Hugo von Velocia

Ein Lindwurm unter Wölfen


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      „Du sagtest doch ich dürfte alles tun... aber weh tun wollte ich dir nicht“, sagte der Wolf etwas zurückhaltend und vergrößerte den Abstand um in Ruhe die Antwort abwarten zu können.

      „Ja, darfst du auch. Aber wenn ich mich verteidige, könnte ich dich vielleicht verletzen. Und es soll doch nur ein Trainingskampf bleiben. Also übertreib es lieber nicht, Kleiner", meinte der Lindwurm und war nun fest entschlossen, dem Wolf nicht noch einmal an seinen Flügel heranzulassen.

      „Ich habe kein Problem damit, verletzt zu werden. Schließlich würde mich ein echter Drache auch nicht verschonen. Du wirst es schon nicht übertreiben und es sicher merken wenn es genug ist. Ich muss lernen und das ist der beste Weg um zu lernen.“ Velyne fing an zu knurren und lief wieder dem in einen kleinen Gründrachen verwandelten Lindwurm entgegen.

      Doch diesmal wich der Lindwurm im letzten Moment diesem Angriffsversuch aus. „Hehehe, noch einmal lasse ich dich nicht an meine Flügel ran.“ Da der Wolf gerade keine Deckung hatte, versuchte der Lindwurm, ihn mit einem schnellen Feuerstrahl zu erreichen. So lange er in einen Drachen verwandelt war, hatte er auch all die Fähigkeiten, die das Wesen hatte, in das er sich verwandelte. Und bei einem Drachen konnte er unter diesen Umständen auch Feuer einsetzen. Doch da der Lindwurm nicht besonders geschickt bei diesem Versuch war, verfehlte er Velyne deutlich.

      Velyne wurde bewusst das ein echter Drache ihn jetzt getroffen hätte, denn mit so einem Strahl rechnete er nicht. Schnell dachte er nach, was er tun könnte und murmelte dann: „Hm, das könnte klappen“, und lief wieder in die Richtung des Lindwurms. Diesmal lief er geschickt um ihn herum und biss in seinen Schweif ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen. Er wollte rechtzeitig entkommen können, falls sich der Lindwurm umdrehen sollte.

      Der Lindwurm knurrte ärgerlich, als Velyne ihm am Schweif erwischt hatte, doch so schnell gab er nicht auf. Er hob den Schweif und versuchte, damit auf den Wolf einzudreschen. Natürlich nicht mit aller Kraft, sondern nur so stark, dass es für den Wolf bei einem Treffer zwar schmerzhaft war, aber nicht zu ernsthaften Verletzungen kommen konnte.

      Velyne lächelte innerlich. Es lief alles wie geplant. Sobald der Lindwurm ihn mit dem Schweif aufhob, löste er seinen Biss und landete auf den Ansätzen der Flügel. Mit einem schnellen Sprung, heftete er sich an den Nacken des Drachens und schien dabei tatsächlich eine Stelle erwischt zu haben, wo die Hautschuppen etwas schwächer ausgebildet waren. Dort versuchte er zuzubeißen.

      Der Lindwurm knurrte wütend auf, denn damit hatte er nicht gerechnet. Verzweifelt versuchte er den Wolf von seinem Nacken herunterzuschütteln, doch es gelang ihm einfach nicht. Der Biss des Wolfes tat ganz schön weh und das machte den Lindwurm nur noch wütender.

      Velyne war fest entschlossen nicht nachzugeben, da es da draußen nur so von Drachen wimmelte. Und falls der Lindwurm das Training unterbrechen wollte, würde er sich schon melden, dachte er sich und biss so fest zu wie er nur konnte.

      Das genügt. Du hast gewonnen, Kleiner. Aber glaube nicht, dass du es mit anderen Drachen auch so leicht haben wirst. Die sind oft noch einiges größer als dieser kleine Drache hier und viele von ihnen können sicher weit besser kämpfen, als ich“, erklärte der Lindwurm.

      Velyne löste seinen Biss und sprang von dem Lindwurm hinunter. Er kam sich weder gut noch als Sieger vor. Er wusste das der Lindwurm Recht hatte. „Ja, du hast völlig Recht, aber jetzt kann ich in etwa einschätzen wie ein Kampf mit Drachen ist. Vorher hatte ich keine Ahnung davon.“

      „Gut so, Kleiner. Es ist immer gut, ein wenig Ahnung zu haben. Es ist zwar nicht sehr wahrscheinlich, dass du vielen Drachen begegnen wirst, aber falls doch, dann weißt du wenigstens, wie du dich verhalten musst. Und je mehr Übung du bekommst, desto besser wirst du.“ Der Lindwurm nahm jetzt wieder seine normale Lindwurmgestalt an. Damit fühlte er sich immer am wohlsten.

      „Hm, aber Drachen gibt es zu Genüge“, sagte der Wolf und schaute den Lindwurm etwas fragend an. Der Lindwurm schien viel mehr Ahnung von Drachen zu haben als Velyne selbst.

