Francine F. Winter

Mehlsack und Champagnerküsse


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      „Ach, hallo Franz, mal wieder Appetit auf etwas Süßes?“, fragte Elisa lächelnd. Ihr alter Sandkastenfreund Franz Mock kam manchmal vorbei, um sich ein paar Extra-Kalorien abzuholen und das sah man ihm durchaus an. Über der braunen Cordhose wölbte sich der Bauch unverkennbar über den Gürtel.

      „Genau“, sagte Franz und lächelte sie an, als wäre sie ein Kuchenstück. „Ich sehne mich nach einem Sahnetörtchen!“ Er nahm sie in die Arme.

      Einen winzigen Moment lang genoss Elisa die vertraute Berührung. Der untersetzte Franz war ein Mann, bei dem frau sich anlehnen konnte. Den warf so schnell nichts um. – Aber dann machte sie sich schnell wieder los. Sie spürte, dass Franz manchmal mehr wollte als nur Freundschaft. Aber für sie war er nur ein Kumpel aus Kindertagen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

      „Worauf hast du denn heute Appetit?“

      Franz strich seine fahlblonden, etwas strähnigen Haare zurück und musterte sie mit einem leicht anzüglichen Grinsen.

      „Ich spreche von Kuchen, Franz!“, betonte Elisa mit gespielter Strenge. „Entscheide dich, ich habe viel zu tun.“

      „Wenn das so ist, dann nehme ich ein Stück von deiner Himbeerbuttercremetorte. Deine Buttercreme ist die beste überhaupt! Mhm“, Franz leckte sich die Lippen.

      „Jetzt gleich am Morgen so ein fettes Stück Torte?“

      „Nein, Elisa, nach dem Mittagessen. Wenn ich es aushalte, so lange zu warten.“

      Während Elisa ein großzügiges Stück aus der Torte herausschnitt, musterte Franz die Einrichtung der Backstube. Sein Blick blieb an den Wänden und der Decke hingen, die dringend eine Renovierung nötig hatten. „Wie laufen denn die Geschäfte?“

      Elisa seufzte und war kurz davor, Franz ihre missliche Lage zu gestehen. Aber sie hielt sich zurück. Wenn sich im Ort herumsprechen sollte, wie schlecht es um ihre Finanzen bestellt war, dann würde über kurz oder lang ihre Mutter davon hören. Nein. So sehr sie sich danach sehnte, jemandem ihr Herz auszuschütten, sie musste mit ihren Problemen allein fertig werden.

      „So schlimm?“, fragte Franz mitfühlend.

      „N ... nein, alles okay. Ich habe nur gerade so viel zu tun. Eben ist eine Extra-Bestellung vom Parkhotel gekommen. Ich weiß nicht, wie ich das heute alles schaffen soll. Magst du jetzt vielleicht ein Stück Bienenstich? Ganz frisch aus dem Ofen.“

      „Mhm, lecker, den nehme ich ...“

      Sie reichte ihm das Kuchenstück.

      „Ich dachte, du hättest vielleicht finanzielle Probleme“, sagte Franz leichthin.

      Elisa schaute ihn überrascht an. „Wie kommst du darauf?“

      „Ach, nur so. Hier sieht es aus, als müsste man mal wieder gründlich renovieren und deine Kühlschränke haben auch schon bessere Tage gesehen.“ Er wies auf die silbernen Schränke unter der breiten Arbeitsplatte.

      Elisa runzelte die Stirn. Was sollte sie darauf sagen. Er hatte ja Recht. „Es ist alles in Ordnung. Ich erneuere hier alles so nach und nach. Im Moment habe ich dafür keine Zeit. Du weiß ja, was mit meinem Vater ist.“

      „Ja, ich weiß. Ich mein ja auch nur ... Wenn du mal Probleme hast. Ich bin immer für dich da.“ Franz stopfte sich den letzten Rest vom Bienenstich in den Mund und schaute sie treuherzig an.

      „Das ist lieb von dir. Aber es ist alles in Ordnung. Ich habe nur gerade überhaupt keine Zeit. Ich packe dir noch etwas von dem Bienenstich ein und das Stück Torte.“ Sie war froh, dass sie etwas tun konnte, um ihre Verzweiflung zu überspielen. Wenn Franz wüsste, wie schlimm es wirklich um sie stand!

      „Danke“, sagte er, als sie ihm das Kuchenpaket übergab. Er drückte ihr schnell einen Kuss auf die Wange. „Hast du schon mal daran gedacht, alles zu verkaufen?“

      „Verkaufen? Nein! Natürlich nicht! Mein Vater hat das hier alles aufgebaut. Das verkauft man doch nicht!“

      „Ich mein ja nur“, sagte Franz. „Wenn du Probleme hast, ich würde dir die Konditorei abkaufen.“

      „Du? Wieso? Wie kommst du denn jetzt darauf?“, fragte Elisa misstrauisch. Hatte Herr Rittl von der Bank etwas ausgeplaudert? „Und was willst du denn mit einer Konditorei? Du mit deiner Baufirma?“

      „Abreißen“, sagte Franz trocken.

