Ana Marna

Seelenmalerin


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die Arme hob und forttrug. Hannah sah ihm nach. Nur am Rand nahm sie wahr, dass eine Frau aufgeregt auf Theo zu rannte und heftig auf ihn einredete, als Tucker O’Brians Gestalt sich auch schon in ihr Sichtfeld schob.

      „Was hatten Sie in dieser abgelegenen Gegend zu suchen?“

      Hannah sah ihm unerschrocken ins grimmige Gesicht.

      „Ich habe nichts gesucht, Mr. O’Brian, sondern war wandern. Deswegen bin ich ja hier. Aber keine Sorge, ich will Ihre Dorfidylle nicht weiter stören. Bestellen Sie Ihrem Peter einen schönen Gruß. Ich hoffe, dass die Pfote von seinem Hund wieder heil wird. Die sieht echt nicht gut aus. Und da Sie ja offensichtlich hier in der Gegend ein Problem mit Wilderern haben, sollte er seinen Hund vielleicht doch nicht so frei herumlaufen lassen. Zumal der ja sowas von einem Wolf an sich hat, dass man sich da schnell vertun kann.“

      Sie setzte ein fröhliches Grinsen auf, dachte ‚Arschloch‘ und stieg ins Auto.

       *

      Tucker O’Brian blickte ihr düster hinterher. Dann sah er sich um. Inzwischen hatten sich einige Dorfbewohner bei ihnen eingefunden, die Hannahs Sätze mit großen Augen verfolgt hatten und vorsichtig Abstand zu ihm hielten.

      „Wer war heute dran, dieses Weibsbild zu beschatten?“, grollte er.

      „Äh, ich glaube William“, murmelte jemand in seiner Nähe.

      „Und wo zum Teufel steckt er?“

      Niemand antwortete. Tucker fluchte.

      „Cain!“

      Sein Gebrüll scholl bis in den hintersten Dorfwinkel. Sekunden später kam der Gerufene angerannt. Bevor er etwas sagen konnte, blaffte Tucker ihn an.

      „Du übernimmst für den Rest des Tages diese Riemann, und zwar dalli. Falls William dir über den Weg läuft: Er soll sich bei mir melden! Und zwar sofort! Cody! Du kriegst raus, wem diese verfluchte Falle gehört. Ich will wissen, wer hier durch unsere Wälder kriecht.“

      „Geht klar, Boss!“

      Besagter Cody griff nach dem Eisen und trug es fort.

      William erschien eine Stunde später in Tuckers Büro. Er war schweißüberströmt und wirkte völlig fertig. Schweratmend stand er vor O’Brian und wagte es nicht, den Kopf zu heben.

      Tucker verschränkte die Arme.

      „Also? Was war da los?“

      William schluckte nervös.

      „Ich - also dieses Miststück hat mich echt gelinkt. Sie hat so getan, als wolle sie loslaufen, und dann springt sie einfach ins Auto und gibt Gas. Ich bin zwar hinterher, aber sie war echt zu schnell. Als ich dann endlich den Wagen gefunden hab‘, kam sie mir mit dem Welpen auf den Armen entgegen. Keine Ahnung, wie lange sie schon mit ihm unterwegs war.“

      „Sonst hast du nichts gesehen? Gerochen?“

      William schüttelte den Kopf.

      „Leider nicht. - Äh - Boss.“

      Er hielt den Kopf noch immer gesenkt.

      „Ich ... sie hat mich gesehen. Ich war schon ziemlich fertig und konnte nicht rechtzeitig abtauchen.“

      O’Brian starrte ihn an. William brauchte nicht hochzusehen. Er roch bereits, dass sein Gegenüber kurz vor einer Explosion stand. Aber Tucker beherrschte sich.

      „Wie hat sie reagiert?“

      „Äh ... ziemlich cool. Sie hat mich angesehen, ‚Aha‘, gesagt und dann Gas gegeben.“

      „Aha?“

      „Ja, sowas in der Art.“

      Tucker ließ sich auf seinen Schreibtisch sinken.

      „Verdammt. Also hat sie euch doch bemerkt.“

      William hob die Schultern.

