frage, wie kommt es, dass Ihr ihn kennt? Ich traf bis zu diesem Moment nur sehr wenige Menschen und darunter noch keine Frau, die überhaupt von ihm gehört haben, ganz zu schweigen davon, dass sie eines seiner Werke kannten. Und dann kommt Ihr und benennt gar Euer Pferd nach einem seiner Stücke! Ihr seht mich gerade ausgesprochen erstaunt...“

      Der Kommandeur musterte sie so beeindruckt, dass Katharina verlegen zu Boden schaute, als sie antwortete.

      „Da ich auf dem Land aufgewachsen bin, hatte ich bis jetzt noch nicht das Vergnügen, ein Theaterstück mit einem Werk Shakespeares zu sehen – leider. Doch mein Hauslehrer hatte einige Jahre vor seiner Anstellung in unserem Haus in England gelehrt. Dort ist er auf die Werke von Shakespeare gestoßen und hat sie mit zu uns gebracht. Er gab mir zunächst nur Auszüge zu lesen, doch ich war davon so angetan, dass er mich nach und nach alle seiner Bücher lesen ließ. Es war so wunderbar, geradezu eine Offenbarung für mich, welch wunderbare Literatur es doch gibt.

      Aber auch ich muss gestehen, dass ich als letztes damit gerechnet hätte, ausgerechnet an diesem Ort einem Menschen zu begegnen, der diese Leidenschaft teilt.“

      „Damit kann man auch kaum rechnen! Doch sagt mir, was ist Euer Lieblingsstück? Nein, lasst es mich erraten…ich denke, nein ich bin mir, wenn ich mir Euch so ansehe, sogar ziemlich sicher, dass es sich nur um „Romeo und Julia“ handeln kann…!“

      Katharina lachte hell auf. Dass sie ausgerechnet in einem Soldatenlager eine Person gefunden hatte, mit der sie über Bücher sprechen konnte, ließen sie nicht nur ihre Umgebung und die damit verbundenen Gefahren vergessen, sondern versetzten sie geradezu in einen euphorischen Zustand.

      „Oh, ich fürchte Euch enttäuschen zu müssen, aber „Romeo und Julia“ wäre doch auch etwas zu leicht zu erraten! Natürlich mag ich es, allerdings bevorzuge ich dennoch eher die Stücke, die nicht ganz so tragisch enden. Mit diesem Wissen wird es Euch nicht verwundern, dass die Komödien wie „Ein Sommernachtstraum“, „Viel Lärm um Nichts“ oder „Der widerspenstigen Zähmung“ eher zu meinen Lieblingswerken zählen. Der Geisteswitz ist es wohl auch, den ich an Shakespeare am meisten mag. Welches Stück ist Euer Favorit?“

      „Da muss ich direkt nachdenken, da mir wie gesagt eigentlich alle Werke sehr lieb und teuer sind. Wenn Ihr mich allerdings so fragt, dann bevorzuge ich doch die Dramen. Macbeth“ mag ich besonders, auch „Hamlet“. Fragt mich nicht warum, doch das sind offensichtlich eher die Themen zu sein, die mich als Mann ansprechen.“ antwortete auch er lachend.

      „Aber „Der widerspenstigen Zähmung“ scheint mir allerdings gerade in Eurem Fall eine sehr interessante Lieblingslektüre. Liege ich völlig falsch damit, wenn ich behaupte, dass ein kleines bisschen dieser widerspenstigen Katharina auch in Euch steckt?“

      Er war stehen geblieben und musterte sie schmunzelnd, während Katharina, sichtlich nervös geworden an ihrem Kleid nestelte. Das der Schwede gerade unwissentlich ihren Namen genannt hatte, als er sie mit Shakespeares Katharina verglich, verunsicherte sie so, dass ihr auf Anhieb keine vernünftige Antwort einfallen wollte.

      Als er ihre Verwirrung bemerkte, breitete sich auf seinem Gesicht ein Lächeln aus. Wieder weiterschreitend fuhr er in herzlichem Ton fort.

      „Meine letzte Bemerkung war übrigens gerade durchaus als Kompliment gemeint und je mehr ich über Euch erfahre, um so mehr komme ich nicht umhin festzustellen, dass das Schicksal mir hier eine wirklich sehr bemerkenswerte Person in mein Lager gesandt hat! Doch bitte erzählt mir, welche Schriftsteller außer Shakespeare habt Ihr noch gelesen? Ich brenne darauf, über Bücher zu sprechen. Ihr glaubt nicht, wie sehr ich das die letzten Monate hier vermisst habe...“

      Erleichtert, das Thema wechseln zu können, tat ihm Katharina nur zu gern diesen Gefallen und nun wieder ungezwungen plaudernd und ihm begeistert die Namen weiterer Dichter und deren Werke nennend, schritt sie mit ihm durch das Lager. Wie versprochen zeigte er ihr dabei auch einen Teil der Unterkünfte sowie seine Lieblingspferde und Katharina begann in seiner Nähe beinahe zu vergessen, in welch heikler Situation sie sich eigentlich befand, so sicher und wohl fühlte sie sich.

      Beide waren bei ihrem Spaziergang mittlerweile am Ende des Lagers angekommen. Der Kommandeur erkundigte sich gerade bei einem seiner Soldaten über die Behandlung