      „Bist du verrückt?“ Sie sah ihn entsetzt an. „Du spinnst ja! Du ich hab jetzt wirklich zu tun.“

      „Das war doch nur ein Scherz!“, sagte Franz beschwichtigend.

      Elisa schob ihn aus der Tür und widmete sich wieder dem Rezeptordner. Franz hatte Recht. Ihre Buttercreme-Torten waren wirklich die besten weit und breit. Mokka-Buttercreme, das war´s. Klassisch und gut. Das würde den Herren Managern sicher schmecken.

      Sie holte einen dicken Biskuitboden aus dem Vorratsraum und während sie ihn in Scheiben schnitt, dachte sie über Franz´ Bemerkung nach. Abreißen! Die Konditorei und ihr Elternhaus? War er plötzlich verrückt geworden? Und wie kam er darauf, dass sie finanzielle Schwierigkeiten hatte? Gab es Gerüchte im Ort? Oder machte er sich einfach nur Sorgen um sie? Er war recht fürsorglich und hatte ihr schon oft geholfen, wenn sie mal einen Handwerker brauchte.

      Es tat gut, einen Freund zu haben, dem man vertrauen konnte. Aber in diesem Punkt wollte Elisa ihn nicht einweihen. Nicht auszudenken, wenn er sich verplappern würde. Es würde sofort im Ort die Runde machen.

      Reni steckte den Kopf durch die Tür. „Die Post ist da.“ Sie legte ein paar Briefe auf die Arbeitsplatte und verschwand wieder nach vorne in den Laden.

      Elisa sah die Umschläge durch. Alles Rechnungen und ... eine Mahnung! Der Mehl-Lieferant, oh je! Die Bank hatte doch die Abbuchung zurückgewiesen! Sie musste unbedingt Herrn Rittl anrufen ... Später ... Jetzt war erst mal die Torte dran.

      3. Kapitel

      Elisa musste die Augen zusammenkneifen, als sie aus ihrem kleinen Lieferwagen stieg. Die Sonne stand noch hoch am Himmel, und die weißen Mauern des Parkhotels reflektierten das grelle Licht. Sie holte den Tortenkarton aus dem Laderaum und schnaufte. Es war so warm heute. Am liebsten hätte sie die Jeansjacke ausgezogen, aber sie trug noch immer die Konditormontur, schwarz-weiß-karierte Hose und ein weißes T-Shirt, das am frühen Morgen sauber gewesen war, von dem man jetzt aber ablesen konnte, welche Kuchen und Torten sie heute fabriziert hatte. Die Jacke musste also anbleiben.

      Zum Umziehen war keine Zeit gewesen, sie hatte nur schnell Hände und Gesicht gewaschen, die langen blonden Locken gebürstet und ein wenig Kajal um die grünen Augen gezogen. Das war schon mehr als sie sonst tat; sie würde sowieso nur kurz durch den Lieferanteneingang in die Küche huschen, die Torte abgeben und wieder verschwinden. Das ausgiebige Bürsten und der Kajal waren nur für den Fall, dass sie den fremden Mann von gestern treffen sollte. Obwohl es natürlich völliger Quatsch war, sich für einen seltsamen Landstreicher aufzuhübschen.

      „Frau Burger, schön, dass Sie kommen konnten, Sie sind mal wieder unsere Rettung!“, rief der dicke Chefkoch, als Elisa die Hotel-Küche betrat, in der weiß gekleidete Köche und Küchenhilfen durcheinander wuselten. „Wie Sie sehen, haben wir alle Hände voll zu tun.“ Er kostete einen Probierlöffel voll Bratensoße, die ihm ein Lehrling hinhielt. „Der Pfeffer fehlt!“, bellte er den Jungen an. „Hörst du denn nicht zu?“

      Er wandte sich wieder an Elisa. „Entschuldigen Sie, hier ist seit gestern wirklich die Hölle los. Wir kommen kaum dagegen an. Wären Sie so freundlich, die Torte selbst abzugeben?“

      „Klar, mache ich. In einem der Konferenzräume?“

      „Ja, Frau Burger, das wäre nett. Ach, was rede ich denn da! Nein! Die Torte müsste direkt nach oben in die Grafen-Suite gebracht werden. Im vierten Stock, die 401. Dort findet die kleine Geburtstagsfeier statt. Ein Geschäftsmeeting,