Marlene Wagner

Sommersturmzeit


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Katharina ihr förmlich aus der Hand zog, bevor sie ihren Rappen kurzentschlossen herumriss und ihm die Sporen in die Seite drückte. Im vollen Galopp jagte sie den Hang hinunter, verfolgt von den ängstlichen Rufen der anderen Frauen, die sie zurückhalten wollten. Sie ritt viel zu schnell, doch sie wusste, dass sie das Lager erreichen musste, bevor sie die eigene Courage verließ.

      Die Soldaten waren noch immer mit ihrem Wettstreit beschäftigt, so dass sie bis kurz vor dem Lager unbemerkt blieb. Im schnellen Tempo galoppierte Katharina auf die ihr am nächsten stehende Gruppe von Männern zu und brachte ihr Pferd erst kurz vor ihnen zum Stehen.

      Ihr Auftritt hätte eindrucksvoller nicht sein können. Wie vom Donner gerührt starrten die Soldaten sie an, vor Überraschung zu keiner Bewegung fähig, was Katharina mit Erleichterung registrierte. Wenn sie nun schnell handelte, verlief dieses Abenteuer vielleicht doch noch besser als gedacht.

      Sie versuchte, mit möglichst fester Stimme zu sprechen.

      „Wer ist hier der Kommandeur? Ich habe ihm eine Nachricht zu überbringen!“.

      Unglücklicherweise war es, als hätte ihre Stimme die noch immer wie versteinert dastehenden Männer wieder zum Leben erweckt. Sie begannen langsam auf sie zuzukommen, dabei nun anzüglich grinsend und sich gegenseitig Grimassen schneidend, die alles andere als gute Absichten verhießen. Beim Anblick der Soldaten bekam es Katharina mit der Angst zu tun und ihre Unruhe übertrug sich sofort auf ihren Hengst, welcher aufgeregt zu tänzeln begann. Einer der Schweden hielt ihn schließlich am Halfter fest, was allerdings sowohl Katharinas Nervosität als auch die ihres Rappen nur vergrößerte. Katharina überlegte verzweifelt, ob sie es mit gezielten Hieben ihrer Gerte schaffen könnte, sich und ihr Pferd von dem Griff zu befreien und noch aus dem immer enger werdenden Kreis der Soldaten auszubrechen. Denn je näher die Männer kamen, desto wilder und gefährlicher sahen sie aus und sie war kurz davor, nun vor Furcht ihre Nerven zu verlieren.

      „Was ist hier los?“

      Eine wohlklingende, aber dennoch dominante Stimme ertönte und sofort beruhigte sich die Lage. Die Männer hörten auf, Grimassen zu schneiden und blieben stehen, zum Teil nur noch eine Armlänge von Katharina entfernt. Zwischen ihnen öffnete sich eine Art Korridor, durch den der blondgelockte Offizier, den Katharina aus der Ferne bewundert hatte, mit schnellem Schritt erschien. Mit einer Armbewegung ließ er die Männer ein Stück zurücktreten, dann richtete er seine Aufmerksamkeit auf Katharina und wiederholte mit nur mühsam unterdrücktem Ärger seine Frage. Obwohl Katharina mittlerweile am ganzen Körper zu zittern begonnen hatte, versuchte sie erneut, mit fester Stimme zu sprechen.

      „Ich suche den Kommandanten dieses Lagers. Ich soll ihm eine Nachricht überbringen.“

      Zu ihrer Überraschung antwortete er in perfektem Deutsch.

      „Der bin ich. Um was für eine Nachricht handelt es sich?“

      Zögernd nestelte Katharina an der Rolle. Für einen Kommandanten sah er noch recht jung aus, ganz zu schweigen von seinem völlig unbekümmerten Benehmen, welches sie noch kurz zuvor beobachten durfte und sie war sich unsicher, ob sie ihm Glauben schenken sollte.

      Nun noch eine Spur verärgerter fuhr er sie an.

      „Was ist? Sehe ich Euch nicht kommandantisch genug aus??“

      „Doch. Natürlich!“

      Jetzt zitterten sowohl ihre Hand als auch ihre Stimme, als sie ihm die Rolle Pergament übergab.

      Der junge Schwede las die Nachricht und runzelte die Stirn.

      „Kennt Ihr den Inhalt dieses Schreibens?“ fragte er noch immer unfreundlich. Nun versagte Katharina vor Schreck auch die Stimme und sie konnte nur noch eingeschüchtert mit dem Kopf schütteln.

