Karlheinz Franke

Wicherns Genossen der Barmherzigkeit – Diakone des Rauhen Hauses


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wagte ich mich nur an ihn heran, wenn es unumgänglich war, aber dann konnte er über die beantragte Summe hinaus sehr großzügig sein. So konnte ich, der ich die Gehaltsverrechnung hatte und manchmal genau wusste, dass Ebbe in der Kasse war, nur ängstlich fragen, wie das nun weitergehen solle. Aber zu meinem Erstaunen wurde mir dann gesagt: „Machen Sie sich darüber keine Sorgen. Es schadet mir nichts, wenn ich einmal 50 bis 60.000 Mark vorschieße.“ Wurde es dann zu arg, so wurde eine Vorstandssitzung abgehalten und jedes einzelne Vorstandsmitglied bekam die Auflage, eine bestimmte Summe aufzubringen. Wenn mittags um 12 Uhr die Börse schloss, wurden einige in Frage kommende Kaufleute angegangen und um Spenden gebeten, so dass wieder für einige Zeit die Betriebsmittel gesichert waren. J. K. Vietor, sehr gebefreudig und ein rechter Freund der Berufsarbeiter der Inneren Mission, aber etwas sprunghaft in dem, was er anfasste, war uns eine große Hilfe. Er hatte ein warmes Herz für die Arbeit der Inneren Mission und die Stadtmissionare, die er jedes Jahr mit ihren Familien nach Leuchtenburg einlud, wo er uns in einem Gartenrestaurant königlich bewirtete. Dabei wurden dann auch die Probleme unserer Arbeit besprochen, und wir erhielten von ihm aufmunternde Worte. Da wir Stadtmissionare nur ein geringes Gehalt hatten, schenkte er uns öfter die Fahrkarten, wenn wir größere Reisen vorhatten. Gedenken möchte ich auch noch des Vorstandsmitgliedes Fritz Vietor, der für kurze Zeit Rechnungsführer war. Von ihm hätte die Innere Mission viel erhoffen können, wenn er nicht auf einer Reise bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen wäre.

      Als Pastor Büttner 1901 Direktor der Inneren Mission wurde, gründete er die Frauengruppe der Inneren Mission. Auch die Arbeit an den Seeleuten wurde aufgenommen. Das Eckhaus an der Bürgermeister-Smidt-Straße wurde gekauft und als Verwaltungshaus mit Auswandererkapelle eingerichtet. Die Herberge zur Heimat wurde von der Schlachte zur Georgstraße verlegt. Unter Pastor Frick wurde das Hospiz erworben, die Arbeitstätte eingerichtet sowie die Brockensammlung gegründet. Die Arbeit von Pastor Fritz (1916-1922) war geprägt von den Problemen der Kriegs- und Nachkriegsjahre. In dieser Zeit wurde das Martha-Heim übernommen, außerdem erfolgte die Umwandlung der Arbeitsstätte in der Kornstraße zum Isenberg-Heim und die Gründung der weiblichen Stadtmissionsarbeit unter Fräulein Helene Graeber.

      Am 15. Oktober 1922 wurde Pastor Heyne Direktor der Inneren Mission. Die Jahre nach dem Weltkrieg, gekennzeichnet durch die Inflationszeit, waren schwer. Wir alle waren Millionäre. Pastor Heyne wohnte kurze Zeit in der Georg-Gröning-Straße in der Wohnung von Pastor Fritz. Sein Umzug in die Holbeinstraße, nur um die Ecke, kostete 550.000 Mark.

      Im Haus der Inneren Mission in der Georgstraße 22 war die zweite Etage „Herberge zur Heimat“. In der ersten Etage wohnte der Auswanderermissionar Krone. Im Parterre war das Büro der Inneren Mission, die Kapelle und das Sitzungszimmer, zugleich Bibliothek. Daneben gab es noch zwei kleine Zimmerchen für Beratungsgespräche. Die Innere Mission hatte nur eine Sekretärin für drei Stunden am Tage.

