Günther Frühmorgen

ESCAPER Stories / Band 1


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und größer. Bis der ganze Himmel ins Kreiseln kommt. Und der Qualm sich zu riesigen schwarzen Wolken aufbauscht. Und die Leute gaffen und kreischen. Autos irren hupend durch die Gegend. Und Zeitungsreporter rennen herum und können wieder was auf ihre Titelseiten schmieren:

      11-Jähriger löst Tornado aus!

      Was alles so passiert, wenn Du gerade mal 11 geworden bist. Die Spur des Tornados sieht man heute noch, quer durch den ganzen Mittleren Westen der USA. Mich seht Ihr so schnell nicht wieder.

      VERDAMMT. Eines Tages werden sie mich erwischen! Tot oder ledig. Auch dieser 17. Mai ist wohl noch nicht verjährt. Bei so was rechnen die 30 Jahre oder mehr. Flucht nach vorne, das ist der einzige Ausweg. Deshalb bewarb ich mich mit 22 bei Senator Robert Baker als Sekretär. Bemerkenswerter Job. Ich durfte kesse junge Damen aufreissen, um sie in den Quorum Club zu schleppen, einer ersten Adresse in Washington für Politics & Sex. Vom Quorum Club zum Weissen Haus ist ein kurzer Weg. Ich chauffierte manche der jungen Damen. Die beste, eine aus Berlin, hatte ihren eigenen roten Mustang, mit dem sie tagelang um den Obelisken kreiste. Bis sie verschwand. Kreisel und Wirbel.

      Gestern nacht: wieder mal von Polizeisirenen geträumt. Oder Feuerwehrsirenen? Ich renne in einen Zirkus, muß mich verstecken. Da ist ein Schwertschlucker. Ich nehme Anlauf und springe in seinen offenen Schlund. Seine halbnackte Assistentin wippt heran und wirbelt mit neckischen Glöckchen an den Brüsten. Sie kreiselt ein paar Mal herum. Dann reicht sie ihm das Schwert. Stürmischer Applaus.

      Aufpasser

      Ich erzähle ihnen was. Von meinem Job in der Wiener Stadtsparkasse. Das Motto der Stadtsparkasse war immer: Gutes Geld ist nie schlecht.

      Ich war dort als Aufpasser angestellt. Ich sollte Leute und Auffälligkeiten beobachten. Als Aufpasser war ich hoch angesehen. Viel höher als bei Lisi, meiner Ehefrau. Lisi sah mich oft so schief an, daß ihr regelmäßig die Brille in die Suppe rutschte. Ich mußte dann zusehen wie sie diese genüsslich zerbiß, ohne mir ein Stück davon abzugeben.

      In der Wiener Stadtsparkasse war ich als Aufpasser in der Tat so hoch angesehen, daß mich Heribert Pilch, einer der Direktoren, öfter hereinbat, um oben auf dem Schrank nachzusehen, ob da sein Hut läge. Oder ob er ihn doch wieder im Bus liegen gelassen hatte. So hoch, daß Silvi Sabathiel und Mitzi Meiringer, kurvenreiche Sekretärinnen der Bank, mich öfter baten, auf dem Hochschrank nachzusehen, ob Heribert Pilch wieder da oben läge und auf sie herunterspähe.

      Das Auffälligste, das ich als Aufpasser in der Wiener Stadtsparkasse beobachtete, war der Banküberfall. Die Räuber stellten mich sofort an die Wand, nahmen mir meine Smith&Wesson und mein Herrenmagazin ab. Dann holten sie Heribert Pilch von Silvi Sabathiels und Mitzi Meiringers Hochschrank herunter. Die maskierten Räuber zwangen mich, die Wiener Gendarmerie anzurufen, um Bedingungen für ihren freien Abzug zu besprechen. Ich suchte im Telefonbuch. Als man gerade dabei war, Tüten mit Geld zu füllen, überlegten die Räuber es sich plötzlich anders. Sie wollten statt Geld nun lieber Silvi Sabathiel und Mitzi Meiringer. Jetzt allerdings gab es erbittertsten Widerstand von Heribert Pilch. Nach einer Stunde zähen Ringens mußte Silvi Sabathiel auf die Toilette. Und Mitzi Meiringer bestand darauf, daß die Räuber sich rasierten.

      Wir waren alle in der Gewalt der Bankräuber. Ich sollte also telefonisch mit der Gendarmerie den freien Abzug des Räuber mit den Geiseln aushandeln. Erst später merkte ich, daß ich die ganze Zeit versehentlich einen Blumenladen im 12. Bezirk an der Strippe gehabt hatte.

      Die Bankräuber boten inzwischen Heribert Pilch für die beiden Sekretärinnen genau den Geldbetrag, den er in seinem Geldbeutel in der Hosentasche mit sich führte. Heribert Pilch linste verstohlen in seinen Geldbeutel – und lehnte ab. Es war ihm zu wenig. Die Räuber verlangten nun Einsicht in die Personalakten – vor allem in Silvi Sabathiels und Mitzi Meiringers Menstruationskalender. Die Lage spitzte sich zu.

