Max von Pettenkofer

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werden uns lästig, nicht weil sie den Luftwechsel ganz aufheben, denn das tun sie ja nicht, wenn sie z. B. die Form eines Überrockes haben, wo die Luft von unten und durch weite Ärmel reichlich hinein und oben ausströmen kann, sondern sie werden uns lästig, lediglich nur weil sie den allseitigen Luftwechsel in den Unterkleidern beschränken. Sie sind gut, um sich vor Nässe von außen zu schützen, aber machen unsere Haut gern auf andere Weise nass, durch Beeinträchtigung der Verdunstung. Wir können solche Regenmäntel daher wohl gebrauchen bei Nässe und Kälte oder starkem Winde, aber nicht bei Nässe und Wärme und ruhiger Luft.

      Zum Schluss muss ich Sie noch auf die Beziehungen unserer Kleidungsstoffe aufmerksam machen, welche sie zum Wasser haben, welches ihre Funktionen teilweise stark abändert. Alle unsere Kleidungsstoffe sind hygroskopisch, d. h. sie kondensieren aus der Atmosphäre eine gewisse Menge Wasser. Die hygroskopische Eigenschaft, welche bei verschiedenen Körpern sehr verschieden groß ist, wächst mit der Abnahme der Temperatur der Luft, so dass sie alle bei 0° mehr Wasser kondensieren, als bei höheren Temperaturen. Teilweise wird sie auch von dem relativen Wassergehalte der Luft beeinflusst, so dass ein hygroskopischer Körper in einer Luft von 20° C. über Null mehr Wasser aufnimmt, wenn diese Luft mit Wasserdunst nahezu gesättigt ist, als wenn sie weit von ihrem Sättigungspunkte entfernt ist. Es sind diese Verhältnisse für unsere Kleidungsstoffe einstweilen nur sehr unvollständig ermittelt. Ich habe einige vorläufige Bestimmungen gemacht, bloß um zu sehen, mit welchen Größen man ungefähr zu tun hat: sie haben sich grösser ergeben, als man von vornherein annehmen möchte. . Ich nahm als Repräsentanten der beiden wichtigsten Kleidungsstoffe aus Pflanzenfaser und Tierfaser gleich große Stücke Leinwand und Flanell und trocknete sie bei 100° C., wo sie fast all ihr hygroskopisches Wasser verlieren, und wog sie in gut schließenden Blechbüchsen eingeschlossen, deren Gewicht bekannt war. Sie wurden dann in verschieden temperierten Räumen der Luft ausgesetzt, und von Zeit zu Zeit wieder in die Blechbüchsen eingeschlossen unter den nötigen Vorsichtsmaßregeln gewogen. Es ließen sich dadurch die Änderungen im Gewichte, d.i. in der Menge hygroskopisch gebundenen Wassers für Leinwand und Wolle leicht verfolgen. Die folgende Tabelle gibt die Menge des hygroskopisch gebundenen Wassers auf 1000 Gewichtsteile Leinwand und Wolle in verschiedenen Lokalitäten, bei verschiedenen Temperaturen, nach verschiedener Zeit.

Bild 1

      Was vor allem auffällt, ist die viel größere hygroskopische Eigenschaft der Schafwolle gegenüber der Leinwand. Unter allen Umständen bleibt die hygroskopische Wassermenge in der Schafwolle viel grösser, oft fast nochmal so groß, als bei der Leinwand. Beim Maximum hat Flanell 175, Leinwand 111, beim Minimum Flanell 75, Leinwand 41 pro ml Wasser hygroskopisch gebunden.

      Was ferner sofort auffällt, ist, dass die Leinwand ihren hygroskopischen Wassergehalt verhältnismäßig schneller, in einer steileren Kurve ändert, als die Wolle. Die Beobachtungen 5 bis 8 lassen dies deutlich erkennen. Die beiden Stücke Wolle und Leinwand lagen 12 Stunden im Keller, dann befanden sie sich unmittelbar darnach 4 Stunden in einem unbeheizten Hörsaal, binnen welcher Zeit die Leinwand von ihrem absolut viel geringeren Wassergehalte 18, die Wolle 15 promille Wasser verlor. In den nächsten 3 Stunden verlor die Leinwand nur mehr 2, die Wolle hingegen noch 12 promille.

      Als die Stoffe vom unbeheizten Hörsaal in ein beheiztes Zimmer gebracht wurden (Beobachtung 9 bis 15), zeigte sich das gleiche Verhalten, die Leinwand hörte viel rascher auf, Wasser abzugeben, als die Wolle. Das Nämliche zeigte sich in umgekehrter Richtung bei den Beobachtungen 15 bis 18, als die Temperatur im Zimmer wieder von 19 auf 15 Grade sank. Mit der Abkühlung nimmt die hygroskopische Eigenschaft aller Körper zu, aber die Gewichtszunahme erfolgt ebenso, wie die Gewichtsabnahme, verhältnismäßig schneller bei Leinwand als bei Wolle.

