Ana Marna

Seelenmalerin


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      „Schade, aber du kannst jederzeit vorbeikommen, Peter.“

      „Danke, Mrs. Riemann“, murmelte er und ließ sich von O’Brian davon schieben. Als die beiden den Wagen erreicht hatten, rief Hannah:

      „Einen Moment noch. Peter, komm doch bitte noch einmal kurz zurück.“

      Sie konnte sehen, wie O’Brian die Stirn runzelte, aber er nickte dem Jungen zu und der rannte sofort herbei.

      Hannah zwinkerte ihm zu.

      „Komm schnell rein, ich hab da was für dich.“

      Unsicher folgte er ihr in die Hütte und ließ seinen Blick neugierig kreisen.

      „Das sieht klasse aus“, staunte er. Hannah lächelte.

      „Findest du? Hast du die Hütte vorher schon mal betreten?“

      Er nickte.

      „Ja, wir kommen manchmal her, um, na ja ... also ...“

      Sein Stottern ließ sie auflachen.

      „Schon in Ordnung, du brauchst dich für nichts zu entschuldigen. Hier.“

      Sie griff nach einer Plastiktüte und stopfte sie mit einem riesigen Berg Muffins voll, den sie ihm dann entgegenhielt.

      „Ich weiß doch, dass Jungs in deinem Alter auf sowas stehen. Mein Wulf war regelrecht süchtig danach.“

      Er starrte erst sie und dann die Tüte an.

      „Ihr ... Ihr Wulf?“

      Sie grinste vergnügt.

      „Ja, mein Sohn. Er heißt Wulf. Ist doch witzig, oder? Dein Hund sieht aus wie ein Wolf und mein Sohn heißt so. Jetzt aber raus mit Dir. Ich will schließlich nicht, dass O’Brian dir das Fell über die Ohren zieht.“

      Er wurde deutlich blasser und griff schnell nach der Tüte.

      „Vielen Dank. Ich ... ich bin sicher, die werden toll schmecken.“

      Hastig eilte er nach draußen.

      Hannah folgte ihm langsam zur Tür und beobachtete, wie er zu Tucker O’Brian in den Wagen stieg, der sofort wendete und losfuhr. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Augen mit denen von O’Brian.

      ‚Blödmann‘, formulierte sie lautlos mit den Lippen und hoffte für einen Moment, dass er das auch sah.

       *

      „Tucker?“

      „Hm.“

      „Wusstest du, dass sie einen Sohn hat? Er heißt Wulf.“

      Tucker O’Brian hätte fast auf die Bremse getreten. Seine Stirn legte sich in konzentrierte Falten.

      „Bist du dir sicher?“

      „Sie hat es mir gerade erzählt. Als sie mir die Muffins gab.“

      Peter langte in die Tüte und fischte ein Gebäckstück heraus. Im Auto breitete sich bereits ein betörender Geruch nach Schokolade und Kuchen aus. Der Junge biss neugierig hinein.

      „Wow, die sind echt lecker“, staunte er und schob sich den Muffin komplett in den Mund. Dann hielt er die Tüte Tucker hin. Der schnaufte nur.

      „Die musst du probieren“, drängte Peter. Seine Schüchternheit war komplett verflogen. „So gute hat Ethan noch nicht hinbekommen.“

      Tucker verzog das Gesicht.

      „Das solltest du ihm aber nicht sagen.“

      Peter feixte vergnügt.

      „Keine Sorge, ich gebe ihm einfach einen zu essen. Dann weiß er es selbst.“

      Jetzt musste auch O’Brian grinsen. Er langte in die Tüte und gab Sekunden später dem Jungen recht. Wie zum Geier hatte die Frau das mit diesem kümmerlichen Holzofen hinbekommen?

      „Kann ich sie nicht tatsächlich mal besuchen?“, bat Peter. „Sie scheint echt nett zu sein.“

      Tucker verlor sein Grinsen wieder.

