Kathrin Noreikat

Das Kombiticket


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erstaunt fest.

      Die Tür war genauso schwarz, wie die Wand und nur durch einen kleinen goldfarbenen Knauf als solche zu erkennen. Sie war schmal und niedrig.

      Nur in gebückter Haltung hätte ein Erwachsener hindurchgepasst. Theodor fasste den Knauf an, zog und drückte daran. Die Tür sprang auf. Helles Licht drang heraus. Neugierig machte Theodor einen Schritt darauf zu.

      “Stopp!”, rief Conrad. Doch es war schon zu spät, sein Bruder war über die Schwelle getreten und in dem Licht verschwunden. Conrad warf einen Blick nach links und rechts. Es war niemand auf dem Gang zu sehen.

      Er konnte seinen Bruder nicht alleine lassen, daher folgte er ihm. Hinter Conrad schloß sich lautlos die kleine Tür.

      Kapitel

      Während die Zuschauer im Kuppelsaal die Weltallshow ansahen, machte Paul Koslowski seinen Kontrollgang. Er war im Rentenalter, trug eine Brille mit dicken Gläsern und zog das linke Bein etwas nach. An den Wochenenden half er als eine Art Hausmeister im Planetarium aus und verdiente sich so ein paar Euro zu seiner mageren Rente dazu.

      Ihm fiel sofort auf, dass das Bild mit dem Raketenstart von der Wand gefallen war. Grummelnd hängte er es wieder auf. Die Tür in der Wand bemerkte er nicht, denn trotz der starken Brillengläser sah Koslowski schlecht.

      Eine Stunde später hörte das Publikum im Saal die Schlussmelodie und “Vielen Dank für Ihren Besuch im Stuttgarter Planetarium. Wir freuen uns, Sie bald wieder begrüßen zu dürfen. Auf Wiedersehen!”, tönte es aus dem Lautsprecher.

      Das Licht ging an und die Zuschauer strömten hinaus.

      Ruth meinte: “Das war wirklich interessant, nicht wahr, Kinder?”

      Sie blickte zur Seite, die beiden Plätze neben ihr waren leer.

      Suchend schaute sich die Tante im Saal um, der sich immer weiter leerte. Vielleicht warteten die Kinder draußen auf dem Gang auf sie oder waren auf der Toilette, überlegte Ruth. Doch dort waren ihre Neffen nicht.

      Am Getränkestand erkundigte sie sich: “Haben Sie meine beiden Neffen gesehen? Sie haben sich vorhin bei Ihnen etwas zu Trinken gekauft.”

      “Wie sehen denn Ihre Neffen aus?”, fragte die Frau, die leere Flaschen in eine Getränkekiste stellte.

      “Der Ältere ist neun Jahre alt, hat dunkelbraunes Haar und trägt einen Pullover mit einem T-Rex darauf. Der andere hat blondes Haar, das er zu einem Seitenscheitel trägt. Er hat, glaube ich, einen Pullover mit einem roten Rennauto an.”

      Die Verkäuferin kratzte sich an der Stirn. “Mmh … es waren so viele Familien mit ihren Kindern da. Die Fanta ist sogar ausverkauft und muss nachbestellt werden. Keine Ahnung, ob Ihre Neffen dabei waren.”

      “Bitte. Denken Sie nach”, bat Ruth.

      Die Frau zuckte nur mit den Schultern. “Fragen Sie doch Frau Junginger. Sie kontrolliert die Karten und ist nach der Vorstellung meistens bei der Häberle im Foyer an der Kasse.”

      Die Tante murmelte ein Danke und eilte den Korridor entlang.

      Hinter dem Kassentresen saßen zwei Frauen und unterhielten sich angeregt.

      Ruth grüßte sie und schilderte hastig ihr Anliegen. Die Kassiererin winkte ab: “Ich kann Ihnen nicht helfen.”

      Die Kartenabreißerin, die Frau Junginger hieß, überlegte stattdessen. Sie schlug sogar vor, zusammen die Kinder zu suchen.

      “Bis zur nächsten Vorstellung habe ich etwas Zeit.”

      “Das wäre großartig von Ihnen. Vielen Dank!”, sagte Ruth erleichtert.

      Die Frauen gingen durch das Planetarium, riefen die Namen der Kinder, schauten erneut in den Toilettenräumen und im großen Saal nach.

