Francine F. Winter

Mehlsack und Champagnerküsse


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unauffällig die drei Küchenhilfen. Nein, da war kein faszinierender Mann darunter, nur zwei pickelige Jungen und eine ältere Frau.

      Schade. Sie ging durch den engen Gang, der zum Personallift führte und drückte auf den Knopf. Fast wäre ihr dabei der Torten-Karton aus der Hand gerutscht. Das fehlte noch, es wurde Zeit, dass sie die Torte heil abgeben konnte und möglichst, bevor sie anfing, in der Wärme zu zerlaufen.

      Der Lift brachte sie in den vierten Stock, die Türen surrten auseinander, und Elisa betrat einen langen, kühlen Korridor, der mit einem dicken Teppich ausgelegt war. Hier oben war sie noch nie gewesen.

      Nummer 401, hatte der Chefkoch gesagt. Da stand es schon: Grafen-Suite, auf einem kleinen dezenten Schild. Bevor sie klingeln konnte, wurde die Tür geöffnet und ein Kellner kam heraus.

      „Ah, die Torte, Sie werden schon erwartet“, sagte er freundlich. „Gehen Sie nur hinein. Geradeaus und dann rechts in das Arbeitszimmer.“

      Elisa schaute sich neugierig um. Sie wusste, wie die normalen Zimmer hier im Parkhotel aussahen, aber in einer der teuren Suiten war sie noch nie gewesen.

      Von dem breiten Flur ging ein geräumiger Wohnraum ab, der elegant eingerichtet war.

      Das Wohnzimmer ist fast so groß wie meine ganze Wohnung, dachte Elisa. Aber bei mir ist es gemütlicher, stellte sie nach einem weiteren Rundblick fest.

      Hinter einer der anderen Türen hörte sie Stimmen. Sie ging weiter und fand das Arbeitszimmer. Es gab einen Schreibtisch und einen größeren Konferenztisch, auf dem vor jedem Platz ein Stapel mit exakt aufgeschichteten Geschäftspapieren lag. Es machte einen gewichtigen Eindruck.

      Auf einem Beistelltischchen stand ein Tablett mit Kaffee, Tee und Geschirr bereit. Wohin jetzt mit der Torte? Der Beistelltisch war zu klein, und auf dem Konferenztisch mit der schwarz spiegelnden Glasplatte wagte Elisa sie nicht abzustellen.

      Hohe Pfennigabsätze klackerten über das Parkett, und eine hochgewachsene, sehr schlanke Frau mit schwarzem Pagenkopf erschien in der Tür.

      „Wer sind Sie?“, fragte sie kühl und musterte Elisa ungeniert von oben bis unten.

      „Guten Tag. Ich bin die Konditorin und bringe die Torte.“ Elisa fühlte sich unter diesem kalten Blick unwohl. Die Frau trug ein perfekt sitzendes silbergraues Kostüm mit einer weißen Bluse, trotz der Wärme Seidenstrümpfe und hohe elegante Pumps, die nur eine Nuance dunkler waren als das Kostüm. Ihre schwarzglänzenden Haare fielen wie ein schimmernder Helm um das sogfältig geschminkte Gesicht.

      Gegen diese Erscheinung kam Elisa sich in der alten Arbeitshose und dem fleckigen T-Shirt vor wie der letzte Bauerntrampel. Wie gut, dass sie wenigstens die Jeansjacke trug. Obwohl ihr höllisch warm darin war. Der Schweiß lief ihr den Rücken hinunter, und sie hätte jetzt gern endlich die Torte abgestellt. Die Frau machte keine Anstalten, sie ihr abzunehmen.

      „Eine Torte?“, fragte sie nur und hob eine Augenbraue.

      „Ja. Wo kann ich Sie hinstellen?“, fragte Elisa höflich.

      „Hm, nun stellen Sie sie auf den Tisch, aber bringen Sie die Papiere nicht durcheinander.“ Die Frau verschränkte die Arme vor der Brust und schaute zu, wie Elisa den Karton vorsichtig auf dem Konferenztisch abstellte, den Deckel abnahm und die Torte heraushob.

      „Was ist das denn?“, fragte sie kritisch und beäugte Elisas Kunstwerk.

      „Mokkacreme“, sagte Elisa stolz und rückte die Torte auf dem Tisch zurecht. Die war ihr wirklich gut gelungen. Sie hatte sie mit kleinen kunstvollen Ornamenten aus dunkler Kuvertüre verziert und in die Mitte „Herzlichen Glückwunsch“ geschrieben. Dezent und klassisch.

      „Creme?“, fragte die Frau nach. „Doch nicht etwa Buttercreme?“

      „Doch genau, Buttercreme“, erklärte Elisa freundlich. „Werden Sie sie gleich essen? Wenn es noch länger dauert, sollte man sie vielleicht ein wenig kühl stellen. Es ist so warm heute.“

      „Ich werde davon ganz bestimmt nichts essen!“ Die Frau schaute angewidert, als hätte Elisa ihr einen faulen Fisch angeboten.