      „Ja, aber wenn du immer aufmerksam auf deine Umgebung achtest, dann kannst du sie rechtzeitig bemerken und ihnen aus dem Weg gehen. Zumindest wenn du Glück hast. Auch mir gehen viele Tiere aus dem Weg. Aber ich schaffe es trotzdem, genug zu erbeuten. Ganz sicher wirst du dir also nie sein können. Aber ein aufmerksamer Wolf ist auch für einen Drachen oft nur schwer zu erwischen.“

      „Ich bin nie besonders aufmerksam gewesen. Meistens träume ich den halben Tag lang.“

      „Das ist ein großer Fehler, Velyne. Wenn du ein Rudel Wölfe um dich hast, dann kannst du auch mal etwas träumen. Da gibt es genug Augen um dich herum, die deine Umgebung im Auge behalten. Aber als einzelner Wolf muss man selbst auf sich und seine Umgebung achten“, entgegnete der Lindwurm lächelnd.

      „Also einen richtigen Drachen habe ich erst einmal getroffen, aber schon viele Geschichten über sie gehört von Wölfen die ihnen zum Opfer gefallen sind. Aber von euch Lindwürmern haben sie noch nie erzählt. Ich meine es jetzt ja nicht böse. Aber kein Wolf hat mir je von einem Lindwurm erzählt.“ Velyne wischte sich mit der Pfote über die Schnauze.

      „Das wundert mich nicht. Es gibt nicht besonders viele Lindwürmer. Die meisten Wölfe bekommen niemals einen zu sehen. Und diejenigen, die einen sehen, können es in der Regel nicht mehr weitererzählen.“ Der Lindwurm kicherte und kraulte dem Wolf das Fell.

      Velyne grinste ein wenig, er wusste was der Lindwurm damit meinte. Als der Lindwurm ihm über das Fell kraulte entspannte sich der Wolf . Dieses Kraulen mochte er ganz besonders gern. „Ich werde es bestimmt auch nicht weitererzählen, das geht auch niemanden was an“, verkündete der Wolf, und schnurrte leise.

      „Der Lindwurm schnurrte und kuschelte sich einen Moment etwas an das Wolfsfell an und gähnte. Er war ziemlich müde. Das lange Kämpfen war doch ziemlich anstrengend für ihn gewesen, doch vor dem Wolf wollte er das natürlich nicht zugeben. Er versuchte eher den Eindruck zu erwecken, als sei er noch topfit.“ „Na ja, du könntest ja allen Leuten erzählen was ich für ein großer und guter Kämpfer bin. Und du könntest allen sagen, wie unglaublich beeindruckend du mich findest“, schlug der Lindwurm grinsend vor.

      Velyne dachte kurz nach und verneinte dann. „Dann wäre das Geheimnis der Lindwürmer doch offenbart und dass wäre nicht gerade sinnvoll, oder?“, fragte er und sprang putzmunter auf seinen vier Pfoten herum.

      „Hm stimmt. Dann behalte es wohl doch besser für dich. Je weniger Tiere wissen, dass hier ein Lindwurm herumstreift, desto besser für mich“, meinte der Lindwurm kichernd. „Es ist zwar schade, dass niemand von meinen... äh... großen Heldentaten erfahren wird, aber echte Helden, wie ich, leben eben im Verborgenen.“ Der Lindwurm hatte die größte Mühe, nicht über sich selbst zu lachen.

      Velyne konnte sich das Lachen auch kaum verkneifen. Hin und wieder musste er eine Pfote vor sein Maul drücken um nicht zu lachen. „Na ja, Heldentaten... hehe... das ist dann wohl Ansichtssache. Also deinen Opfern, an denen du deine Heldentaten ausübst... die würden das sicher nicht so bezeichnen“, sagte der Wolf und grinste frech.

      „Die Opfer vielleicht nicht. Aber jeder andere schon. Was glaubst du, wie viele Drachen hier herumlaufen würden, wenn ich nicht ab und zu mal ein paar erbeuten würde? Auch Wölfe wie du, sollten mir dafür dankbar sein. Immerhin gibt es dadurch weniger Kreaturen, die euch gefährlich werden könnten“, erwiderte der Lindwurm und grinste breit.

      „Aus dieser Sicht gesehen hast du Recht.“ Velyne lächelt freundlich und gluckste ein wenig. Dann ging er langsam zum Lindwurm und schleckte ihm über seine Schuppen am Bauch, als Zeichen seiner Dankbarkeit.

      Der Lindwurm drehte sich auf den Rücken und ließ sich den Bauch abschlecken. Dabei begann er genüsslich zu schnurren. Nach einer Weile wurde er nachdenklich und grübelte vor sich hin. „Hm glaubst du, dass hier in der Nähe auch noch Drachen sein könnten?", fragte er.

      „Hm, ich weiß nicht, ich kenne diese Gegend auch gar nicht. Aber so lange du bei mir bist, habe ich auch vor Drachen keine Angst. In deiner Nähe treibt bestimmt kein Drache sein Unwesen“, sagte Velyne und schleckte weiterhin den Lindwurm ab