Natürlich hat dieser Exoplanet eine Atmosphäre, sonst würden wir erst gar nicht auf dieser Mission sein.”
Conrad schluckte schwer und beschloss, nach dieser Rüge vorerst seinen Mund zu halten. Captain Albertsson erhob sich von seinem Stuhl. Jetzt konnte man gut erkennen, wie groß er war, fast zwei Meter. Seine Hände waren Pranken und mit seinem fleischigen rechten Zeigefinger berührte er die Tischplatte, die sich als Touchscreen betätigen ließ.
Auf der Tischplatte erschien eine Darstellung des Weltalls mit seinen Planeten und Sternen.
“Wie cool ist das denn”, jubelte Theodor und erntete, wie sein Bruder, einen vernichtenden Blick vom Captain.
Albertsson erklärte: “Wir sind gestern von Adana geweckt worden. Die anderen sind noch im Hyperschlaf und werden zu einem späteren Zeitpunkt unter der Aufsicht unserer Bordärztin geweckt.”
Er zeigte auf einen rot blinkenden Punkt in der Tischmitte. “Wir befinden uns momentan hier und dort ist unser Ziel.”
Der Captain beugte sich etwas über den Tisch und wies auf einen blauen Punkt, der den Exoplaneten Kepler-186f abbildete.
“Gemeinsam werden wir die Landevorbereitungen treffen, damit diese erfolgreich sein wird. Wir müssen dafür eng zusammenarbeiten, daher erwarte ich von jedem Einzelnen Professionalität, Pünktlichkeit und eine korrekte Arbeitsweise. Wir müssen uns aufeinander verlassen können, ansonsten wird diese Mission kläglich scheitern. Was das bedeutet, muss ich euch nicht sagen.”
Die Gesichter der Crew waren ernst, sie nickten.
Der Isländer nahm wieder Platz. “Wenn du dich bitte vorstellen würdest”, bat er den Mann links von ihm. “Anschließend geht die Vorstellungsrunde im Uhrzeigersinn herum.”
“Ich bin Victor Alexej Lasarow und Astrophysiker”, begann der Mann. “Ich komme aus Russland, aus dem schönen St. Petersburg.”
Der Russe mit seinem Dreitagebart sah eher wie ein Model aus einem Werbespot für Zahnpasta oder Shampoo aus als wie ein Wissenschaftler. Sein schwarzes Haar war seitlich kürzer geschnitten als in der Mitte, wo es etwas länger und leicht wuschelig war. Die gerade Nase und die dunklen Augen verliehen ihm etwas Unnahbares.
“Würdest du uns bitte etwas über unseren Zielort berichten”, bat Albertsson.
“Selbstverständlich. Mittlerweile sind wir 500 Lichtjahre von unserer alten Erde entfernt und im Sternbild Schwan angekommen. Unser Ziel kreist in 130 Erdentagen um Kepler-186. Er ist ein sogenannter roter Zwergstern und ist somit unsere neue Sonne. Unsere neue Erde heißt Kepler-186f und ist ungefähr 20 % größer als die alte. Die Achse ist stabil, daher können wir davon ausgehen, dass wir regelmäßige Jahreszeiten haben werden”, referierte der Astrophysiker.
Er unterbrach kurz und sah Conrad lächelnd an: “Selbstverständlich hat der Planet eine Atmosphäre.”
“Danke. Das reicht erst einmal”, urteilte der Captain.
Ein breitschultriger Mann begann zu sprechen. Er hatte einen olivbraunen Teint und dichtes schwarzes Haar, das er nach hinten gekämmt hatte.
“Zunächst einmal: Mir geht es wieder besser, die Nebenwirkungen vom Hyperschlaf waren allerdings übel. Mein Name ist Giovanni Borgarello und ich bin aus bella italia. Ich bin Biologe. Genauer Astrobotaniker”, sagte er. “Außerdem koche ich sehr gerne und mache die zweitbesten Spaghetti der Welt.”
“Wer macht denn die besten Spagetthi der Welt?”, fragte Theodor vorlaut.
“Meine Mama, natürlich!”, behauptete Giovanni und zwinkerte ihm zu. Captain Albertsson räusperte sich: “Dann wäre das geklärt. Kannst du bitte fortfahren?”
Der Italiener nickte: “Si. Ich bin an Bord für die Pflanzen zuständig. Später, wenn wir auf dem Exoplaneten sein werden, werde ich die dortige Fauna bestimmen und erforschen. Welche Tiere es auf Kepler-186f gibt, kann ich zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht sagen. Das wird eine Überraschung werden.”