       Fürsorgearbeit

      Meine Arbeit brachte es mit sich, dass ich mich oft mit den Problemen der armen Leute befassen musste. In den einzelnen Stadtbezirken waren Armenpfleger bestellt, bei denen Anträge zu stellen waren. Die bestimmten dann die Höhe der Unterstützung. Einige städtische Beamte hatten die Aufgabe, die ehrenamtlichen Armenpfleger zu überwachen, damit sie den ihnen zugeteilten Spielraum nicht zu großzügig auslegten. Durch gute Kontakte zu den Armenpflegern konnten wir viel Not lindern helfen. Die Neustadt hatte damals noch keine eigene Fürsorgestelle. Die Innere Mission hatte auch eine gewisse eigene Unterstützungsmöglichkeit durch die Spenden wohlhabender Freunde. Zweimal im Jahr, in der Adventszeit und im März, machten wir Bittgänge zu unseren Freunden und bekamen die Hände immer reichlich gefüllt. Ich möchte hier nur die Namen Isenberg, Hackfeld, Vietor und Kuhlenkampff nennen. Willi Kuhlenkampff begrüßte mich dann, indem er die Uhr zog und sagte: „Herr Schmidt, bitte nur drei Minuten erzählen, wie viel Geld brauchen Sie? 20 Mark, gut, auf Wiedersehen.“ Diese Bettelgänge waren mir oft sehr schwer. Aber ich hielt es doch für wichtig, die reichen Leute auf die Arbeit der Inneren Mission immer wieder aufmerksam zu machen. Besondere Sorgen bereitete uns der Männer-Krankenverein, der die Aufgabe hatte, kranke, nicht arbeitsfähige Männer zu unterstützen, damit ihre Familien nicht in zu große Not gerieten. Diesem Verein wurden monatlich die Gelder von der Inneren Mission bewilligt.

      Soweit der Bericht aus der Feder von Philipp Schmidt. Er war 58 Jahre Stadtmissionar an der St. Pauli-Gemeinde in der Neustadt und hat auch im Ruhestand noch viele Jahre das kirchliche und diakonische Leben in Bremen mit geprägt. 1949 konnte er sein 50. Jubiläum im Dienste der Inneren Mission in Bremen feiern, deren Vorstand er viele Jahre angehörte.

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      Er hatte auch ein gewichtiges Wort innerhalb der Bremer Diakonenschaft und der Brüderschaft des Rauhen Hauses in Hamburg mitzureden. Seine Lebensgeschichte, die er in seinen letzten Jahren aufzeichnete, gibt einen tiefen Einblick in die Geschichte der Bremer Stadtmission und das eng damit verbundene Familienleben der damaligen „Berufsarbeiter der Inneren Mission“, als persönliche Kontakte noch eine entscheidende Rolle spielten. Philipp Schmidt starb am 24. Juli 1957 im gesegneten Alter von 88 Jahren.

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      Zeugnis für Diakon Rudolf Krause

      Rudolf Krause – geboren am 31.07.1888 – Eintritt am 1.04.1913 – Einsegnung am 1.07.1923 – verstorben am 25.03.1948

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      Diakon Karl Titze

      Gugo Freese, Valparaiso, berichtet:

       Karl Titze

      Wer hat ihn nicht gebannt, den Hafenmissionar von Valpsraiso. Alle, aber auch alle Deutschen in Valparaiso, wenn nicht in ganz Chile, kannten diesen edlen Menschen, der am 9. August ds. J. morgens 7 Uhr nach langem, schwerem Herzleiden in seinem Hause im Deutschen Seemannsheim sanft entschlafen ist.

      Herr Titze stammte aus Damsdorf in Schlesien, geboren am 24. November 1978, hatte er also eben "Fünfzig" überschritten, als er viel zu jung noch aus dem Leben gerissen wurde. Ihm war zueigen der echte biedere, schlesische Volkscharakter, verbunden mit einem ganz besonders offenherzigen Wesen und mit einer gewissen Frömmigkeit, welche Eigenschaften ihn allgemein sehr beliebt machten.

      Der Verstorbene erhielt seine vorzügliche Ausbildung im "RAUHEN HAUSE" zu Hamburg, woselbst er sechs Jahre tätig war und kam dann in Jahre 1912 als Leiter des Deutschen Seemannsheims nach Valparaiso. Dank seiner Überaus tatkräftigen Leitung gelang es ihm nach und nach, zusammen mit seiner braven Frau, die allen Seeleuten durch ihre gute Küche rühmlichst bekannt tat, das Seemannsheim welches bei seiner Übernahme nicht sehr groß war, zu einem erstklassigen Hause umzugestalten.

      Gedeihen welches erst vor er erst vor ungefähr1 ½ Jahren durch Verlegung in die Nähe des Hafens neben der Bella-Vista-Station vergrößert und verbessert wurde, ist zum großen Teil sein Werk. Es bot nicht allein den Seeleuten, sondern auch vielen anderen neu zugereisten Deutschen eine billige und dem guten Zweck dienende Unterkunft, der Deutschen Kolonie dadurch helfend zur Seite stehend.

      Aus ganz Chile und sozusagen aus allen Weltteilen liegen zu Hunderten die Briefe von Leuten vor, die im Seemannsheim Zuflucht gefunden hatten, und welche nicht genug Worte des tiefen Dankes finden können, wie das Ehepaar Titze ihnen seinerzeit einmal geholfen hat. Die Deutsche Kolonie verliert an dem Verschiedenen einen ganz vortrefflichen Mann, der so nicht nieder zu ersetzen sein wird, denn Herr Titze hat mit nimmermüdem und freudigem Herzen das Deutsche Seemannsheim volle 17 Jahre lang geleitet.

      Unter sehr großer Beteiligung wurde der Seemannsvater am 10. August nachmittags 4 Uhr