Ana Marna

Seelenmalerin


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Körper zitternd stand er vor ihr. Hannah grinste ihn an.

      „Tapferes Kerlchen. Versuch‘s. Das wird mir ungemein helfen.“

      Geduckt huschte sie voran, den Vierbeiner dicht an ihren Fersen. Weitere Rufe verrieten ihr, dass sie sich eher am rechten Randbereich der Suchkette befand. Jede Deckung nutzend arbeitete sie sich vorwärts und versuchte, sich mehr nach rechts zu bewegen. Doch ihre Verfolger waren offensichtlich erfahrene Jäger und orientierten sich immer wieder in ihre Richtung. Es schien nur eine Frage der Zeit zu sein, bis sie ihre Opfer gefunden hatten.

       Dark Moon Creek

      Tucker O’Brian horchte auf. Langsam erhob er sich und verließ sein Büro, um nach draußen zu treten.

      Aus der Ferne kam Motorengeräusch auf das Dorf zu. Der Fahrer hatte das Gaspedal offenbar durchgedrückt. So viel Eile war kein gutes Zeichen. Erst recht nicht bei diesem Wagen.

      Das war eindeutig das Fahrzeug von Hannah Riemann.

      Er ging dem Wagen entgegen. Dieser bremste mit quietschenden Reifen vor ihm und ein völlig verdreckter, nackter Cody sprang heraus. Blut bedeckte den Oberkörper, das offenbar aus einer Schusswunde zwischen seinen Rippen gelaufen war und jetzt angetrocknet an der Haut klebte.

      „Wilderer“, keuchte er. „Sie sind hinter Spencer und Hannah her.“

      Tucker presste die Lippen zusammen.

      „Kannst du noch laufen?“

      Cody nickte grimmig.

      „Gut. Benachrichtige die Zentrale, wir brauchen Unterstützung. Ich sammle die Männer. Du führst uns so nahe wie möglich hin und bleibst dann bei den Wagen als Kontaktperson. Zieh dir was an!“

      Cody rannte los.

      Tucker ballte die Fäuste und eilte ins Büro.

      Diesmal würde er diesen Kerlen das Handwerk legen. Endgültig!

       Nördliche Wälder, Minnesota

      Hannah spürte, wie sie nach und nach an Kraft verlor und langsamer wurde. Irgendwann hörte sie in der Ferne einen Hubschrauber, der erst näherkam, aber dann abdrehte.

      Inzwischen hatte sie jedes Zeitgefühl verloren, doch soweit sie es sehen konnte, stand die Sonne schon ziemlich tief. Mit etwas Glück wurde es bald dunkel. Vielleicht war das die Gelegenheit, ungesehen an den Jägern vorbeizukommen. Wenn sie sich dann überhaupt noch bewegen konnte.

      Hinter einem dicken Baumstamm sank sie für eine kurze Pause zu Boden. Der kleine Wolfshund drückte sich eng an sie. Hannah war beeindruckt, dass er überhaupt laufen konnte. Vorsichtig löste sie die blutdurchtränkte Mullbinde.

      Verdutzt blickte sie auf die Wunde. Diese war noch da und das Blut drumherum dunkelverkrustet. Aber zu ihrer Verblüffung begann sich bereits Schorf zu bilden.

      „Donnerwetter“, murmelte sie. „Du hast aber verflixt gutes Heilfleisch. Das könnte ich auch gebrauchen.“

      Sie verscharrte die Mullbinde in der Erde und schob Laub darüber. Sie mussten weiter.

      Inzwischen ging es bergauf, was ihr gar nicht gefiel. Es war deutlich anstrengender, und in Deckung zu bleiben, war kaum mehr möglich.

      Hinter einem größeren Felsbrocken hielt sie an und versuchte, ihr Keuchen in den Griff zu kriegen.

      „Hallo Süße.“

      Ihr Kopf fuhr zur Seite. Etwa drei Meter von ihr entfernt stand einer der Männer und zielte mit einem bösartigen Grinsen auf sie.

      „Wie wär’s, wenn du schon mal die Hose ausziehst? Bis die anderen hier sind, können wir eine Menge Spaß miteinander haben. - Na los, Miststück. Runter damit!“

      Hannah starrte ihn verzweifelt an. Sie war ihm hilflos ausgeliefert. Für einen Angriff war er zu weit weg und weglaufen war nicht möglich. So schnell wie eine Gewehrkugel war sie nicht.