      Je mehr die Luft aus einem Zeuge durch Wasser verdrängt wird, um o weniger warm vermag er zu halten, umso besser leitet er die Wärme, daher das leichte Erkälten in nassen Kleidern, daher das Empfindliche der sogenannten Nasskälte. Wenn wir bei einer kalten und trockenen Luft ins Freie gehen, frieren wir oft lange nicht so, als wenn wir bei ebenso kalter, aber viel feuchterer Luft ausgehen. Im letzteren Falle werden auch unsere Kleider viel feuchter, und leiten dann mehr Wärme ab. Man darf diese Größen nicht unterschätzen. Wir haben vorhin gesehen, dass 1000 Gewichtsteile Flanell in einer Kellerluft 157 Gewichtsteile, also fast 16 % Wasser aufgenommen haben. Rechnet man das Gewicht eines ganzen Anzuges in Wolle auf 10 Pfund, so kann das Mehr oder Weniger von hygroskopisch gebundenem Wasser 11/2Pfund betragen, was zur Verdunstung 420 000 Wärmeeinheiten erfordert.

      Ähnlich wie gegen das hygroskopische Wasser verhalten sich Leinwand und Flanell beim Benetzen mit tropfbar flüssigem Wasser und die nassen Zeuge beim Trocknen. Leinwand lässt sich sehr leicht benetzen, saugt sehr schnell Wasser auf, Wolle viel langsamer, auch vom tropfbar flüssigen Wasser nimmt Leinwand weniger auf als Wolle, aber die Leinwand tut es viel schneller. Mit einem leinenen Tuche ist Wasser leicht aufzusaugen, mit Wolle geht es schwer. Ebenso ist die Verdunstung; von einer Leinwandfläche verdunstet das Wasser schneller, als von einer wollenen Fläche. Leinwand und Flanell in Wasser gelegt, und dann mit den Händen

      solange ausgepresst, bis keine Tropfen mehr abfließen, halten auf 1000 Theile trocknes Zeug sehr ungleiche Mengen Wasser zurück. Leinwand 740, Flanell 913 pro mille nach einem von mir gemachten Versuche. Eine viel größere Differenz ergibt sich aber noch in den Mengen Wasser, welche innerhalb gleicher Zeiten von nasser Leinwand und nassem Flanell verdunsten. Die folgende Tabelle mag als Bild für das gleichzeitige Fortschreiten des Trocknungsprozesses in einem geheizten Zimmer für diese beiden Stoffe dienen.

Bild 2

      In den ersten 75 Minuten verdunsteten von 1000 Teilen Leinwand 511, von 1000 Teilen Wolle nur 456 Wasser, darnach aber dreht sich die Menge um, in den folgenden 30 Minuten verdunsteten von der Leinwand 130, vom Flanell 148 pro mille, in den folgenden 30 Minuten von der Leinwand gar nur mehr 44, vom Flanell noch 115 pro mille. Die Leinwand arbeitet also in jeder Beziehung schneller, als die Wolle, die Leinwand gibt allen Veränderungen der Feuchtigkeit schneller nach, als die Wolle. Um wie viel gleichmäßiger der Trocknungsprozess in der Wolle verläuft, als in der Leinwand, geht deutlich hervor, wenn man vergleicht, wie viel binnen 135 Minuten in den ersten 15 Minuten, und wie viel in den letzten 15 Minuten Wasser verdunstete. Bei Leinwand verdunsteten in den ersten 15 Minuten 219, in den letzten nur mehr 28 pro mille, was sich nahezu wie 8 zu 1 verhält, bei Flanell anfangs 212, zuletzt noch 97, was fast 2 zu 1 entspricht.

      Ich bemerke noch, dass bei diesen Versuchen gleiche Gewichte der trockenen Zeuge auch fast gleichen Flächen entsprachen, die gleich groß über eine Schablone geschnitten waren, das Stück Leinwand wog 11.731, das Stück Flanell 10.649 Gramm. '

      Es ist selbstverständlich, dass alle Zeuge in dem Maße, als sie benetzt werden, an ihrer Permeabilität, an ihrer Durchlässigkeit für Luft verlieren, da das Wasser die Poren wenigstens teilweise verstopft. Gröbere Zeuge mit größeren Poren werden länger für Luft durchgängig bleiben; bei gleich großen Poren entscheidet die Adhäsion des Wassers zur Substanz des Zeuges, ob sich die Poren schneller oder langsamer, andauernder oder vorübergehender schließen. Da ist nun ein sehr großer Unterschied zwischen Leinwand, Baumwolle und Seide einerseits, und Schafwolle andererseits. Die ersteren werden durch Benetzen sehr schnell luftdicht geschlossen, letztere fast gar nie, oder doch erst nach langer Einwirkung beständiger Benetzung. Die Soldaten im Kriege wissen davon zu erzählen, wie dunstig die Luft unter einem Zelte während eines Regens ist, so lange es nass ist, und wie es sofort luftig wird, sobald es zu trocknen beginnt. Da die Porosität aller Gewebe hauptsächlich von der Elastizität der Fasern abhängt, welche das Gewebe bilden, so wird es von großem Einfluss sein, ob die Elastizität der Fasern im nassen und trocknen Zustande gleich ist oder wie weit sie sich gleich bleibt. Das ist nun wieder ein Hauptunterschied zwischen Wolle und den anderen drei genannten Stoffen, nur die Wollfaser behält ihre Elastizität auch im nassen Zustande ziemlich bei, während die anderen von dem Grade, welchen sie im trocknen Zustande besitzen, fast alles bei der Benetzung einbüßen. Nasse Leinwand, nasse Seide ist genauso, wie ein geschorener, mit Firniss oder Gummilösung bestrichener Pelz, wie ihn Dr. Krieger auf seine Versuchszylinder gespannt hat. Um was aus einem Leinwand- oder Seidenzeuge alle Luft durch Wasser leichter