Jungmännerverein
Der Jungmännerverein war mir besonders lieb, denn gerade im Jünglingsalter sind die Jungen aufgeschlossen für Freundschaft und Kameradschaft mit ihresgleichen. Sie sind auch bereit, christlichen Gemeinschaftsgeist in sich aufzunehmen. Werden sie dann etwas älter, lassen sie sich schon gemeinsam zur Mitarbeit an den jüngeren Kameraden gewinnen. Sie konnten mir so wesentlich mithelfen, die Arbeit erfolgreich zu gestalten. Besonders, als ich älter wurde, war es mein Bemühen, mir eine Helferschar heranzubilden, die mich in der Arbeit unterstützte, beim Turnen, bei Wanderungen, Freizeiten und dergleichen. Einer meiner treuesten, unentgeltlich helfenden Mitarbeiter war Emil Meyer, der auf die Jugend starken Einfluss ausübte, indem er Geigenunterricht gab. So haben diese Helfer mit dazu beigetragen, die jungen Männer zu starken christlichen Persönlichkeiten zu erziehen, die in ihrem Leben ihren Mann stehen konnten. Es war mir oft eine große Freude, wenn ich in Geschäften, Büros und Werkstätten Männer traf, die durch unsere Kreise gegangen waren und es zu etwas Tüchtigem in ihrem Beruf gebracht, die aber auch später in unserer Gemeinde kirchliche Dienste übernommen hatten. Sie gedachten immer dankbar der Zeit ihrer Mitgliedschaft in unserem Jungmännerwerk.
Chorgesang
In der Chorgemeinschaft „St. Pauli-Gesangverein“ war es möglich, Männer und Frauen jeden Alters zusammenzufassen und damit eine familiäre Gemeinschaft herzustellen. Bei meiner Übernahme des Chores war ich nur Dirigent, während der Chor selbst einen Vorsitzenden hatte. Wenn ich mit dem Chor etwas unternehmen wollte, musste ich immer erst den Vorsitzenden fragen, was jedes Mal erst zu heftigen Diskussionen unter den Mitgliedern führte. Die älteren Chormitglieder waren geneigt, mich in dieser Stellung als Dirigent zu belassen. Diesen Zustand habe ich zwei Jahre lang mitgemacht, bis ich dann ganz klar gesagt habe, dass ich nicht künftig nur der Dirigent des Chores sein wolle, sondern auch der Leiter. Wir haben dann vereinbart, dass der Chor einen Vorstand haben solle, mit dem ich als Chorleiter alles besprechen könne. Diese Regelung hat sich dann später 44 Jahre lang zur beiderseitigen Zufriedenheit bewährt. Es bestand ein gutes Vertrauensverhältnis. Die Chormitglieder hielten in großer Treue zusammen. Auch hier haben sich viele Paare gefunden, und ihre Kinder sind später zusammen mit den Eltern gekommen und geblieben. In der Gemeinschaft wurden Freud und Leid gemeinsam durchlebt. Mit unserem Singen haben wir uns in bescheidenen Grenzen gehalten, denn es waren nicht alle Mitglieder gute Sänger. Ich selbst war ja auch kein ausgebildeter Musiker. Wir fühlten uns als Gesinnungsgemeinschaft der Inneren Mission und bemühten uns, mit den uns gegebenen Gaben und Kräften zu erreichen, was uns möglich war. So pflegten wir den Choral, die Motette, aber auch das gute alte Volkslied. Wir sangen in der Kirche, gingen durch die Krankenhäuser, das Siechenhaus, das Altenheim und sangen mit Vorliebe in unseren Familien bei Hochzeiten, Silber- und Goldhochzeiten und anderen Jubiläen.
Besonders gern gingen wir am 1. Adventssonntag in die Altenheime. Die Kinder sangen Advents- und Volkslieder, und gelegentlich hatten wir auch einen Solisten dabei. Die Mitglieder des Jungmännervereins führten dann ihre Stücke auf. Es waren Nachmittage, an denen wir in den Altenheimen mit großer Freude begrüßt wurden. Anschließend kehrten wir dann in eine Wirtschaft ein und ließen uns im großen Saal Kartoffelsalat und Würstchen servieren. Dies waren immer Abende fröhlicher Geselligkeit.
Daneben hatten wir noch unsere Familienabende in der Süderstraße. Jährlich hatten wir einen großen Abend in der Neustädter Turnhalle, später, als das „Moderne Theater“ entstand, im Gemeindehaus der Hohentorsgemeinde, der jedes Mal ein übervolles Haus bescherte. Ich habe dann immer einen Bericht über die Arbeitsgebiete der Inneren Mission gegeben. Wir sangen Chorlieder, hatten kräftige Solisten, manchmal auch eine Militärkapelle dabei.
Im Sommer machten wir gern Wanderungen oder große Ausflüge in die Umgebung mit Spielen und Singen. Dazu mieteten wir auch Autobusse und fuhren nach Wilsede oder Bückeburg, Kloster Loccum oder in den Teutoburger Wald. So bekam der Chor, der in seinen besten Zeiten bis zu 90 Mitglieder hatte, einen guten Zusammenhalt. Nach dem 2. Weltkrieg waren die Neustadt und auch unser Vereinshaus zerstört. Mit etwa 25 Teilnehmern kamen wir in einem Privathaus zu unseren Veranstaltungen zusammen.