      Der Wolf winselte und kroch in ihre Richtung. Der Mann starrte ihn an.

      „Verdammt, du hast das Mistvieh ja immer noch bei dir.“

      Er richtete den Gewehrlauf auf den Kleinen.

      „Nein“, schrie Hannah und schob sich dazwischen.

      Die Kugel durchschlug ihren Oberschenkel. Mit einem Schrei stürzte sie zu Boden.

      Der Mann fluchte und trat näher, um seinen Versuch zu wiederholen. In Hannahs Bein tobte ein Schmerz, der ihr wieder Übelkeit bescherte und sie die Pein in der Schulter beinahe vergessen ließ.

      Als sie die Männerbeine vor sich stehen sah, griff sie an ihren Gürtel und packte ihr Messer. Mit wilder Entschlossenheit riss sie es heraus und schwang es nach oben.

      Der Mann schrie laut auf und sackte zu Boden. Fassungslos blickte er auf sein linkes Bein, aus dem das Blut hervorquoll. Hannah hatte ihm tief in die Wade geschnitten. Bevor er reagieren konnte, rammte sie ihm das Messer in den Arm. Dann zerrte sie die Pistole aus seinem Gürtel und richtete sie auf ihn.

      „Du Arschloch“, keuchte sie. „Eigentlich müsste ich dich erschießen, aber dann wäre ich nicht besser als du. Allerdings kann ich dafür sorgen, dass zumindest du mir nicht mehr hinterherläufst.“

      Sie biss die Zähne zusammen und schoss ihm in den Oberschenkel des anderen Beines.

      Er heulte auf.

      „Du verdammte Hure. Das zahl ich dir heim. Ich werde dir die Haut abziehen.“

      Hannah steckte sich die Pistole in den Gürtel und griff nach ihrem Messer und dem Gewehr. Mit einem Ächzen stemmte sie sich hoch. Jederzeit konnten die anderen Männer hier auftauchen. Jeglicher Abstand war wertvoll.

      Der Wilderer fluchte und jammerte immer noch. Hannah holte mit dem Gewehr aus und knallte ihm den Schaft gegen den Kopf. Er verstummte sofort.

      Sie ersparte es sich, nachzusehen, ob er noch atmete. Im Moment war ihr das eigene Leben wichtiger.

      Humpelnd bewegte sie sich vorwärts und schlängelte sich durch die Felsen und Baumgruppen. Die Blutspur, die sie hinter sich herzog, war nicht beruhigend. Ihr kleiner Schützling klebte unaufgefordert an ihren Fersen.

      Irgendwann hielt sie an und riss sich ihr T-Shirt vom Leib. Ob das dünne Top darunter für die Kälte der Nacht ausreichen würde, darüber wollte sie im Moment nicht nachdenken.

      Sie riss das Shirt in Streifen und versuchte einen Druckverband um ihren Oberschenkel anzulegen. Der Schmerz ließ sie wieder in die Knie gehen.

      Der Welpe winselte und leckte ihr über den Mund. Sie verzog das Gesicht.

      „Kleiner, das ist lieb gemeint, schmeckt aber echt nicht gut.“ Mit einem Stöhnen richtete Hannah sich auf und schleppte sich weiter. Hinter ihr wurden wütende Rufe laut. Sie konnte zwei Stimmen unterscheiden.

      Immerhin. Mit etwas Glück waren die anderen beiden weiter weg.

      Nach einer Viertelstunde sackte sie zu Boden und versuchte, den Schwindel zu verdrängen, der sie erfasst hatte.

      Es war zwecklos. Mit diesem Bein würde sie keinen Meter mehr weiterkommen.

      Sie betrachtete das Gewehr. Keine Ahnung wie viel Munition da drin war. Sie hatte noch nie eine solche Waffe bedient. Zwar konnte sie sich noch vage erinnern, wie man ein Gewehr entsicherte, aber das war auch schon alles. Mit der Pistole war es nicht besser. Aber immerhin hatte sie ein paar Kugeln und sie war fest entschlossen, diese einzusetzen.

      Ächzend schob sie sich hoch und spähte über die Felsen den Hang hinunter. Erst konnte sie keine Bewegung ausmachen und schöpfte Hoffnung. Doch dann sah sie zwei Männer zwischen den Felsen hervorkommen. Sie kamen beängstigend zielstrebig auf sie zu.

      Hannah schob das Gewehr in Position und zielte sorgfältig. Der Schuss hallte laut durch das Geröll und Hannah spürte