Max von Pettenkofer

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Luft bei gleichem Drucke in einer bestimmten Zeit durch verschiedene Zeuge geht. Man erhält auf diese Art unter sich vergleichbare Werte. In gleicher Zeit, bei gleichen Druckverhältnissen, durch gleiche Flächen der folgenden Zeuge gingen folgende relative Luftmengen, das luftigste der untersuchten Zeuge, ein Flanell, wie er gewöhnlich zu Unterkleidern verwendet wird, als 100 angenommen:

      Flanell ....... 100

      Mittelfeine Leinwand . 58

      Seidenzeug. ..... 40

      Bockskin. .......

      Weißgares Leder . .. 1

      Sämisches Leder . . . 51

      Wenn das Warmhalten der Kleider von dem Grade abhinge, in welchem sie die Luft von unserm Körper abschließen, so müsste Glacéhandschuh Leder 100mal wärmer halten als Flanell, was doch, wie Jedermann weiß, nicht der Fall ist, ja es ist umgekehrt, trotzdem dass Flanell 100mal mehr Luft durchlässt, als weißgares Leder, hält er doch viel wärmer, ebenso wie auch sämisches oder sogenanntes Waschleder, was wir häufig anstatt Tuch für Handschuhe, Beinkleider u. S. W. verwenden, gleichfalls viel wärmer ist, obschon es 50mal mehr Wärme durchlässt, als weißgares Leder.

      Wenn man von einem Zeuge mehrere Schichten übereinander legt, so sinkt die Ventilation bei der zweiten Schicht nur um ein sehr Geringes weiter, als bei der ersten, denn die Geschwindigkeit, welche die Luft beim Durchgang durch die erste Schicht erlangt, wird durch die folgende Schicht nicht mehr wesentlich geändert, die nur wie eine Fortsetzung oder eine Verlängerung ein und desselben Kanales oder ein und derselben Röhre aufzufassen ist, welche bei gleichbleibendem Durchmesser die einmal angenommene Geschwindigkeit einer darin strömenden Flüssigkeit nur mehr um den Reibungeffizienten verlangsamen kann.

      Durch unsere Kleider zieht also beständig ein Luftstrom, dessen Größe abhängig ist – wie bei jeder Ventilation – von der Größe der Öffnungen, von der Größe der Temperaturdifferenz zwischen innen und außen, und von der Geschwindigkeit der uns umgebenden Luft. Unsere Kleider brauchen den Zutritt der Luft daher nicht ängstlich abzuhalten, sondern ihn nur zu regeln, und bis zu einem Grade zu mäßigen, dass unsere Nerven die Luft nicht mehr als bewegten Körper empfinden, welchen Grad wir mit Windstille bezeichnen. Dieser Grad ist aber noch lange nicht Bewegungslosigkeit der Luft. Wenn wir im Freien Windstille annehmen, so beträgt die Geschwindigkeit der Luft, wie ich schon sagte, mindestens immer noch einen halben Meter in der Sekunde, oder fast 2 Kilometer in einer Stunde.

      Unsere Kleider machen die Luft nicht nur windstill, sondern regulieren zugleich auch die Temperatur derselben. Mit der Wärme, welche von unserm Körper ausgeht, heizen wir die Kleidungsstoffe, und diese heizen auch beständig die durch die Maschen und Poren der Zeuge wechselnde Luft. Unsere Kleider sind einer kalorischen Maschine oder einem Ofen vergleichbar, der von der Abhitze unserer Körpermaschine geheizt wird, damit er wieder die über unsere Körperoberfläche hịnziehende, sie zunächst umgebende Luftschicht heize. Von diesem Wärmeverluste der Kleider an die durchziehende, auf diese Art präparierte Luft haben wir keine Empfindung, wie wir sie haben würden, wenn die Luft unvorbereitet unsere Hautoberfläche treffen würde, denn der Ausgleich der Temperaturdifferenz erfolgt in dem Bekleidungsstoffe, in welchen sich unsere Hautnerven nicht fortsetzen. Wir tragen in unseren Kleidern im Freien und selbst im hohen Norden die Luft des Südens mit uns herum. Wenn man die Temperatur der Luft misst, welche zwischen unseren Kleidern und unserer Körperoberfläche sich findet, so beträgt sie durchschnittlich 24 bis 30° C. Wir befinden uns in unseren Kleidern wie wenn wir im Paradiesischen Zustande in einer windstillen, freien Atmosphäre mit 24 bis 30° C. wären.

      Jetzt kann ich Ihnen auch klar machen, warum krause, lockere Zeuge so gut wärmen, frisch kartätschte Watte besser, als alte zusammengesessene, warum sich für Kleidungsstoffe am meisten Gewebe aus feinen Fasern und Gespinsten eignen. Sie wissen, wie warm ein Pelz ist, der aus Haut und Haaren besteht. Stofflich chemisch betrachtet, sind Haare und Haut eigentlich identisch. An einem Pelze ist das Gewicht oder die Masse der Haut unverhältnismäßig grösser, als die der Haare, und doch sind es eigentlich nur die feinen Härchen, die man wegblasen kann, wenn sie für sich sind, welche dem Pelze seine warmhaltende Eigenschaft verleihen. Man kann darüber sehr interessante Versuche anstellen. Krieger beobachtete den Abfluss der Wärme, nachdem er seinen Versuchszylinder mit Pelz im nicht geschorenen und im geschorenen oder rasierten Zustande bedeckt hatte. – Wenn man die Wärmeabgabe durch den unberührten Pelz gleich 100 setzt, so stieg sie durch denselben Pelz, nachdem er geschoren war, also durch die nackte Haut des Pelzes, auf 190. Die trockene Haut ist bekanntlich immer noch etwas porös. Wenn man einen solchen geschorenen Pelz mit Leinölfirniss bestreicht, so steigt die Wärmeabgabe sogar von 100 auf 258, und wenn man einen solchen geschorenen Pelz mit einer Lösung von arabischem Gummi bestreicht, sogar auf 296.

