Victoria M. Castle

Joayna


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als er sie berührte, fühlte es sich an, als zuckten kleine unsichtbare Blitze durch ihren Körper.

      Sie sah auf, direkt in seine Augen. Er lächelte noch immer.

      Seine Augen waren auf sie gerichtet. Mit der einen Hand hielt er Keiheera, mit der anderen warf er das Feuer immer wieder hoch und fing es auf.

      „Sag mir, Kleine, wie heißt du?“

      Die Stimme des Mannes war von leichtem Krächzen untermalt und ziemlich schwach. Dafür war sein Ausdruck umso stärker.

      Keiheera wollte von seinen Knien rutschen, aber er hielt sie fest. Sie blickte wieder hoch.

      Auf einmal überkam sie etwas, womit sie überhaupt nicht gerechnet hatte: Wohlige Wärme durchlief ihren Körper und auf eine komische Weise fühlte sie sich geborgen.

      Stotternd sagte sie: „Kei...he....Keiheera.“

      Der Mann lächelte.

      „Fein. Nenn mich Ardanos.“

      Keiheera nickte. Sie zitterte nicht mehr, sie lächelte leicht. Ein unbekümmertes Kinderlächeln.

      Ardanos setzte sie sanft auf den Boden ab. Er lehnte sich wieder in seinen Thron und hustete ein paar Mal. Dann blickte er zu Fileidon, der währenddessen weiter weg gestanden hatte.

      Schließlich winkte er ihn zu sich.

      Fileidon und Ardanos wechselnden ein paar Worte, zu leise, dass sie Keiheera hätte verstehen können. Dann drehten sich beide sich zu ihr.

      Von hier sah sie nun, dass Fileidon noch ziemlich jung sein musste, so alt, wie die Männer auf dem Dorf, die gerade in den Krieg ziehen durften. Er hatte rabenschwarze, bis zu den Schultern reichende Haare und hier sah sie, dass seine Augen eigentlich blau waren.

      Sowohl er als auch Ardanos lächelten.

      Fileidon ging zu ihr, seine Flügel waren inzwischen verschwunden. Als wären sie niemals da gewesen.

      Er nahm sie an der Hand und führte sie langsam wieder aus dem Saal.

      Noch einmal blickte Keiheera sich um.

      Ardanos saß weit nach hinten in seinen Thron gelehnt. Er warf gerade noch einmal die Feuerkugel hoch, diese flog weiter nach oben, fast bis zum Kuppeldach des Saales.

      Plötzlich riss Keiheera sich aus Fileidons Griff und rannte vor den Thron. Als das Feuer hinuntergefallen kam, fing sie es auf.

      Es war kalt und kitzelte ihre Hand.

      Keiheera lachte und Ardanos auch etwas.

      Fileidon kam zu ihr, lächelte sie an und führte sie dann aus dem Saal.

      Erster Teil

      Kapitel 1

      Ein neuer Tag begann.

      Die Sonnenstrahlen bahnten sich ihren Weg geradewegs durch das Fenster eines großen Schlosses, aus beigen Stein gebaut, und kitzelten die Nase eines Mädchens.

      Lächelnd zog dieses die Decke von ihrem schlanken, sehr zierlichen Körper, richtete ihren Oberkörper auf und breitete die Arme aus. Während sie sich ausgiebig streckte, öffnete sie langsam die Augen und seufzte zufrieden.

      „Welch ein wunderschöner Tag!“, sagte sie mit einer weichen, klaren Stimme.

      Voller Energie sprang sie aus dem Bett und ging schwungvoll zum Fenster. Sie blickte hinaus und sah eine Gruppe von Männern auf einer großen Wiese unmittelbar am Waldrand gelegen, die ihre morgendlichen Übungen machten. Sie wusste, es handelte sich hierbei um T'ai Chi Ch'uan, eine alte chinesische Bewegungskunst, die dem Erhalt der Gesundheit, der Heilung von Krankheiten, der Selbstverteidigung und der körperlichen und geistigen Entspannung diente. Den inneren Frieden finden und mit einer mentalen Stärke den Tag beginnen, so wie es jeden Morgen an diesem Ort Tradition war.