      Nirgends waren die Kinder. Die Tante befand sich mittlerweile am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Sie konnte doch nicht ohne ihre Neffen nach Hause fahren. Was sollte sie sonst ihrem Bruder sagen? Ich habe deine Söhne verloren? Sie schlug verzweifelt die Hände vors Gesicht und stöhnte.

      Frau Junginger meinte: “Des isch mir äbbes args!”

      Sie wechselte ins Hochdeutsche. “Das tut mir wirklich leid. Es ist nicht zu fassen, dass jetzt hier schon wieder Kinder verschwunden sind.”

      Ruth wurde hellhörig: “Was meinen Sie mit `schon wieder sind Kinder verschwunden’ ?”

      Die Kartenabreißerin bemerkte erst jetzt, dass sie sich verplappert hatte.

      “Ach nichts!”, murmelte sie.

      Ruth ließ nicht locker. Schließlich berichtete Frau Junginger: “In den letzten Jahren sind drei Kinder verschwunden. Erst vor einem halben Jahr ist der kleine Giovanni wie vom Erdboden verschwunden. Das wurde jedoch totgeschwiegen. Es wurde behauptet, dass der Junge auf dem Nachhauseweg verschwunden sei. Aber das glaube ich nicht!”

      Zögernd stellte die Tante die Frage: “Sie meinen, dass diese Kinder aus dem Planetarium entführt worden sind?”

      Frau Junginger zuckte mit den Schultern. “Am besten ist es, wir rufen die Polizei an”, empfahl sie.

      Hinter dem Kassentresen war ein Telefon. Von dort rief sie die Polizei an. Während Ruth auf die Beamten wartete, ging sie nervös im Foyer auf und ab. Sie verfluchte diesen verregneten Sonntag. Warum hatte sie sich diese Kombitickets aufschwatzen lassen? 20% Rabatt. Lächerlich. Hätte Ruth sie nicht gekauft, würde sie jetzt mit ihren Neffen zuhause sein und “Monopoly” spielen.

      Kapitel

      Zur gleichen Zeit, in der Ruth fasziniert die Show im Kuppelsaal verfolgte, standen Conrad und Theodor in einem hellen Raum. Sie waren durch die schmale Tür, die sich hinter dem Raketenstartbild verborgen hatte, gegangen. Neugierig schauten sie sich um. Sie waren in einem anderen Korridor, dessen Wände in verschieden Grautönen gestrichen war. “Wo sind wir?”, fragte Theodor.

      Achselzuckend sagte Conrad: “Keine Ahnung. Lass uns umkehren und zwei Flaschen Fanta kaufen gehen.”

      “Häh, wo ist die Tür?”, wunderte sich Theodor, als er sich wieder zur Wand drehte.

      Die Brüder schlugen mit der flachen Hand und klopften mit den Fingerknöcheln an der mausgrauen Wand entlang. So arbeiteten sich einige Meter nach links und rechts. “Hallo! Aufmachen!”, riefen sie.

      “Die Tür muss hier irgendwo sein. Wir sind doch nicht blind”, meinte Conrad.

      “Tante Ruth wird ganz schön sauer sein, wenn wir nicht rechtzeitig zurückkommen”, befürchtete Conrad. Theodor stimmte zu und starrte seinen älteren Bruder mit großen Augen an.

      “Was glotzt du so?”, fuhr dieser ihn an.

      “Du siehst irgendwie anders aus. Älter und größer. Du hast auch nicht mehr deinen T-Rex-Pulli an”, behauptete Theodor.

      Conrad schaute an sich herunter. Er trug jetzt eine marineblaue Uniform. Auf der linken Brusttasche war das Wort Invictus in goldenen Buchstaben gestickt.

      “Wir sind gar keine Kinder mehr”, sagte er verwundert. Sein Bruder trug die gleiche Uniform.

      Theodor war verwirrt: “Häh, das verstehe ich nicht. Warum sind wir auf einmal erwachsen?”

      “Das weiß ich nicht. Vielleicht sind wir durch einen Zeitreisetunnel gegangen oder wir sind in ein Wurmloch geraten”, mutmaßte Conrad.

      “Die Uniform mit den goldenen Knöpfen ist cool, aber die Schuhe sind unbequem”, meinte Theodor.

      Er setzte sich auf den Fußboden und war im Begriff die Schuhe auszuziehen. Da rollte ein kleiner kugelförmiger Roboter an ihnen vorbei.

      Conrad sagte: “Der sieht aus, wie R2D2 aus ‘Star Wars’, nur mit Greifarmen. Vielleicht