Als nächstes sprach eine Frau mit langen glatten und leicht rötlich schimmernden Haaren. Sie trug eine schwarze Sonnenbrille auf der Nase.
“Würdest du bitte die Brille abnehmen”, forderte der Isländer.
“Pardon”, murmelte die Frau und setzte die Brille ab. Dahinter kam ein Sommersprossen gesprenkeltes Gesicht mit grün leuchtenden Augen hervor. Der Duft ihres Parfüms, das nach Rosenblätter roch, überdeckte den Geruch nach Desinfektionsmittel, der überall im Raumschiff herrschte.
“Salut, ich bin Astrochemikerin”, sagte sie. “Mein Name ist Fabienne Moreau und ich komme aus Frankreich. Ich habe mich mit der Entstehung und der chemischen Entwicklung unseres Sonnensystems und Objekten planetarer Masse beschäftigt. Meine Aufgabe wird sein, die chemische Zusammensetzung von Kepler-186f zu erforschen.”
Damit beendet sie auch schon ihre Vorstellung und setzte sogleich ihre Sonnenbrille wieder auf. Die ganze Zeit hatten die Jakoby Brüder unauffällig die Person, die kerzengerade neben der Französin auf ihrem Stuhl saß, beobachtet.
War es eine Frau, die ein Roboter war oder war es ein Roboter, der eine Frau war?
Ihr Oberkörper und die Oberarme waren mit einem dunkelblauen Stoff bedeckt. Das Gesicht und die Hände waren mit einem hautähnlichen Material überzogen. Hals und Unterarme waren dagegen durchsichtig. So konnte man deutlich die Kabel, die sich im Inneren befanden, erkennen.
Ihre Augen waren hellblau und besaßen zwei schwarze Stäbchen als Pupille, was etwas beängstigend aussah.
“Mein Name ist Adana”, sagte sie. “Ich bin eine Androidin. Bis jetzt habe ich das Raumschiff gesteuert. Ich habe die Crew aus dem Hyperschlaf geweckt.”
Sie machte nach jedem Satz eine minimale Pause. Es fehlte jegliche Mimik, als sie weitersprach: “Ich unterstütze Captain Baldur Óscar Albertsson bei seiner Arbeit. Regelmäßig synchronisiere ich mich mit dem Bordcomputer.”
Der Captain nickte und fügte hinzu, dass Adana auf den neuesten Stand der humanoiden Robotertechnik sei.
“Wir haben also ein hoch entwickeltes Maschinenwesen an Bord und darauf bin ich sehr stolz”, ließ Albertsson die Crew wissen.
Theodors Herz begann heftig zu schlagen, denn nun war er an der Reihe sich vorzustellen. Was sollte er sagen? Sollte er fragen: “Wo ist die Tür zum Planetarium?” Lieber nicht, denn der Captain verstand keinen Spaß, wie er festgestellt hatte.
Er warf seinem älteren Bruder einen hilfesuchenden Blick zu. Doch dieser zuckte nur mit den Achseln.
“Und Sie, äh, du bist der Seelenklempner?”, fragte der Biologe unerwartet.
Zögernd nickte Theodor. Er musste schwer schlucken, um den Kloß in seinem Hals hinunter zu bekommen. “Äh … ja, das bin ich. Mein Name ist Theodor Jakoby und ich bin aus Stuttgart in Deutschland. Ich habe Psychologie studiert. Eigentlich bin ich Psychoanalytiker und habe mein Studium an der Sigmund Freud Privatuniversität in Wien absolviert.”
Diese Erklärung kam Theodor wie selbstverständlich über die Lippen. Er konnte es sich selbst nicht erklären, aber er wusste, dass er das erforderliche psychologische Fachwissen besaß.
“Die internationale Weltraumbehörde Universo war der Meinung, dass ein Psychologe auf so einer Mission sinnvoll wäre. Ich stehe als Ansprechpartner bei emotionalen Fragen und Problemen zur Verfügung”, teilte er abschließend mit.
Conrad staunte nicht schlecht, denn bisher hatte er keine Ahnung gehabt, wie gut sein Bruder lügen konnte. Als nächstes müsste er sich eine glaubhafte Lügengeschichte einfallen lassen, wieso er auf diesem Raumschiff war und zu dieser Crew gehörte. Ob ihm das gelingen würde? Wäre es nicht besser die Wahrheit zu sagen?
Conrad rutschte unruhig auf seinem Stuhl hin und her. “Also, ich bin Conrad Jakoby und bin ebenso aus Stuttgart. Wir wohnen in dem Stadtteil Heumaden in einer Mietwohnung und … äh … Mein zwei Jahre jüngerer Bruder Theodor und ich waren heute Vormittag mit unserer