      „Du weißt selbst, dass das keine gute Idee ist.“

      „Ich hab mich schon viel besser im Griff“, beteuerte der Junge. „Und ich bin ja nicht doof. Sie wird bestimmt nichts merken. Aber vielleicht kann ich ihr ja das Rezept abluchsen.“

      „In den nächsten Tagen hast du keine Zeit dafür.“

      Peter machte ein schuldbewusstes Gesicht.

      „Schon klar, ich weiß, dass ich Mist gebaut habe. Und ich will mich ja auch nicht vor der Arbeit drücken. Aber Ethan sagt, dass sie noch einige Wochen hier ist, und ...“

      „Peter!“ In O’Brians Stimme schwang ein warnender Unterton mit. „Du wirst keinesfalls das Dorf verlassen, ohne jemandem Bescheid zu geben. Und wenn du diese Frau besuchen willst, wirst du mich vorher fragen. Klar?“

      „Klar, Boss“, murmelte der Junge und griff nach dem nächsten Muffin.

      Jetzt bremste O’Brian doch und wandte seine volle Aufmerksamkeit dem Knaben zu.

      „Junge“, grollte er. „Ich sage das nicht, um dich zu ärgern! Da draußen laufen zurzeit irgendwelche Arschlöcher rum, die Schlagfallen aufstellen. Das hast du ja schon selbst bemerkt. Ich habe keine Lust irgendein Kid da draußen zu verlieren. Also herrscht Ausgangssperre für euch, bis wir die Kerle erwischt haben!“

      Peter hob die Schultern.

      „Ich weiß, Tucker, tut mir leid“, murmelte er. „Aber es ist echt öde, die ganze Zeit im Dorf rumzuhängen.“

      „Na, die Langeweile kann ich dir austreiben“, versetzte Tucker grimmig und gab wieder Gas. „Gib mir nochmal so einen Kuchen.“

      Als sie Dark Moon Creek erreichten, waren von den Muffins gerade noch zwei übrig.

      „Ich bin mal gespannt, was Ethan zu denen sagt“, grinste Peter und sprang davon. Tucker sah ihm nachdenklich hinterher.

      Er wusste, dass es schwer sein würde, die Kids aus den Wäldern herauszuhalten. Sie waren es gewöhnt, sich dort unbeschwert auszutoben und rebellisch und selbstbewusst genug, sich seinen Anweisungen zu widersetzen.

      Er konnte nur hoffen, dass sie diese Wilderer so schnell wie möglich fanden, bevor es erneut Verletzte oder gar Tote gab.

       Tag 16

       Jackson-Hütte, Minnesota

      Hannah staunte nicht schlecht, als zwei Tage später wieder Besuch erschien. Diesmal war es Ethan.

      Verlegen stand er vor ihrer Tür.

      „Hallo, Mrs. Riemann.“

      „Hallo Ethan, ich heiße Hannah. Was kann ich für Sie tun?“

      „Äh, ja Hannah, also, es ist mir ausgesprochen peinlich.“

      „Dann kommen Sie besser rein“, lächelte sie. „Das muss ja nicht die ganze Welt zu Ohren kriegen.“

      Er folgte ihr ins Haus und sah sich staunend um.

      „Donnerwetter“, meinte er. „Der Junge hat recht. Sie haben den Schuppen echt gemütlich hingekriegt.“

      „Sie meinen Peter?“ Sie feixte. „Ehrlich, das sieht nach mehr aus, als es ist. Putzen kann manchmal Wunder wirken. Und wenn die Fenster erst einmal sauber sind, ist alles schon sehr viel heller und freundlicher. Kann ich Ihnen was anbieten? Kaffee? Tee? Bier?“

      Er grinste erfreut.

      „Ein Bier wär prima.“

      Sie langte in den Kühlschrank und reichte ihm eine Dose. Dann wies sie zum Küchentisch. Als sie saßen, stützte sie das Kinn auf die Hände und sah ihn gespannt an.