Kathrin Noreikat

Das Kombiticket


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      Conrad lief hinterher. Sein Bruder hatte es geschafft den Roboter einzuholen und hielt ihn an seinem seitlich herabhängenden Greifarm fest. “Hallo R2D! Wo ist 3CPO?”

      Mit einer metallischen Stimme antwortete der Roboter: “Mein Name ist nicht R2D2. Mein Name ist Eddy-04. Lass mich los.”

      Das tat Theodor und sofort setzte er seine Fahrt fort, um hinter der nächsten Ecke zu verschwinden.

      “Hier steht Deck 9”, sagte Conrad und zeigte mit dem Finger auf die Wandbeschriftung. Alle paar Meter war eine dunkelgraue Tür mit einem runden aus Milchglas bestehenden Fenster.

      Unter dem Türfenster standen verschiedene Nummern und Namen:

      B09-124 - Noam Silbermann, B09-122 - Amanda McKinsey, Andrew McKinsey, Zoe McKinsey und B09-120 Seraphina Karakurt und Mehmet Karakurt.

      Conrad kratzte sich am Kopf. “Ich glaube, wir sind gar nicht mehr im Planetarium.”

      “Wo sind wir dann?”, fragte sein Bruder.

      “Wir waren doch letztes Jahr im Urlaub auf einem Kreuzfahrtschiff. Ich finde, das sieht hier genauso aus.”

      Conrad wies auf die vielen Türen. “Das sind die Kabinen der Passagiere.”

      “Meinst du, wir sind auf einem Kreuzfahrtschiff?”

      Conrad schüttelte heftig den Kopf. “Nein, nicht auf einem Kreuzfahrtschiff. Denk doch mal nach! Wir sind auf einem Raumschiff! R2D2, äh, Eddy-04 oder wie der Roboter sich nannte, ist Beweis genug. Außerdem erinnert mich dieser Flurgang an die Szene, in der Chewbacca von den imperialen Sturmtruppen in Handschellen abgeführt wird. In welcher Episode das war, weiß ich allerdings nicht mehr.”

      Theodor riss seine Augen weit auf. “Echt jetzt? Cool!”

      Conrad nickte. “Komm, lass uns das Raumschiff erkunden!”

      “Ja!”, jubelte sein Bruder. “Aber danach gehen wir zurück zu Tante Ruth, okay? Die macht sich bestimmt Sorgen, wo wir so lange bleiben.”

      “Klar”, meinte Conrad.

      Von der Abenteuerlust gepackt liefen die Brüder den Gang entlang, folgten dem Hinweis zum “Fahrstuhl B”.

      Dort angekommen, öffneten sich die Türen automatisch. Sie taten ein. “Türe schließt”, sagte eine Computerstimme. “Wohin wollen Sie?”

      Es gab keine Knöpfe in dem Lift, sondern nur eine Auflistung der Decks und einzelne Schlagwörter wie Kino, Krankenstation oder Frachtraum 1 bis 40.

      Conrad entschied spontan und sagte laut: “Deck 7”.

      Wenige Sekunden später erklärte die Stimme: “Deck 7. Türe öffnet sich.”

      Die Brüder machten ein paar Schritte hinaus auf den Korridor. Er sah nicht wesentlich anders aus als der von Deck 9, von dem sie gerade kamen. “Fitnessraum” war an der Wand mit einem Pfeil nach links zu lesen.

      Theodor und Conrad fuhren noch mehrmals mit dem Fahrstuhl hinauf und wieder hinab. Sie waren immer auf der Suche nach einer spannenden Entdeckung. Es begegneten ihnen weder Menschen noch weitere Roboter. Das Raumschiff wirkte wie ausgestorben. Auf den unterschiedlichen Decks versuchten die Brüder die Kabinentüren zu öffnen, allerdings verweigerte ihnen der jeweilige Bewegungsmelder den Zutritt. Das Vorhaben, später zurück zum Planetarium zu gelangen, bestand weiterhin, trotz der Begeisterung auf einem Raumschiff zu sein.

      Wie viel Zeit mit dem Erkunden vergangen war, konnten die Brüder nicht sagen. Theodor war müde geworden. Er hatte keine Lust mehr und wollte nach Hause. Wenig später stellte er resigniert fest: “Wo ist die Tür? Wir sind in einem Labyrinth gefangen. Wir werden nie wieder rauskommen.”

      “Ach, Quatsch!” Conrad legte seinen Arm um die Schulter seines Bruders.

      “Natürlich werden wir einen Weg zurück zum Planetarium finden.”

      Eine kleine Träne tropfte aus Theodors linkem Auge. Conrad nahm ihn in den Arm. So verharrten die Brüder eine Weile, bis sie erschrocken zusammenzuckten. Eine weibliche Computerstimme hallte durch das Raumschiff: ”Alle Crewmitglieder sofort in Raum A14-011.”

