Werner-Wolf Turski

Die Pueblo-Kulturen


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40.500 ha (= 405 km²) im Salt River Valley „in Bewässerung“. Die durchschnittliche Lebensdauer eines Kanalsystems betrug ca. 50 bis 100 Jahre. Dann war es durch nicht mehr aushebbare Sedimentation und Überschwemmungen verschlissen. Eventuell sank auch die Ergiebigkeit/Fruchtbarkeit der Feldflächen und die Unterhaltung der Kanäle war nicht mehr lohnend. Infolgedessen konnte auch eine Versalzung der nicht mehr ausreichend mit salzabtransportierendem Wasser versorgten Felder erfolgen (Der Salzgehalt des Salt River liegt bei 0,11% alkalischen Salzen.). Vielleicht wurden die dann nicht mehr für den Bewässerungsbodenbau genutzten Flächen für den Trockenbodenbau verwendet.

      Über die Jahrhunderte breiteten sich die Niederlassungen vom Phoenix-Gebiet und dem kanalisierten Bereich vom Flachland nach Norden entlang der Flüsse zu den höheren Lagen aus. Die Intensität der Bewegung entsprach den raschen Schwankungen des Abflusses des Salt River. Flutjahre machten den Wiederaufbau bzw. eine sehr intensive Instandsetzung von Kanälen erforderlich, die von Fluten zerstört und/oder mit Sedimenten ganz oder teilweise aufgefüllt worden waren.

      Die Angaben über die Gesamtlänge der Kanäle und der von ihnen bewässerten Flächen unterliegen in Abhängigkeit von der wissenschaftlichen Quelle, deren Entstehungszeit, sowie den Ansichten der dafür zuständigen Autoren und ihren Bestimmungsverfahren erheblichen Schwankungen.

      Die weiblichen und/oder männlichen Bewässerungsspezialisten der Hohokam (analog der Rolle der Jagdleiter bei den nomadischen Jäger- und Sammlergruppen) berücksichtigten für die Trasse des Kanals sehr genau die lokale Topographie, die flachen Senkungen und die Steigungen, die Abflussmöglichkeiten und die Bodenarten. Dabei half ihnen die lokale Vegetation. Sie erlangten im Verlauf der Zeit eine wissenschaftlich zu nennende Ansicht/Kenntnis über den Wasserfluss in den Kanälen und entwickelten eine Reihe von technischen Einrichtungen, mit deren Hilfe sie das Wasser bis dicht an die Oberfläche ihrer Felder leiten konnten. Jede technische Anlage war an eine spezifische topographische Situation wie Anstiege und flache Flussterrassen angepasst. Die Kanalsysteme wurden in Bezug auf die bodenbauerischen Notwendigkeiten und die Eigenschaften des Klimas entworfen.

      Diese Systeme enthielten eine Reihe physischer Elemente/technischer Anlagen. An der Einmündung des Kanals in den Fluss war wahrscheinlich ein Stauwehr errichtet worden. Ein solches Wehr war eine teilweise in den Fluss hineinreichende, aber ihn nicht vollständig überspannende Verdammung aus Holzpfosten, Strauchwerk und „dichtendem“ Material (z.B. Gras, große Blätter, Rinde, Matten, Häute u.ä.). Sie hebt durch die Stauwirkung das lokale Wasserspiegelniveau des Flusses und führt durch Gefälle und Strömungsdruck das Wasser in den Kanal. Innerhalb des Kanals wurde vermutlich ein großes Wassersteuergatter oder Schleusentor (headgate) gebaut, um die Menge des durch den Kanal fließenden Wassers zu regulieren. Die Hauptkanäle leiteten das Wasser vom Fluss weg in Richtung zu den Feldern. Die Hauptkanäle waren an ihrem Flussabgang sehr groß, aber die Größe verringerte sich in Richtung ihres Endzieles, der Felder und/oder Dorfanlage. Die Wassermenge verminderte sich bei ihrem Lauf durch den Kanal durch den Abfluss auf die Felder, durch Verdunstung und Versickerung. Dementsprechend wurde auch die Größe/der Querschnitt des Kanals reduziert. Durch die Verringerung der Wasserführung blieb bei kleiner werdendem Kanalquerschnitt auch die Wasserfließgeschwindigkeit annähernd konstant. Die ebenfalls die Fließgeschwindigkeit beeinflussenden Kanalbodengefälle lagen zwischen 23 bis 91 cm/km. Sie musste zwischen zwei kritischen Geschwindigkeiten liegen: Bei einer zu hohen Fließgeschwindigkeit erodierte die Kanalwand, bei einer zu geringen Geschwindigkeit sedimentierten die sonst als Bodenverbesserer wirkenden Schwebstoffe im Wasser zu stark und setzten den Kanal zu. Er würde schnell verschlammen/versanden. Beide Erscheinungen würden einen erhöhten Wartungsaufwand für die Freihaltung des Kanalquerschnitts erfordern. Die im Kanal sedimentierten Schwebstoffe konnte man wieder auf die Felder ausbringen.

