Francine F. Winter

Mehlsack und Champagnerküsse


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nur hier in Bayern ...“

      „Hier ist es aber auch sehr schön“, sagte Moritz und schaute aus dem Fenster auf die alten Häuserfassaden der kleinen Straße und die bewaldeten Hügelketten, die man dahinter sehen konnte. „Ich hätte das gar nicht gedacht. Ich bin ein totaler Stadtmensch, das bringt die Arbeit halt so mit sich. Ich war eigentlich nicht erfreut, für ein Geschäfts-Meeting in die Provinz zu fahren ...“ Er unterbrach sich. „Entschuldigung, ich wollte Sie nicht kränken.“

      Sie winkte ab. „Ist schon in Ordnung. Es ist, wie es ist.“ Sie lächelte ihn an und schaute dann schnell wieder auf die Bestellzettel, die sie gerade ordnete. „Ich bin hier geboren und habe die Konditorei meiner Eltern übernommen, ich werde wohl hier bleiben, bis ich alt und grau bin.“ Es sollte locker klingen, aber Elisa hörte selbst den unzufriedenen Unterton in ihrer Stimme.

      „Leben Ihre Eltern noch?“ Moritz hatte das Joghurt-Törtchen aufgegessen und legte die Kuchengabel auf den Teller zurück.

      „Ja, gleich hier auf der Rückseite des Hauses. Das Haus und die Konditorei wurden von meinem Großvater eigenhändig gebaut“, sagte sie stolz, doch sofort zog ein Schatten über ihr Gesicht.

      „Ein Familien- und Traditionsbetrieb, das ist etwas Schönes“, sagte er und es klang ehrlich.

      „Jaaa“, sagte Elisa gedehnt und biss sich auf die Lippen.

      Moritz betrachtete sie aufmerksam, sagte aber nichts, da er ihren verschlossenen Gesichtsausdruck wahrnahm. „Nun, das Wetter scheint sich zu verschlechtern“, wechselte er diskret das Thema.

      „Es wird wohl gleich regnen.“ Elisa war froh, über etwas Unverfängliches reden zu können. „Davon hatten wir in den letzten Wochen eigentlich genug ...“

      Das Telefon klingelte. „Entschuldigen Sie.“ Sie nahm das schnurlose Mobilteil von einem kleinen Regal neben der Kaffeemaschine. „Konditorei Burger, guten Tag!“ Sie lauschte in den Hörer.

      „Drei Torten? Heute noch? Das ist aber knapp! ... Hm ... Ja, ich werde das schon schaffen ... Was soll es denn sein? ... Ja, okay ...“ Sie kritzelte etwas auf einen Notizblock. „Hm ...“ Sie schaute auf die runde Uhr über dem Durchgang zur Backstube. „Frühestens um achtzehn Uhr dreißig ... ach, Kekse auch? ... In Ordnung, bis nachher.“ Sie legte den Hörer weg und seufzte. „Damit hat sich der ruhige Nachmittag erledigt. Eine sehr eilige Bestellung vom Parkhotel, jetzt gibt es viel zu tun!“

      „Lassen Sie sich von mir nicht stören. Ich trinke noch meinen Kaffee aus.“ Moritz nahm sein Handy aus der Tasche. „Ich hab auch zu tun.“ Er grinste.

      „Ja, ich muss leider nach hinten und erst mal schauen, wie ich das organisiere“, sagte Elisa, die in Gedanken schon ihre Rezepte durchging.

      „Drei Torten, bekommen Sie das so schnell hin?“

      „Na ja, eine davon habe ich vorrätig. Zum Glück habe ich sie vorhin noch nicht angeschnitten. Bleiben noch zwei, das kann ich aber schaffen, wenn ich mich ranhalte und nicht so viele Kunden zwischendurch kommen.“

      „Ich halte hier vorne die Stellung und passe auf.“ Moritz zwinkerte ihr zu.

      „Das ist nett von Ihnen. Entschuldigen Sie, ich muss anfangen!“ Elisa verschwand durch die Schiebetür nach hinten.

      Moritz checkte seine Mails und tippte ein paar schnelle Antworten. Von seinem Platz aus konnte er durch die offene Schiebetür in den schmalen Arbeitsraum sehen, wo Elisa hin und her wirbelte, mal auftauchte, etwas auf die lange Arbeitsplatte legte und durch einen der beiden Durchgänge, die weiter nach hinten führten, wieder verschwand.

      Er schaute sich in dem kleinen Laden um: Ein gut befüllter Kuchentresen, dahinter Regale an der Wand, in denen Kekse, Kaffee, Marmeladen angeboten wurden, ein großes Schaufenster, der Stehtisch, den er in Beschlag genommen hatte, weitere Regale an den Wänden ringsum, in denen es allerlei süßen Kleinkram gab. Alles ziemlich eng und voll, aber liebevoll dekoriert.