      Conrad und Theodor lösten sich aus ihrer Umarmung, blickten sich fragend an. Theodor hob die Augenbrauen. “Crewmitglieder? Sind wir damit gemeint?”

      Sein Bruder zuckte mit den Schultern, entschied spontan: “Wir gehen dorthin, Theo. Wenn es eine Crew gibt, gibt es auch einen Captain und der kann uns sicher den Weg zurück zum Planetarium zeigen.”

      Lächelnd nickte Theodor.

      Kapitel

      Die Brüder fanden den Raum A14-011 dank der Wandbeschriftung auf dem obersten Deck.

      Es war ein Besprechungsraum. In der Mitte stand ein großer ovaler Tisch. Um ihn herum saßen bereits sechs Personen. Der Mann am Kopfende des Tisches donnerte: “Sehr schön, da kommen die Jakoby Brüder. Lieber spät als nie!”

      Woher er ihren Nachnamen kannte, konnten sich Theodor und Conrad nicht erklären. Sie murmelten ein “Hallo!” und setzten sich unverzüglich auf die noch zwei freien Plätze. Neugierig blickte Conrad in die aus Männern und Frauen bestehende Runde. Jeder trug die gleiche marineblaue Uniform wie er und sein Bruder. Sein Blick wanderte zur Zimmerdecke. Dort war eine Glaskuppel, allerdings drang kein Sonnenlicht hinein. Trotzdem war der Raum durch unzählige LED-Lampen hell erleuchtet.

      “Jetzt, da wir vollzählig sind, können wir endlich anfangen”, ließ der Mann am Kopfende alle unüberhörbar wissen.

      Der Mann war Ende 40 und war wie eine Naturgewalt. Er trug einen Schnauzbart und hatte dunkelblondes Haar, das leicht gewellt war. Mit lauter und tiefer Stimme begann er: “Willkommen auf der Invictus! Ich bin Baldur Óscar Albertsson, Captain und Steuermann. Normalerweise steuere ich das Raumschiff, doch momentan übernimmt dies der Autopilot bzw. der Bordcomputer.

      Die neu gegründete internationale Weltraumbehörde Universo hat mich zu einem Teil dieser bedeutenden Mission gemacht. Dafür bin ich ihr sehr dankbar und ich bin stolz, Teil dieser Crew zu sein. Ich hoffe auf eine gute Zusammenarbeit!”

      Er schaute in die Runde und erntete Zustimmung. Danach fuhr er fort: “Obligatorisch muss ich auf die Hausordnung hinweisen, die ihr auf euren Computern in den Kabinen abrufen könnt. Alkohol, Drogen und der Konsum von Tabak sind strengstens verboten. Jegliche Art von Glücksspiel mit oder ohne Geldeinsatz ist nicht erlaubt, offenes Feuer wie Kerzen anzünden ist in den Kabinen oder in sonstigen Räumen ebenfalls verboten. Liebesbeziehungen auf dem Raumschiff innerhalb der Crew oder mit Kolonisten ist nicht gestattet. Später auf dem Exoplaneten soll jeder sein Glück suchen.”

      Der Captain hielt kurz inne. “Jetzt schlage ich vor, dass wir uns kurz gegenseitig vorstellen. Wir haben uns zwar vor der Abreise, die bereits eine ganze Weile her ist, kennengelernt. Trotzdem kann es nicht schaden. Außerdem sollten wir uns duzen, denn das ist bei uns Isländern so üblich.”

      Es sollte wohl so ein Art Freundschaftsangebot von ihm sein und obwohl sich Albertssons Mund zu einem Lächeln verzog, blieben seine hellblauen Augen kalt. Einstimmiges Gemurmel der Crew.

      “Sehr schön”, fuhr er fort. “Wie gesagt, mein Name ist Baldur Óscar Albertsson. Ursprünglich komme ich aus Akureyri. Das ist eine Stadt im Norden Islands. Wir sind auf der Invictus. Unsere Mission heißt Novum und wird uns uns zu Kepler-186f führen.”

      Conrad spitzte die Ohren. Er erinnerte sich an das Buch “Das unendliche Weltall”, welches er kürzlich zu Weihnachten geschenkt bekommen hatte. Aus diesem Buch wusste er, dass Johannes Kepler ein deutscher Astronom, Physiker, Mathematiker und Naturphilosoph gewesen war. Nach ihm war ein Weltraumteleskop benannt worden. Dieses hatte zahlreiche erdähnliche Planeten entdeckt.

      Conrad widersprach dem Captain: “Soweit ich weiß, ist Kepler-186f unbewohnbar. Die Wissenschaft ist sich nicht sicher, ob er überhaupt eine Atmosphäre hat.”