      „Sie hat sich bisher nie was anmerken lassen und wir waren echt vorsichtig. - Soll ich wieder zur Hütte?“

      „Nein, ich habe Cain losgeschickt. Du schnappst dir Ethan und fährst zu der Stelle, an der du sie aufgespürt hast. Sucht den Ort, wo es den Welpen erwischt hat, und untersucht ihn auf Spuren. Ich will wissen, wer dieses Ding gelegt hat.“

      William nickte und verschwand erleichtert. Das befürchtete Donnerwetter war ausgeblieben. Trotzdem war es wohl ratsam, Tucker O’Brian erst einmal aus dem Weg zu gehen.

      Die besten Schokomuffins der Welt

      

       Tag 14

       Jackson-Hütte, Minnesota

      Zwei Tage später fuhr ein Wagen vor Hannahs Tür.

      Neugierig trat sie nach draußen. Das Wetter war regnerisch, daher hatte sie sich entschlossen, nicht wandern zu gehen und stattdessen zu backen und zu kochen. Entsprechend war sie auch angezogen: Jogginghose, ein altes verkleckertes T-Shirt und ein breites Stirnband, mit dem sie sich die rotbraunen Locken aus dem Gesicht gebunden hatte.

      Gespannt sah sie ihren Besuchern entgegen.

      Aus dem Wagen kletterte Tucker O’Brian und hinter ihm ein schlaksiger Junge, den sie auf gerade mal fünfzehn Jahre schätzte. Er hatte blonde zottelige Haare, ein etwas verpickeltes Gesicht und wirkte eingeschüchtert. Kaum wagte er es, ihr ins Angesicht zu blicken.

      „Hallo“, lächelte Hannah und ignorierte O’Brians unfreundliche Miene. „Was verschafft mir die Ehre?“

      „Das ist Peter“, meinte Tucker nur und verschränkte die Arme. Der Junge schielte zu ihm hin und schluckte. Vorsichtig blickte er dann doch zu ihr hoch.

      „Guten Tag, Mrs. Riemann“, murmelte er. Hannah betrachtete ihn aufmerksam. Seine grünen Augen waren hübsch, blickten aber ängstlich und unsicher.

      „Hallo Peter“, lächelte sie. „Freut mich, dich kennen zu lernen. Geht es deinem Freund besser?“

      „Freund? Äh ... ja ... vielen Dank. Vielen Dank, dass Sie ihm geholfen haben.“

      Jetzt, wo er die ersten Worte herausgebracht, hatte, fiel ihm das Reden offenbar leichter und er wagte ein zaghaftes Lächeln. Hannah konnte sich gerade noch zurückhalten, ihn in die Arme zu nehmen. Dieser schüchterne Junge weckte alle Mutterinstinkte in ihr. Aber von einer wildfremden Frau umarmt zu werden, war bestimmt nicht das, was ein Fünfzehnjähriger als cool bezeichnen würde. Also hielt sie sich zurück.

      „Das freut mich. Aber du hast ihn gut erzogen. Die meisten Hunde hätten sich in der Situation sicherlich nicht von einem wildfremden Menschen anfassen lassen.“

      „Äh - ja, danke“, murmelte er.

      „Möchtest du reinkommen?“

      Der Junge schielte wieder zu O’Brian, der immer noch mit verschränkten Armen neben ihm stand.

      „Ich ... ich weiß nicht ...“

      „Dafür ist keine Zeit, er wollte sich nur bedanken“, funkte O’Brian dazwischen.

      „Mag ja sein.“ Hannah sah ihm unbeeindruckt in die Augen. „Aber wenn Sie zu tun haben, können Sie ruhig fahren. Ich bringe Peter gerne wieder zurück.“

      Sie sah erneut zu dem Jungen.

      „Natürlich nur, wenn es dir recht ist. Aber ich kann dir verraten, dass heute mein Backtag ist. Einige Schokomuffins sind schon fertig und ich schwanke noch, welche ich als Nächstes in Angriff nehme. Zitrone oder Karamell. Du könntest mir bei der Entscheidung behilflich sein.“

      In den grünen Augen leuchtete es interessiert auf, aber bevor er antworten konnte, legte Tucker ihm die Hand auf die Schulter.

      „Vielleicht