Max von Pettenkofer

Populäre Vorträge


Скачать книгу

uns, namentlich an den unbedeckten oder nur leicht bedeckten Körperteilen, Kühlung durch vermehrte Ableitung von Wärme. Deshalb ist auch der Fächer bei solchen Gelegenheiten mehr Instrument für Damen als für Herren, weil bei Damen teils die unbedeckten Körperteile größere Flächen darbieten, teils viel leichter bedeckt sind, als bei Herren, namentlich was Rumpf- und Halsgegend betrifft.

      So lange die Luft das uns umgebende Medium ist, verbindet und vergesellschaftet sich mit dem gesteigerten Verlust durch Leitung gleichzeitig in der Regel auch eine vermehrte Verdunstung, wenigstens so lange der periphere Kreislauf des Blutes in der Haut lebhaft entwickelt bleibt und die Luft nicht ganz mit Wasserdunst schon gesättigt ist. Der Fächer kühlt selten ausschließlich nur durch vermehrte Leitung, sondern teilweise meistens auch noch durch vermehrte Verdunstung. Das Fächeln mit trockner Luft wirkt daher noch viel kühlender, als mit feuchter Luft von gleicher Temperatur. Wir alle wissen, um wie viel rascher nasse Wege und nasse Wäsche · trocknen bei lebhaftem Winde, als bei ruhiger Luft. Im Winde ganz feuchter Luft aber trocknet nichts, wenn er auch noch so heftig weht. Wenn unser Körper sich mit Schweiß übergießt, dann bietet die Turgescence der Haut nicht bloß eine Gelegenheit zum Abfluss einer größeren Wärmemenge durch Erweiterung aller Hautgefäße an die vorüberziehende Luft durch Leitung, sondern meistens auch noch durch Verdunstung dar.

      In südlichen Klimaten, zur heißesten und feuchten Zeit des Jahres, wo der Körper sehr wenig Wärme durch Strahlung an kältere Gegenstände losbringen kann, wo auch die Temperatur der umgebenden Luft sich zeitweise sehr der Temperatur unseres Blutes nähert, ja dieselbe manchmal, wenigstens für einige Stunden im Tage, sogar übertrifft, da wird dem Europäer oft zum Verschmachten heiß, und er hat, abgesehen von zeitweisen Bädern, kein anderes praktisches Mittel dagegen, als den Schatten und den Fächer. Im Schatten ist die Luft nicht bloß kühler, sondern auch immer bewegter, als in der Sonne. Der Schatten lässt die von ihm bedeckte Fläche von der Sonne nicht so hoch erwärmen, als die von dieser beschienenen Umgebung erwärmt wird. Jede Temperaturdifferenz aber zwischen sich nahe liegenden Luftschichten ist auch Ursache zur Luftbewegung, zu Luftströmungen, denn ungleich war nie Luftschichten sind ungleich schwer, daher nicht im Gleichgewicht und suchen die Störung desselben durch Bewegung auszugleichen. Jedermann kann sich davon leicht überzeugen, der im Sommer bei ruhiger Luft über eine zeitweise von der Sonne beschienene, abwechselnd von einer Wolke beschattete Fläche, über einen großen Platz, über ein Feld oder eine Wiese geht. So lange uns die Sonne bescheint, fühlen wir keine Bewegung der Luft, ist es ganz windstill, sobald wir aber in den Schatten der Wolke, oder in den Schatten eines Hauses oder Baumes kommen, erhebt sich sofort ein sanfter Wind. Der Schatten hat also nicht bloß den Wert, dass er die direkten Sonnenstrahlen von uns abhält, sondern er vermehrt auch die Ventilation der beschatteten Stelle.

      Der Fächer wirkt in der nämlichen Richtung. Jeder Engländer im Süden der indischen Halbinsel braucht zu gewissen Zeiten des Jahres ein paar Eingeborene als Diener, welche in seiner Wohnung, dem luftigen Bungalow, die Fächermaschine, das Pankah, fortwährend in Bewegung setzen, damit die Luft des Südens dem fremden Herrn durch vermehrte Leitung und Verdunstung so viel Wärme abnehme, dass sein Blut nicht heißer wird, als in seiner nordischen Heimat, 371/2°C. Zur Zeit, wo die Luft wärmer als unser Blut, z. B. 40°C., warm ist, was in der heißen Zone nicht selten einige Stunden des Tages hindurch der Fall ist, und wo der Mensch ja auch noch existieren soll, namentlich wenn auch die Wände des Hauses nicht mehr kühl genug sind, um an sie noch Wärme durch Strahlung zu verlieren, wird man lediglich auf den Wärmeverlust durch Verdunstung angewiesen sein. Die Wirkung derselben hängt unter anderem wesentlich auch davon ab, wie trocken oder feucht die uns umgebende Luft bereits ist. Je trockner die heiße Luft ist, desto mehr Wasser vermag sie unserer Haut und unseren Atemwegen oder unserer absichtlich befeuchteten Umgebung zu entziehen, und damit auch umso mehr Wärme auf diesem Wege abzunehmen, — je feuchter sie bereits ist, desto weniger.