      Sie hatte natürlich nicht die geringste Ahnung, was die Reuß da überhaupt geschrieben haben mochte. Genau genommen hatte Katharina ja nicht einmal mitbekommen, dass und vor allem wann die Gräfin die Nachricht verfasst hatte. Das nicht die Übergabe sondern der Inhalt des Pergamentes viel gefährlicher für sie sein konnte, darüber hatte Katharina bis zu diesem Moment nicht eine Sekunde nachgedacht. Ihr fiel wieder der verschlagene Blick der Gräfin ein, als sie ihr die Pergamentrolle überreicht hatte und erneut brach ihr kalter Angstschweiß aus, der das Zittern ihres Körpers nun noch verstärkte. Worauf hatte sie sich nur eingelassen?

      Sie war so dumm gewesen und die Gräfin gleichzeitig so skrupellos, Katharina mochte lieber gar nicht daran denken, was für eine Art Schreiben sie dem Schweden gerade überreicht hatte.

      Sollte sie tatsächlich noch irgendwie aus der Situation heil herauskommen, schwor sie sich innerlich, würde sie ihr zukünftiges Leben lang nur noch harmlosen Tätigkeiten wie Handarbeiten nachgehen oder am besten wirklich gleich ins Kloster eintreten.

      „Was soll das Ganze?“ fragte der Kommandant wieder und schaute Katharina dabei prüfend an.

      „Handelt es sich hier um so etwas wie eine Mutprobe?“

      Wieder versagte ihr die Stimme und sie konnte nur ängstlich nicken, kaum noch in der Lage, den Schweden anzusehen. Dieser musterte sie nun dagegen genauer und sein Blick wurde langsam freundlicher.

      „Ich hoffe, der Einsatz lohnt sich, dass Ihr Euch dafür freiwillig in solche Gefahr begebt.“

      Katharina konnte noch immer nicht sprechen.

      „Na, heraus mit der Sprache, was ist der Grund für diesen Unsinn?“

      Er nickte ihr ernst, aber aufmunternd zu.

      „Es geht um die Ehre meiner Familie. Man hat uns Feigheit unterstellt“ sagte sie schließlich mit noch immer leicht zitternder Stimme, doch noch während sie sprach, wurde sie schon wieder wütend bei dem Gedanken an diese Unverschämtheit.

      Der Schwede musste ungewollt lächeln.

      „Das ist natürlich ein Grund, mitten in Kriegszeiten einfach so in ein Lager voller Soldaten zu reiten.“

      Er nickte Richtung Anhöhe. „Werden wir beobachtet?“

      Katharina überlegte kurz, ob sie die anderen Frauen in Gefahr brachte, aber für eine Flucht dürfte die Distanz ausreichen, selbst wenn die Schweden sofort losreiten würden. Sie nickte zögernd.

      Der Kommandant hatte sie die ganze Zeit nicht aus den Augen gelassen.

      Jetzt fragte er in wesentlich freundlicherem Ton

      „Was haltet Ihr davon, wenn wir denen da oben noch ein bisschen mehr zu schauen geben?“

      Irritiert blickte ihn Katharina an.

      „Wie ich bemerke, reitet Ihr ein sehr schönes Pferd. Da Ihr nun schon einmal hier seid, würdet Ihr Euch vielleicht gern ein paar von unseren Pferden sowie natürlich bei der Gelegenheit auch gleich unser bescheidenes Lager anschauen? Wir haben nicht so oft Besuch, gleich gar nicht von einer so bezaubernden jungen Dame wie Ihr es seid.“

      Die Männer um sie herum lachten, während bei Katharina einer Ohnmacht nahe war. Was hatte er mit ihr vor? Sie schaute sich um, doch an eine Flucht war nicht zu denken.

      Sie war von Soldaten umstellt, zudem wurde ihr Rappe noch immer von einem der Männer festgehalten. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, lächelte der Kommandeur sie nun aufmunternd an und reichte ihr seine Hand.

      „Ihr braucht keine Angst zu haben! Auch wenn ich mir vorstellen kann, dass so ein Lager voller rauer Männer wie uns mit Sicherheit nicht vertrauenerweckend auf Euch wirkt, so gebe ich Euch hiermit mein Ehrenwort, dass Euch nichts passieren wird.

      Außerdem..“ er deutete mit dem Kopf wieder Richtung Anhöhe „... kann Euch dann definitiv niemand mehr zu wenig Mut unterstellen.“

      Katharina zögerte noch immer. Sie sah ihn sich erstmalig genauer an und das Ergebnis gefiel ihr. Die blonden Locken umrahmten ein schön geschnittenes Gesicht, welches trotz der jungenhaften Züge bereits die Zeichen eines starken männlichen Charakters zeigte. Obwohl seine Nase mindestens einmal gebrochen zu sein schien, was sie bei seinem Wagemut alles andere als verwunderte, minderte