      Elisa verzichtete auf eine Antwort und versuchte, die Kränkung nicht an sich heranzulassen. Ihre gute Buttercremetorte! Aber Kostverächter gab es überall und die Frau war vermutlich auf Diät, so mager wie sie war. Sie biss sich auf die Lippen. Sie hatte hier sowieso nichts weiter verloren. Sie hatte die Torte abgeliefert und das war´s. Die Bezahlung lief wie immer über das Hotel oder war das diesmal anders? Sollte sie womöglich direkt abkassieren? Es war ihr unangenehm, die unfreundliche Frau danach zu fragen. Dabei sollte sie sich schleunigst angewöhnen, in Gelddingen souveräner zu werden, das hatte ihr Herr Rittl von der Bank vorhin am Telefon wieder sehr deutlich gemacht. Wie Elisa befürchtet hatte, hielt er ihre Absage für eine billige Ausrede und hatte eindringlich auf sie eingeredet, ihre Finanzen in Ordnung zu bringen und baldmöglichst bei ihm vorbeizukommen. Sonst wäre das Haus ... und so weiter und so weiter. Immerhin hatte er zugesagt, den Dispositions-Kredit kurzfristig so zu erweitern, dass die laufenden Lieferanten-Rechnungen beglichen werden konnten. Aber damit war das Problem natürlich nur aufgeschoben, bis zur fälligen Kredit-Rate blieb nur noch eine Woche Zeit. Bei dem Gedanken an ihre missliche Situation wurde Elisa plötzlich ganz kalt.

      „Ist noch etwas?“ Die Frau blätterte in einer Mappe mit wichtig aussehenden Papieren.

      „Äh ja, die Torte, ich weiß leider nicht ...“

      „Du meine Güte! Wenn Sie so besorgt um das Ding sind, dann stellen Sie es doch in den Kühlschrank. Zur Küche geht es dort entlang.“ Sie zeigte auf den Flur. „Gleich links.“

      Elisa nahm die Torte und ging Richtung Küche. Gleichzeitig ärgerte sie sich über den Befehlston der Frau. Aber es war wirklich besser, wenn die Torte in den Kühlschrank kam.

      Die Tür, hinter der sie vorhin jemanden reden gehört hatte, wurde geöffnet und ein Mann kam heraus. Ein groß gewachsener, elegant gekleideter Mann mit dunklen Haaren und einem Handy am Ohr.

      „Yes, of course, that is not a problem. We will organize that ...“ Er nickte ihr im Vorbeigehen zu, ohne sie richtig anzusehen, aber in dem Moment erkannte sie ihn:

      Es war der Mann aus der Schlucht! Sie zuckte so zusammen, dass ihr fast die Torte aus der Hand gefallen wäre. „Upps!“, rief sie und verstummte gleich darauf beschämt.

      Der Mann drehte sich irritiert zu ihr um. Erkannte er sie? Einen Moment schien es, als würden seine Augen erkennend aufleuchten, aber dann blickten sie wieder geschäftsmäßig kühl durch sie hindurch. „Oh ... I´m sorry, Mr Jühan, I didn`t get you ... yes ... for sure, no problem ...“ Er verschwand im Arbeitszimmer und schloss die Tür hinter sich.

      Elisa stand da mit der Torte im Arm und schaute entgeistert auf die geschlossene Tür. Das war doch der Mann vom Schluchtweg gewesen oder täuschte sie sich jetzt so sehr? Aber er sah völlig anders aus: Gestern quasi in Lumpen und heute im hellen Designer-Anzug mit beigefarbenen Slippers, denen man sofort ansah, dass sie teuer gewesen sein mussten. Und diese weltgewandte Art am Telefon ... Der Chefkoch hatte es ja gesagt: Internationales Management.

      Sie ging in die Küche und stellte die Torte in den Kühlschrank, in dem sich nur einige Champagnerflaschen befanden.

      Auf der Arbeitsplatte stand eine halbleere Dose mit russischem Kaviar. Dies war eine ganz andere Welt als die ihre. Eine sehr viel teurere, sehr viel perfektere Welt.

      Als sie aus der Küche kam, war die Tür zum Arbeitszimmer noch immer geschlossen. Von drinnen waren leise Stimmen zu hören. War die unfreundliche Zicke seine Frau? Oder nur eine Kollegin? Das Letztere würde ihr besser gefallen, aber das war natürlich völliger Quatsch! Diese Frau in der eleganten Aufmachung, die passte zu ihm. Sie, Elisa, schokoladenverschmiertes Konditortrampel, sie nicht. Und was sollte das Ganze überhaupt? Sie kannte ihn doch überhaupt nicht. Obwohl ... seine dunklen Augen ... dieser Blick von ihm gestern, der hatte sich irgendwie vertraut angefühlt ...

      Elisa starrte noch immer auf die Tür und war merkwürdig enttäuscht.

      Jetzt