      Damit Sie ein Bild, eine Vorstellung bekommen, um welche quantitative Unterschiede es sich da handelt, wollen wir die Entwärmung durch die Atemluft bei verschiedenen Temperaturen und verschiedenem Wassergehalt der eingeatmeten Luft betrachten. Bei gleichem Körperzustande haben wir bei 0° und bei 30° C. das ganz gleiche Atembedürfnis, was wir in Übereinstimmung mit unserer obigen Annahme in 24 Stunden auf 9000 Liter setzen wollen. Nach Berechnungen verliert ein Erwachsener durch den Atemprozess 293 040 Wärmeeinheiten, wenn die geatmete Luft 0° hat und ganz trocken ist; 279 090 Wärmeeinheiten, wenn sie bis zur Hälfte mit Wasserdunst gesättigt ist, und 265 050, wenn sie ganz gesättigt ist. Der Unterschied zwischen Minimum und Maximum beträgt etwa 28 000 Wärmeeinheiten, also noch nicht 1 Prozent des Gesamtwärmeabflusses. Beim Atmen einer Luft von 30° C. aber verlieren wir 274050 Wärmeeinheiten, wenn die Luft ganz trocken, 189 720 Wärmeeinheiten, wenn die Luft halb gesättigt, und nur 105 390 Wärmeeinheiten, wenn die Luft ganz mit Wasser gesättigt ist. Bei dieser hohen Temperatur beträgt der Unterschied zwischen Maximum und Minimum 168 660, also sechsmal mehr als im vorigen Falle bei niedriger Temperatur.

      Höchst lehrreich ist der Vergleich zwischen den Größen des Wärmeverlustes beim Atmen von absolut trockner und von mit Wasserdunst gesättigter Luft bei 00 und 30° C.

      Wir verlieren bei 0°C warmer und trockner Luft 293040 W.-E.

      bei 300

      274050

      also nur ein Unterschied von etwa 19 000 ,

      bei 0°C warmer und ganz feuchter Luft 265 050

      bei 300

      also ein Unterschied von fast 160 000 oder achtmal so viel, was man beim Atmen von so warmer und feuchter Luft weniger anbringt, als wenn die Luft gleich warm, aber ganz trocken ist. Man sieht, um wie viel die verschiedene Trockenheit der Luft mehr ausgibt, als die verschiedene Temperatur derselben, und weshalb wir uns in Luft von ein und derselben Temperatur einmal kälter, ein andermal wärmer fühlen können. - Sie sehen auch, dass es oft viel schwerer ist, die Wärmeökonomie in der heißen Zone, als in der kalten richtig zu führen. Wir haben durchschnittlich viel bessere Mittel, uns warm zu halten, als uns abzukühlen. Deshalb degeneriert die europäische Rasse so unvermeidlich unterm Äquator. Die Leistungsfähigkeit des Körpers hängt von einem gewissen Stoffverbrauch ab, und dieser erzeugt unvermeidlich eine bestimmte Menge Wärme, welche regelmäßig abfließen muss. Der Hindu in Indien, welcher den Engländer dort fächeln muss, erträgt die Hitze in dem Maße besser, als er weniger isst und weniger Wärme in sich erzeugt und abzuführen hat. Seine Gesamtleistungsfähigkeit steht aber auch wieder in Verhältnis zu seinem Gesamtstoffverbrauch. Der Europäer wird so lange in der heißen Zone degenerieren, als man nicht Mittel findet, ihn besser und regelmäßiger auf irgendeinem der drei Wege nach Bedürfnis zu entwärmen. Auf ein ziemlich wirksames Mittel sind die reichen Engländer in Indien bereits verfallen, sie bauen sich Häuser mit sehr dicken Mauern und großen Quadern. Solche Wände erwärmen sich während der heißeren Jahreszeit nur wenig über die mittlere Temperatur des Jahres. Solche Wände kühlen dann nicht bloß die Luft, die im Hause wechselt, sondern der Körper verliert auch ebenso durch Strahlung Wärme an sie, wie bei uns in dem Falle vom unausgeheizten Zimmer. Der einzige Unterschied ist, dass dieser Verlust in einem heißen Klima wohltätig, bei uns im kalten Klima schädlich wirken kann. Ein weiteres Mittel wäre, die Luft im Hause durch Wasserentziehung trockener zu machen.

      Ich habe mich bei dem Prozess der Entwärmung des Menschen, welcher Gegenstand doch nur die Einleitung zu meinen angekündigten Vorträgen bilden soll, etwas lange aufgehalten, – aber ich konnte Ihnen dieselbe nicht ersparen und wüsste sie auch nicht viel kürzer zu machen. Wer von diesen Prozessen kein richtiges Bild hat, kann die Funktionen unserer Kleidung und Wohnung nie richtig auffassen und verstehen lernen. Ich habe deshalb geglaubt, auf Ihre Nachsicht und Geduld rechnen zu dürfen.

      Eine der Hauptwaffen, deren sich der Mensch in seinem Kampfe ums Dasein auf den verschiedensten Punkten der Erde bedient, ist die menschliche Kleidung. Im gewöhnlichen Leben wird die große kulturgeschichtliche physiologische Bedeutung der Bekleidung fast gar nicht mehr beachtet, man spricht gewöhnlich bloß von den sittlichen und ästhetischen Zwecken, welche mit der Kleidung nebenbei verfolgt werden, der eigentliche Hauptzweck derselben aber, welcher ein rein hygienischer ist, wird nur selten besprochen. Ich halte das für ein Übel, denn es hat dieses Vergessen der Hauptsache die Menschen allmählich zu sehr unter die