      Moritz gähnte. Komisch, irgendwie hatte dieser Raum eine entspannende Wirkung auf ihn. Es war durchaus nicht das, was er sonst gewohnt war: Kein edles Stadt-Café mit modernem, kühlen Design und bestgeschultem Personal oder eins der Fünf-Sterne-Hotels, in denen er sich so oft aufhielt, aber es war gemütlich.

      Elisa tauchte wieder in seinem Sichtfeld auf und legte eine Form mit einem hohen Biskuitboden auf den Arbeitstisch. Mit geübten Handgriffen löste sie den Teig aus der Form und schnitt ihn mit einem langen Messer horizontal in vier gleich dicke Scheiben.

      Aus dem silbernen Kühlschrank unter der Arbeitsplatte holte sie eine große Kanne mit Sahne und goss sie in eine Rührschüssel. Sie fügte frische Erdbeeren hinzu, viel Zucker, lief dann in die Backstube und kam mit einem kleinen Kochtopf zurück, dessen Inhalt sie zu der Sahnemasse schüttete.

      Moritz reckte den Hals, aber er konnte nicht erkennen, was es war.

      Die Klingel an der Ladentür bimmelte. Ein älterer Mann betrat den Laden. Elisa war gerade mit dem elektrischen Mixer beschäftigt und hörte offensichtlich nichts.

      Moritz räusperte sich. „Die Chefin hat gerade alle Hände voll zu tun. Mal sehen, ob ich Ihnen helfen kann?“

      Der Kunde musterte ihn überrascht und konzentrierte sich dann auf das Kuchenangebot. „Ich nehme zwei Stücke von dem Käsekuchen mit Mohn.“

      „Das bekommen wir hin!“, sagte Moritz gut gelaunt. Den Kuchen hatte er vorhin schließlich schon gesehen, den erkannte er wieder. Er trat hinter den Tresen und entdeckte die kleinen Papptabletts. Und wie bekam man den Kuchen jetzt darauf? Ah ja, da waren die Tortenheber.

      Er schaffte es, die zwei Kuchenstücke heil auf das Tablett zu legen. Fehlte noch die Verpackung. Er riss ein Stück Papier von der großen Rolle ab und wickelte den Kuchen darin ein. Es sah etwas merkwürdig aus. Wie machten die Konditoren das nur?

      „Es tut mir leid“, sagte er zu dem alten Mann, „ich mache das heute zum ersten Mal.“

      „Kein Problem“, nuschelte der. „Der Inhalt ist mir wichtiger. Wie viel macht das?“

      „Gute Frage.“ Moritz verrenkte sich den Hals, um das Schildchen vor der Kuchenplatte zu lesen. „Das sind dann drei Euro zwanzig.“

      Der Kunde zählte sein Kleingeld auf den Tresen, nahm das schiefe Kuchenpaket und verabschiedete sich.

      Moritz sammelte das Geld ein. Als er sich umdrehte, stand Elisa hinter ihm und schaute ihn verwundert an.

      „Entschuldigen Sie, dass ich hier so einfach ... äh ... ich habe eben zwei Stücke Kuchen verkauft“, sagte Moritz zerknirscht. „Sie haben die Ladenklingel nicht gehört, und da sie doch so viel zu tun haben, dachte ich ...“ Er hielt ihr die offene Hand mit den Münzen entgegen.

      Elisa musste lachen. „Das ist aber nett von Ihnen!“ Sie nahm das Geld und legte es in die Ladenkasse.

      „Kann ich Ihnen vielleicht irgendwie helfen?“ Moritz schaute neugierig in den Arbeitsraum.

      Elisa musterte ihn erstaunt. „Na ja“, sagte sie langsam, „wenn Sie wirklich Lust dazu haben? Ich könnte schon eine hilfreiche Hand gebrauchen, dann werde ich mit der Bestellung schneller fertig. Aber Sie müssen ihr Jackett ausziehen, sonst wird es noch schmutzig.“ Sie holte eine große weiße Schürze von einem Haken. „Die binden Sie sich besser um.“

      „Okay, Boss!“ Moritz hängte sein Jackett an den Haken und band sich lächelnd die Schürze um. „Wo soll ich anfangen?“

      Er verstaute seine weißgoldenen Manschettenknöpfe in einer Hosentasche und krempelte die Hemdsärmel hoch. Elisa fiel wieder auf, wie schön seine Hände mit den langen, schmalen Fingern waren. Seine Unterarme waren leicht gebräunt ... Sie riss sich zusammen.

      „Ja ... äh ... Sie können die Kuvertüre schmelzen.“ Elisa zeigte ihm den großen Schokoladenblock. „Fünfhundert Gramm sollten fürs Erste reichen. Nehmen Sie den kleinen Stieltopf da oben vom Regal. Die Waage steht da drüben.“

      Moritz