Männerverein
Es war eigenartig, dass wir für einen so interessanten Kreis kaum Mitglieder finden konnten. Trotz vieler, lebhafter Mühe, auch seitens der Pastoren der Gemeinde, blieben wir in den ersten Jahrzehnten ein kleiner, aber treuer Kreis, der sich zu biblischer Besprechung zusammenfand.
Nähverein
Hier fand sich eine Anzahl Frauen zusammen, die unter Leitung meiner Frau für die Notleidenden der Neustadt nähten und strickten. Es waren die treuesten Frauen aus unseren großen Kreisen, die sich mit großer Liebe regelmäßig in dieser Gemeinschaft trafen. Während meine Frau die Arbeit einteilte und überwachte, hielt ich diesem Kreis eine Andacht und erzählte aus der Arbeit der Inneren Mission oder was uns sonst in der Neustadt interessierte. Oft las ich auch Geschichten vor, und vor allen Dingen wurde viel gesungen. Bei rührseligen Geschichten konnten einige Frauen auch ganz kräftig weinen. Da musste ich als Gegengewicht auch mal fröhliche Geschichten lesen. So habe ich dann vorher immer mit meiner Frau abgesprochen, welche Art Vorlesestoff sie für angebracht hielt. Bei all unseren Zusammenkünften war jedoch immer die christliche Grundlage das Entscheidende.
Bibelstunde
Unsere Bibelstunde umfasste die Kreise der Neustadt, die sich an einem Wochentag nachmittags frei machen konnten. Die Pastoren Raumsauer von der Äußeren Mission und Heyne von der Inneren Mission teilten sich mit mir diesen Dienst in den Bibelstunden. Es waren schöne Stunden, auf die sich die Besucher jede Woche freuten. Die Kreise kamen bis zur Zerstörung des Hauses zusammen. Später fanden sie sich in den Bibelkreisen der St. Pauli-, Zions- und Hohentorsgemeinde wieder.
Bibliothek
Die Innere Mission unterhielt in unserem Hause eine sehr schöne, stark genutzte Bibliothek mit etwa 800 Bänden, die für die Arbeit sehr wertvoll war. Sie bestand aus guten Biographien, christlichen Erzählungen, guten Romanen, Klassikern und Reisebeschreibungen. Daneben gab es auch gute Jugendbücher für Knaben und Mädchen. Gerade in unserem Bezirk, wo es sehr wenig begüterte Leute gab, war es ein wichtiger Dienst, den wir hier leisten konnten, zumal es öffentliche Bibliotheken damals noch nicht gab. Die Bücherausgabe erfolgte bei den abendlichen Versammlungen in unserem Hause, aber auch zu festgesetzten Zeiten für die Gemeindeglieder, die nicht zu den Kreisen kamen.
Hausbesuche
Neben den Gruppenstunden war mir die liebste und notwendigste Arbeit, Hausbesuche in meinem Arbeitsbezirk zu machen. Die Menschen geben sich in ihren Häusern ganz anders, als in den Versammlungen. Sie sind in ihren Wohnungen viel aufgeschlossener und freuen sich, wenn man ihnen zuhört. Es gehört dann viel Geschick dazu, von den Gesprächen über Wetter und Zeitgeschehen auf ihre inneren Anliegen zu kommen. Aber wenn das Vertrauen einmal hergestellt war, konnten wir offen miteinander über persönliche Probleme sprechen. Die Menschen fühlten sich durch die Besuche geehrt und die Besuche führten zu festeren Bindungen. Abweisungen bei Besuchen habe ich in den vielen Jahrzehnten ganz selten erlebt.
Die Innere Mission als mein Arbeitgeber
Als ich nach Bremen kam, hatte die Innere Mission noch keinen theologischen Leiter. Der Vorstand hatte die Arbeit in Sektionen aufgeteilt. Stadt- und Auswanderermission hatte Pastor Cuntz von St. Pauli in der Neustadt zu verantworten. Die Herberge zur Heimat unterstand dem Kaufmann Vietor. Das Bibliothekswesen verwaltete Herr Noltenius, das Rechnungswesen Herr Volkmann, später Herr Kuhlenkampff. Im Jahre 1901 wurde Pastor Büttner als erster Inspektor von der Inneren Mission hauptamtlich angestellt. Über allem stand Herr Landgerichtsdirektor Carstens. Die rege Tätigkeit dieser Herren, zu denen auch noch Johannes Schröder gehörte, der Vater von Rudolf Alexander Schröder, machte auf mich einen starken Eindruck und verpflichtete mich, meine ganze Kraft einzusetzen, um ihrer würdig zu sein. Carstens war eine Vaterfigur, gütig, vornehm, zurückhaltend, von tiefem Ernst durchdrungen. Er besaß große Menschenkenntnis, und man fühlte sich sofort von ihm durchschaut. Volkmann war Kaufmann, großzügig und weitschauend im Denken. Er hatte ein