      Dass sich der lebendige Organismus in seiner Wärmeabgabe durch Strahlung und Leitung nicht anders verhält, als ein mit warmem Wasser gefüllter Blechzylinder, wurde gleichfalls nachgewiesen. Es ist schon länger bekannt, dass Pelztiere, wie Hunde, Kaninchen usw. sterben, wenn man ihnen alle Haare nimmt und ihre Haut firnisst oder mit Öl bestreicht. Man hat den Tod gewöhnlich von einer Aufhebung oder Unterdrückung der Hautausdünstung abgeleitet, es lässt sich aber beweisen, dass diese Tiere in einem verhältnismäßig warmen Zimmer buchstäblich den Tod des Erfrierens sterben. Krieger schor ein Kaninchen, nachdem er dessen Körpertemperatur und Atemfrequenz zuvor bestimmt hatte. Das Tier zeigte 39.8°C. und machte 100 Inspirationen in der Minute. Nachdem es geschoren, und, um die Hautausdünstung nicht zu unterdrücken, wie man annimmt, dass es durch Firniss geschieht, nur in ein nasses Tuch eingeschlagen war, verlor es in einem Zimmer, wo die Temperatur 190 über Null war, doch so viel Wärme, dass nach 5 Stunden die Temperatur im Innern des Tieres von 39.8 auf 24:50 C., und die Atemfrequenz von 100 auf 50 in der Minute gesunken war, In diesem Zustande in einen heizbaren Käfig gebracht, erholte es sich bei einer Wärme der Luft von 30°C. darin wieder vollständig.

      So ein Pelz fängt mit seinen in die Luft ragenden Härchen alle Wärme auf, welche von der Hautoberfläche durch Strahlung oder Leitung abfließt und gibt sie in Folge seiner zarten und feinen Struktur und Verteilung an die zwischen den einzelnen Härchen strömende Luft ab; je feiner das Haar eines Pelzes, desto besser wird die abziehende Wärme ausgenutzt von der Luft, die dann auch bei Winterkälte unsere Hautnerven nur als gewärmte Luft trifft, so dass wir nichts spüren. Die Pelztiere fühlen sich im Winter oberflächlich sehr kalt an, erst näher der Haut sind die Haare warm. Bei starker Kälte kommt sicherlich wenig Körperwärme mehr bis an die Spitzen der Haare, um dort auszustrahlen oder durch Leitung an die Luft überzugehen, der Luftstrom im Pelze entwärmt die einzelnen Härchen von ihren Spitzen gegen ihre Wurzeln zu, eine stärkere Kälte dringt nur etwas weiter in den Pelz ein, als eine geringere, ohne deshalb notwendig bis auf die Haut durchzudringen. Das geschieht nur, wenn die äußere Luft ganz ungewöhnlich kalt oder sehr stark bewegt ist. Reisende im hohen Norden, z. B. Nordpolfahrer, berichten sehr übereinstimmend, dass sehr hohe Kältegrade bei windstiller Luft noch recht gut ertragen werden, hingegen bei lebhaftem Winde höchst empfindlich sind. Das deutet darauf hin, dass bei hohen Kältegraden der Wärmeverlust durch die Haut wesentlich nur mehr auf einem einzigen Wege, auf dem der Leitung, an die Luft im Pelze oder in den Kleidern erfolgt, es kommt beim Pelz keine Wärme zur Ausstrahlung auf die Oberfläche, sobald die Spitzen der Haare die Temperatur der äußern Umgebung haben. Auch die Verdunstung sinkt auf ein Minimum, denn 200 unter null hört jede Wasserdampfbildung bereits auf, fast alle Wärme im Pelz und in den Kleidern wird aufgewendet, um die eindringende Luft zu heizen, deren Geschwindigkeit entsprechend der Temperaturdifferenz wächst. In einem mit gutem Pelz versehenen Tiere ändert die äußere wechselnde Wärme und Kälte eigentlich nur die relativen Breiten oder Breitengrade der kalten und warmen Zonen der Luft im Pelze, nur der Ort des Ausgleichs der Körper- und Lufttemperatur verrückt sich zwischen Wurzel und Spitze der Haare, und deshalb befinden sich solche Tiere trotz ihres Pelzes auch im Sommer nicht wärmer als im Winter, ihr Blut behält unter allen Umständen die gleiche Temperatur, im Sommer wird nur ein großer Teil der Wärme erst an den Spitzen der Haare durch

      Strahlung und Leitung abgegeben, während sie im Winter entsprechend näher der Wurzel der Haare abfließt.

      Luftdichte Zeuge sind deshalb zur Bekleidung gar nicht, oder nur mit großer Einschränkung zu brauchen. In Gummi- oder Guttaperchazeugen