Sascha Arntsen

Midgards Erben


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gut. Was ist, wenn sie Recht hat? Was ist, wenn das Amulett tatsächlich Kräfte entwickelt?“

      Alles Gedanken, die ihm jetzt so durch den Kopf kreisen.

      „Komm, wir setzen uns hier auf den Rasen. Nimm dein Amulett ab.“

      „OK, und was nun?“, fragt Jan misstrauisch.

      „Nimm etwas Erde in die Hand und reibe es da durch. Jetzt brauchen wir die Wasserflasche aus meinem Rucksack.“

      Sie kramt mit der anderen Hand in ihrer Tasche und holt die Notration Wasser hervor.

      „Waschen wir nun die Erde mit dem Wasser wieder ab.“

      Wie gesagt so getan. Dabei macht Simone einige mystisch anmutende Handbewegungen. Jan schaut dabei die ganze Zeit auf die bald schon beißenden Blicke der Passanten. Eine Mutter meint zu ihrer Tochter:

      „Schau mal, da sitzen wieder so Esoterikspinner. Die siehst du ganz oft hier.“

      Jan wird es so langsam unangenehm. Allerdings, für ein wenig Aufsehen zu sorgen, macht ihm zunehmend Spaß.

      „Hör nicht auf die. Die haben keine Ahnung von der Materie, das hört man. Nimm nun das Feuerzeug, mach es an und halte es kurz unter dein Amulett. Dann hole tief Luft, puste das Feuer wieder aus und lass durch deinen Atem den Hammer erkalten.“

      Diese schon eher magische Zeremonie wirkt auf Jan ein wenig beängstigend. Zumal ihm solch ein Vorgehen immer als Ketzerei beschrieben und eingetrichtert wurde. Aufregend ist es aber dennoch für ihn.

      „Noch alles in Ordnung, Jan?“

      „Natürlich! Und was jetzt?“

      „Nun ist der Hammer, abgesehen von seiner Symbolik, neutral. Also quasi durch die vier Elemente gereinigt. Jetzt geht’s ans Aufladen. Vieleicht fällt es dir noch schwer, aber jetzt rufen wir Thor an, um das er das Amulett weiht. Ist es geweiht, kann auch die Energie von den Steinen mit einfließen. Allerdings müssen wir hierzu an Thor ein Gebet richten. Machst du mit?“

      „Dann fang mal an“, erwidert Jan, „Ich spreche dir dann nach.“

      In diesem Moment kommen die drei Jungs um die Ecke.

      „Wo sind die beiden?“, schaut Mario sich fragend um.

      „Keine Ahnung. Vorhin lagen die doch noch da vorne auf dem Rasen.“

      „Alex, schau mal, vor dem Stein da hinten in der Ecke. Da sind sie.“

      „Komm wir gehen mal hin“, meint Dirk.

      Alex erwidert plötzlich:

      „Nein, wartet mal. Was machen die denn jetzt schon wieder?“

      „Das wird mir so langsam aber echt zu merkwürdig“, fügt Mario an. „Was halten die denn da an den Stein? Beten die da?“

      „Nee Mario, ich denke Heiden beten nicht mit Christen. Es sei denn, einer von denen ist übergesprungen. Aber wer? Was meinst du Alex?“

      „Ich denke, Jan hat sie zurückgeholt. Aber was machen die denn jetzt schon wieder? Warte mal, die hängen sich was um den Hals. Ein Kreuz war das aber nicht. Das war, Moment mal.“

      Alex denkt kurz nach.

      „Das war so ein Thorshammer, den die Nazis tragen. Ich werde wahnsinnig hier. Sind die denn alle bekloppt geworden? Kommt, wir melden das jetzt der Müller.“

      Jan und Simone haben von alledem nichts mitbekommen. Die Sonne brennt zudem weiter erbarmungslos auf die Besuchergruppen hernieder. Nur die Blätter der hier stehenden Bäume bieten zumindest einen leichten Schutz.

      „Komm, wir gehen jetzt mal da hoch.“

      Simone zeigt auf die kleine Brücke, die sich von dem einem zum anderen Stein erstreckt.

      „Das kostet doch Eintritt, oder?“

      „Nein, für uns nicht. Hasst doch deinen Schülerausweis dabei, oder?“

      „Ja, sicher.“

      „Dann komm mit!“

      Sie nimmt Jan an die Hand und geht mit ihm zu der kleinen Holzhütte, an der sich immer noch eine enorme Warteschlange windet.