      Ihr Blick blieb auf einem großen, muskulösen Mann mit blondem, kurzem, strubbeligem Haar hängen. Er trug kein weißes T-Shirt im Gegensatz zu den anderen Männern, die dazu weite, braune Mäntel trugen, die mit einem hellen Strick zusammengebunden waren, sondern nur eine weite Stoffhose, die aus demselben braunen Stoff zu sein schien, wie die Mäntel der anderen Männer.

      Das Lächeln des Mädchens wurde strahlender und sie drehte sich leichtfüßig herum, huschte zu ihrem Schrank, einem einfachen Holzschrank aus Buche ohne besondere Merkmale, und holte ein blaues Stoffkleid aus Baumwolle heraus mit weißem Gürtel.

      Flink zog sie sich an, kämmte ihre langen, hellblonden, leicht gewellten Haare und öffnete die Tür um auf einen großen Flur von beachtlicher Länge hinauszutreten.

      Der Flur war kahl, hatte keinerlei Bilder oder Teppiche, dennoch wirkte er freundlich durch den hellen Stein, der sich überall im Schloss wiederfinden ließ.

      Schwungvoll lief sie den Flur entlang zu dem nächsten Zimmer, welches nur wenige Meter von dem ihren entfernt lag, und lief dabei beinahe einem älteren Mann in die Arme.

      „Guten Morgen, Bruder Bartholomäus“, sagte sie freundlich und lächelte ihn an. Sie huschte an ihm vorbei in dessen Schlafzimmer und begann direkt das Bettzeug, ein paar klassische weiße Laken aus Baumwolle, abzuziehen.

      „Guten Morgen, Lindsay“, antwortete dieser und lächelte sanft zurück. „So früh schon auf den Beinen?“

      „Ich kann nicht schlafen. Morgen ist der große Tag!“, antwortete sie und huschte bereits wieder an ihm vorbei mit der schmutzigen Bettwäsche, um gegenüber in ein weiteres Zimmer zu laufen und auch dort das Bettzeug zu holen.

      Der Mann lachte und nickte.

      „Ja, das kann ich verstehen. In einer halben Stunde ist er übrigens fertig.“

      Er grinste Lindsay an und sie wusste sofort, wen er meinte. Sie nickte.

      „Ich beeile mich!“, sagte sie und huschte den Flur entlang, die schmutzige Wäsche in den Händen.

      Der blonde Mann beendete seine letzte Figur des T'ai Chi Ch'uan, verbeugte sich vor seinem Lehrer und hob sein Shirt auf, dass er wenige Meter weiter auf den Boden gelegt hatte.

      „Hast du den Sonnenschein heute morgen schon gesehen, Angelos?“, fragte einer der anderen Männer, ein großer, etwas buckliger Mann mit weißen Haaren und einer krummen Nase den gutaussehenden Blonden.

      Angelos schüttelte den Kopf und lächelte leicht.

      „Gewöhnlich schläft sie um diese Uhrzeit noch, Bruder Matthäus“, antwortete er mit tiefer, ruhiger Stimme, während er sein Shirt wieder anzog.

      „Nicht doch aber vor eurem großen Tag morgen, oder? Dann kannst auch du endlich ein richtiger Mönch bei uns werden“, antwortete der Mann mit einem Grinsen im Gesicht und stupste ihn an. „Hat sie sich schon eines der Häuser unten im Dorf ausgesucht?“

      Angelos seufzte.

      „Mir gefällt der Gedanke nicht, dass sie alleine wohnen wird. Wieso kann sie nicht hier bleiben?“, fragte er ruhig.

      „Du weißt, das hier ist ein Kloster und sie ist eine Frau. Wir haben sie nur so lange hier wohnen lassen können, weil sie noch nicht volljährig war. So wie du. Und weil sie unseren Haushalt führt.“

      Das Lächeln im Gesicht von Bruder Matthäus erstarb.

      „Das kann sie doch auch weiterhin machen“, sagte Angelos langsam, dennoch hatte er wenig Hoffnung mit diesem Gespräch weiter zu kommen, wusste er doch, dass die Mönche bereits sehr großzügig zu ihnen gewesen waren.

      „Du weißt, ich mag sie auch sehr. Aber so sind nun mal die Regeln“, antwortete Bruder Matthäus ruhig.

      Angelos kannte die Regeln, weswegen er nichts weiter erwiderte.

      „Angelos!“

      Die sanfte Stimme durchbrach die Stille auf der Wiese, die nach dem Gespräch mit Bruder Matthäus eingekehrt war.

      Angelos drehte sich