      Um 14:57 ließ man Silvi Sabathiel ein Telefonat nach draußen führen, um einen Frisörtermin zu vereinbaren. Um 15:04 wollte Heribert Pilch zurück auf den Hochschrank. Genau um 15:11 kam Mitzi Meiringer frisch gepudert von der Toilette zurück. Um 15:29 verließen die Räuber die Bank fluchtartig, als sie merkten, daß der Kondom-Automat der Bank Kondome mit abgelaufenem Datum herausgegeben hatte. Als Fluchtauto diente nach Zeugenaussagen ein roter Opel Astra.

      Stellen Sie sich vor, ich hätte nicht versehentlich diesen Blumenladen im 12. Bezirk an der Strippe gehabt. Und stattdessen tatsächlich mit der Gendarmerie telefoniert. Dann hätte es eine mörderische Schießerei gegeben. Und Silvi Sabathiel und Mitzi Meiringer hätten womöglich mit den Räubern gehen müssen, die heute ein luxuriöses Leben auf den Bahamas führen. Kann sein, der Blumenhändler im 12. Bezirk hätte vielleicht nicht zwei Jahre lang seine Tageskasse in Tüten und seine Frau als Geisel im Kühlraum bereitgehalten.

      Merengue

      Mir fällt nun Konrad Kottan ein. Konrad Kottan wuchs im 9. Bezirk auf. Mit 16 fand er in der Straßenbahn unter einem Sitz eine Musikkassette. Die Musik darauf war Merengue, und Konrad gefiel nichts mehr besser. Aber nicht einmal Margarete Dormeier, seine Internatslehrerin, wußte wie man auf Merengue tanzt. Es blieb Konrad also nichts anderes als ein Herumprobieren. Der deutsche Wissenschaftler Heinroth hat uns aufgezeigt wie Vögel, die nicht ihren Gesang bei Artgenossen nachahmen können, durch ein freies Herumprobieren zu einer ganz passablen Art des Gesangs kommen. Genauso lernte Konrad in freier Selbstnachahmung Merengue tanzen. Dann trat Konrad Kottan der Gendarmerie bei. Eines Abends, er war mittlerweile Major, parkten sie auf einer Donaubrücke. Darunter hörte man Jugendliche im Party-Rausch. Konrad entschloß sich, unauffällig die Lage zu inspizieren. Er stolperte die Böschung hinab. Autos standen unter einem Bogen der Donaubrücke im Kreis, aus einem roten Opel mit offenen Türen dröhnte Merengue. Konrad war außer sich und tanzte stundenlang Merengue. So wie er es sich in freier Selbstnachahmung beigebracht hatte. Wodurch fünf der meist minderjährigen Mädchen entjungfert wurden. Eine weitere trug eine neunmonatige Schwangerschaft davon.

      Haha, werden Sie sagen - das glaubt kein Mensch. Sie lassen sich nicht auf den Arm nehmen, was? Da haben Sie recht. Denn es war nicht Konrad Kottan, der die Musikkassette in der Straßenbahn fand, sondern Traudi Westermeier aus dem 7. Bezirk. Und es war Traudis Musiklehrerin Ursula Scheierl im Lyceum, die von Merengue keine Ahnung hatte. Traudi brachte sich also in freier Selbstnachahmung den Merengue-Tanz bei. Und zu ihrem 20. Geburtstag reiste sie mit ihrer Mutter, Martha Westermeier, nach Santo Domingo. Dort zog es Traudi in eine Strandbar, in der Merengue gespielt wurde. Mit verschiedenen Tanzpartnern tanzte sie bis zum Morgengrauen Merengue. So, wie sie es sich in freier Selbstnachahmung beigebracht hatte. Wovon sie 25-fach geschwängert um vier Uhr morgens zu ihrer Mutter ins Hotel zurück schlich.

      Joh.

      Hotel Mozart

      Draußen stehen fünf von der Wiener Gendarmerie. Sie drängen sich vor der Zimmertür zusammen, halten ihre Köpfe und die Pistolen still.

      „ - Aber was!!!“ schreit er. Springt aus dem Bett ihres Mundes.

      „Polizeeii!!!“ Die Zimmertür schlägt an die Wand. PACK.

      Auf und nieder zucken ihre Pistolenläufe, auf und nieder, zur Wand, und des blonde Flitscherl a aba schnell!

      Er steht mit dem Gesicht zur Wand, zwischen seinen erhobenen Armen schaut ein Mozartbild heraus.

      Sie zerren die Blonde auf den Teppich, sie stößt nach ihnen mit einem wuthellen Schrei.

      Major Kottan steht mit gespreizten Beinen hinter ihm, hält ihm seine Pistole ins Genick. Jetz hamma di, du Strizzi!” sagt er, zündet sich eine Zigarette an.

      Die anderen durchsuchen das Hotelzimmer. Einer findet den Paß in seiner Aktenmappe. "Georg Haslbach aus Deitschland," liest er vor.

      „Obacht!!!“

      Sie spritzen auseinander,