      Die Verteilungskanäle entnahmen Wasser vom Hauptkanalsystem und leiteten es zu den Feldern. Sie wurden auch dazu genutzt, das Verhältnis zwischen dem Wasserspiegel im Kanal und im Grundwasser auszugleichen. Einige Arten von Wassersteuerungseinrichtungen wurden benutzt, um Verteilungssysteme in Betrieb zu halten. So wurden Ablenkungsgatter an den Verzweigungen der Hauptleitungs- und Verteilungskanäle gefunden, die den Wasserfluss regulierten. Schleusen, Sperren oder Wassersteuertore wurden häufig innerhalb der Hauptleitung und der Verteilungskanäle eingesetzt. Ein geschlossenes Wassertor würde einen Stau im Zuflusskanal verursachen. Durch die Nutzung von Wassersteuerungsanlagen waren die Hohokam in der Lage, ein qualitativ hocheffektives Bewässerungssystem zu betreiben.

      Der Bau der Hohokam-Kanäle erforderte einen hohen Aufwand an menschlicher Arbeit. Der Boden wurde mit Hand, vermutlich mit Hilfe großer keilförmiger Steinstücke, sogenannter „Steinhacken", aber auch mit großen Scherben und mit hölzernen Grabenstöcken, gelöst und entfernt. Der Boden konnte dann mit großen Körben aus dem Kanal herausgehoben und als Damm an den Kanalseiten abgelagert werden. Viele prähistorische, vorindustrielle Bodenbauergemeinschaften nutzten einen einfachen „Nivellierungsrahmen“ zur Bestimmung des Gefällegradienten eines Kanalbodens. Dies konnte auch bei den Hohokam der Fall gewesen sein, ist aber nicht belegt. Einige Wissenschaftler nahmen auch an, dass während des Kanalbaues Wasser im Kanalbereich stand, um so den Boden feucht und besser abtragbar zu machen. Damit wären völlig ohne Niveliergeräte auch Nivellierungsaufgaben zu lösen gewesen. Diese Version erscheint sehr wahrscheinlich und plausibel, auch wenn sie von manchen abgelehnt wird.

      Untersuchungen der prähistorischen Kanäle erbrachten, dass zum Beispiel für den Aufbau der Hauptkanäle in Kanalsystem 2 während der Kolonial- und der klassischen Periode (von 775 bis 975 und 1150 bis 1350/1400 u.Z.) ungefähr 800.000 m³ (2000 m³/a durch wie viel Personen?) und in der Periode der Sesshaftigkeit (975 bis 1150 u.Z.) über 400.000 m³ Boden (2286 m³/a) ausgehoben werden mussten. Die von diesem System bewässerte Fläche wird mit ca. 4.000 ha angegeben.

      Der Arbeitsumfang für den Bau des Kanalsystems war teilweise von der vom Fluss abzuleitenden Wassermenge abhängig. Sowohl in der späten Kolonialzeit (950 bis 975 u.Z.) als auch in der klassischen Zeit (1150 bis 1350/1400 u.Z.) gab es bei den Hohokam häufig sehr starke Überschwemmungen, die die Kanäle zerstörten oder zumindest beschädigten. Sie mussten dann neu- oder umgebaut bzw. repariert werden. Es ist schwierig, die tatsächliche Leistung für den Aufbau und gar die Instandhaltung der Hauptkanäle einzuschätzen. Der Bau und der Erhalt der Kanäle war eine mehr oder minder intensive permanente Aufgabe über die Jahrhunderte, wobei nicht alle heute identifizierten Kanäle gleichzeitig in Betrieb waren.

      Der Bau, die Erhaltung und das Betreiben der Kanalsysteme erforderten eine beständige und wohlorganisierte Kommunikation für den Einsatz der notwendigen Arbeitskräfte. Es entstand in dieser „Bewässerungsgesellschaft“ eine entsprechende soziopolitische Organisation. Zweifellos mussten Personen aus allen Dörfern entlang eines Hauptkanals zum Aufbau bzw. der permanenten Erweiterung eines ursprünglich kleinen Kanals/Kanalsystems und zum kontinuierlichen Erhalt des Kanals, der Wehre und der oberen Schleusentore beitragen. Jedes Jahr war das Maß des für jede Feldfläche abzugebenden Wassers entsprechend dem konkreten Wasserangebot festzulegen. Dieses mögliche Konfliktpotenzial war zu minimieren. Deshalb war eine ausreichend autorisierte Führung notwendig, um schnell Konflikte zu lösen, die sonst die für die permanente Betreibung der großen Kanalsysteme erforderlichen kooperativen Beziehungen hätten bedrohen oder beeinträchtigen können.

      Es ist sehr wahrscheinlich, dass die durch die Hohokam-Kanalsysteme verbundenen "Bewässerungsgemeinschaften" als soziopolitische Einheiten durch eine mehr oder minder ausgeprägte Hierarchie mit eindeutigen/deutlichen Führungsrollen gekennzeichnet waren. Jede Bewässerungsgemeinschaft hatte ihre eigene, traditionell erprobte Führung, um die Arbeiten für den Hauptkanalbau, die Instandhaltung von den Kanälen, der oberen Schleusentore und Wehre, der Aufstellung von Wasserzuweisungen und Planung zu organisieren und lokale Konflikte zu vermeiden oder zu lösen. Kleinere, mehr lokale Gruppen von Bodenbauern konnten sich selbst für den Bau und die Erhaltung von Zweigkanälen und Verteilungskanälen organisieren. Im Gegensatz zu vielen der traditionellen Gruppen im Südwesten und im nordwestlichen Mexiko müssen die Hohokam eine komplexere sozialpolitische Struktur und Vernetzung gehabt haben. Über deren Ausmaß und Aufbau über die Zeit gibt es vielfältige und auch kontroverse Ansichten.

      Höchstwahrscheinlich