      „Müssen wir da wirklich hoch?“, fragt er.

      „Hast du Angst?“

      „Nein, aber bei der Hitze?“

      „Komm, mir zu liebe.“

      „Was meint sie denn schon wieder damit? Sind wir jetzt wirklich zusammen? Komisches Gefühl. Wäre aber toll“, denkt er sich.

      Langsam kommen sie dem Kassenhäuschen näher. Jan fasst sich an den Kopf und stellt fest, dass dieser bereits nicht unerheblich durch die Sonne erhitzt wurde. So ganz ohne Kopfbedeckung? Nach gefühlten dreißig Minuten haben die beiden es aber geschafft und können nun endlich ihre Ausweise vorzeigen und passieren.

      „Was sind denn das für Bildhauerwerke da an der Wand?“

      Jan zeigt auf das Kreuzabnahmerelief, auf das sie gerade zugehen.

      „Das ist so ein Christending, was die mal im Mittelalter dort eingeritzt haben. Der ganze Stein soll so um 1200 zu einer Christenhöhle umgebaut worden sein. Hat irgendein Kloster aus Paderborn damals gekauft. Genaues weiß ich aber nicht. Du siehst, nicht nur Heiden pilgern hier hin. Sieh mal! Da unter dem Kerl, dem sie die Füße abgeschlagen haben, ist eine abgeknickte Irminsul.“

      „Eine was? Irminsul?“

      „Ja, übersetzt >gewaltige Säule<, auch ein altes nordisches Heiligtum. Irminsul repräsentiert die Weltenesche, die die neun Welten mit einander verbindet und mythologisch den Himmel stützt.“

      „Simone, du sprichst in Rätseln. Aber war das nicht so, dass hier auch astronomische Beobachtungen getätigt worden sind?“

      „Kann sein. Weiß ich aber nicht so genau. Du stellst Fragen.“

      Sie wollen gerade den ersten Felsen besteigen, als Jan durch eine Öffnung im Stein in einen Raum blickt.

      „Man, was haben die denn hier für Höhlen rein gehauen?“

      „Das sind alte Grotten. Ich wüsste auch mal gerne, was die hier damals alles so gemacht haben. Wurde von den Christen, wie gesagt, damals umgebaut und soll eine Nachbildung eines Gebäudes aus dem alten Jerusalem sein. Darüber wird viel spekuliert. Hier bei den Steinen soll vor dem Umbau auch eine große Irminsul gestanden haben. Daher noch mal zurück zur Weltenesche. Es existieren in der nordischen Mythologie neun Welten, die durch diesen Baum verbunden sind. Eine davon ist Midgard. Hier wohnen die Menschen. Dann gibt es noch Asgard, wo die Götter leben. Genau genommen die Asen unter ihnen. Hier kommt übrigens der Name Asatru her und heißt so viel wie Asentreue, oder den Asen zugehörend. Wenn du stirbst, kannst du zu unterschiedlichen Orten kommen. Tapfere Krieger kommen nach Walhalla, zu Odin an den Hof, also nach Asgard. Die normal gestorbenen gehen nach Hel über.“

      „Was, hier kommt jeder Normalo in die Hölle?“

      „Nein! Hel wurde von den Christen mit übernommen. Die machten dann die Hölle draus. Hel ist in erster Hinsicht ein kalter nebliger Ort, über den die gleichnamige Göttin herrscht. Man sagt, sie ist zu einer Hälfte wunderschön, auf der anderen Seite bereits verwehst. Sie herrscht in einer unwirklichen Burg. Die Wände bestehen aus Schlangenhaut. Kein Sonnenlicht durchdringt die Mauern. Trotz dass es eine seltsame Welt ist, ist es aber erst mal kein Ort der Bestrafung. Diese Welt ist wie ihre Göttin, auf der einen Seite wunderschön, auf der anderen Seite aber Grausam. Mit der Hölle hat die Totenwelt Hel aber nichts zu tun. Zumindest nicht für die, die keine Verbrechen begangen haben. Verbrecher und Mörder kommen zwar teilweise auch nach Hel, allerdings müssen sie dort die wilden Flüsse durchwaten, die die Burg der Hel umgeben. Dort lebt der Drache Nidhögg, der sich von den Leibern der Verbrecher ernährt. Die, die dem Drachen doch noch entkommen können, werden anschließend von einem Wolf zerfleischt.“

      „Die