Gert Podszun

WasserGeld


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      „Je niedriger der Wert, desto saurer ist die betroffene Flüssigkeit. Reines Wasser hat einen pH-Wert von 7, Cola von 4, Zitronensaft von 2,3 und saurer Regen von 2 und darunter. Regen ist von Natur aus durch gelöstes Kohlendioxid schwach sauer. Aber durch die Verbrennungsprozesse in Heizungen, Kraftwerken und Motoren gelangen Schwefeloxid und Stickoxide in die Luft, die mit Wasser Säuren bilden und den pH-Wert stark erniedrigen. Gelangt der saure Regen auf die Erde, kommt es zu einer Versauerung und Entkalkung des Bodens. Das wiederum gilt als Ursache für das Waldsterben. Da saurer Regen auch Kalk aus dem Mauerwerk von Häusern lösen kann, ist er auch für Schäden an Bauwerken verantwortlich.“

      Die Schüler machten sich Notizen.

      Otten schaltete die Sendung GesünderLeben ein. Er war überrascht, dass das Umweltministerium tatsächlich dort vertreten war. Während der Sendung blätterte er in der Tageszeitung.

      Es ist ja erstaunlich, welche hohen Wellen die Artikel von Schuch schlagen. Normalerweise dürfte das Fernsehen sich um diese lokale Angelegenheit gar nicht kümmern. Gibt es in der Zeitung neue Kommentare zu dem Thema? Außer ein paar Leserbriefen zu dem Wasserthema konnte er nichts finden. Er las sehr ausführlich. Im Lokalteil der OstseeZeitung fiel ihm eine Mitteilung auf:

       Unbekannter Mann in einer Raststätte an der A7 tot aufgefunden. Tathergang und Hintergründe sind unbekannt. Die Polizei ermittelt und vermutet eine Gewalttat. Hinweise bitte an alle Polizeidienststellen.

      Er schaute sich parallel zum Studium der Zeitung die Sendung bis zu Ende an. Da wird nicht viel geschehen. Nur Laberei. Wie immer. Ist sicher eine von diesen vielen Talkshows. Es wird keine konkrete Lösung geben. Otten legte die Zeitung zur Seite. Der Lokalteil war noch aufgeschlagen.

      9

      Seitdem Josef seine Familie verlassen hatte, war es ihm wichtig, dass niemand seinen Nachnamen kannte. Mit seiner Vergangenheit hatte er gebrochen. Er wollte auch nicht, dass jemand in seiner Lebensgeschichte herumschnüffelte. Nach dem Abitur hatte er heimlich seine Familie verlassen und eine Reise nach Frankreich unternommen. Französisch war sein Lieblingsfach in der Oberstufe. Irgendwo in Lille kam er an einer Kaserne vorbei. Er war stolz zu verstehen, was da auf dem Plakat stand. Freiwillige gesucht. Er las den darunter stehenden Text und ging spontan in die Kaserne. Dort fand er sich in einem Rekrutierungsbüro wieder. Ihm war zu diesem Zeitpunkt nicht so richtig klar, dass er mit dem Überschreiten der Schwelle in das Büro sein Leben umgestalten würde.

      Die Ausbildung war hart. Sie folgte dem Motto, dass jeder Tropfen Schweiß einen Tropfen Blut erspart. Sie forderte ihn, machte ihn stolz, weil er mit den körperlichen Herausforderungen gut zurecht kam. Nach der Ausbildung dauerte nicht lange bis zum ersten Einsatz. Er bewährte sich. Zuletzt hatte er den Dienstgrad Sergent-chef, trug das képi blanc und wurde zu Einsätzen in Afrika kommandiert. Elfenbeinküste.

      Er führte eine kampfstarke Gruppe. Sein Auftrag bestand darin, eine bestimmte Bande dingfest zu machen und auszuschalten. Den genauen Hintergrund des Auftrages kannte er nicht. Es gehörte nicht zu seinen Aufgaben, über diese Dinge nachzudenken. In seiner Tasche hatte er die Beschreibung der Bande, ebenfalls ein paar Bilder von den Mitgliedern.

      Sergent Blanchard und Caporal-Chef Tanner unterstützten Josef bei seiner Arbeit. Sie waren seit einiger Zeit ein Team, wurden mit der Zeit Freunde und konnten sich auch wortlos aufeinander verlassen. Josef war stolz darauf.

      Der Franzose Blanchard war der Mann für knifflige Situationen. Man könnte ihm nachsagen, dass er gefährliche Situationen liebte. Er hatte immer einen Trick zu Verfügung, um aus kritischen Lagen herauszukommen. Dabei halfen ihm seine kräftige Statur und die Geschwindigkeit seiner Bewegungen. Er kannte sich besonders mit lautlosen Waffen aus, diente einige Monate als Ausbilder im Nahkampf und beeindruckte besonders mit seiner athletischen Figur. Er war der beste Boxer im Regiment.

      Caporal-Chef Tanner, deutscher Staatsbürger, spielte eine besondere Rolle in der Gruppe. Er hatte einen Vertrag mit einem technischen Schwerpunkt. Dabei kam ihm zugute, dass er nicht nur Maschinenbau studiert hatte, sondern auch über praktische Kenntnisse im IT-Bereich verfügte. Er hatte sich aus Neugierde für diese ausgeschriebene Funktion bemüht und wurde befristet eingestellt. Er war bei den verschiedenen Einsätzen für die Auswahl der jeweils notwendigen Technik verantwortlich und bildete die Soldaten der Gruppe und der Kompanie weiter. Obwohl er wusste, dass sein Engagement in der Legion zeitlich begrenzt war, bewies er in allen Lagen hohen Einsatz.

      Die Freundschaft mit Blanchard und Tanner hielt Josef bei der Truppe. Als sich die Gruppe auflöste, wollte er ebenfalls aus der Legion austreten. Das hatte einen einfachen Grund. Sein Freund Blanchard hatte überraschend ein Angebot bekommen, in einer Sicherheitsfirma als Leitender Angestellter zu arbeiten. Kamerad Tanner hatte seinen Zeitvertrag erfüllt und verließ die Truppe fast zur gleichen Zeit, als Blanchard das Angebot für eine private Anstellung erhielt.

      Zusätzlich hatte Josef herausgefunden, dass man ihn nicht weiter befördern würde, weil er keinen französischen Pass hatte. Er wunderte sich, dass Blanchard gezielt von einer Firma angesprochen worden war. Die Firma suchte erfahrene Männer, die sich auch in gefährlichen und kritischen Situationen behaupten konnten. Darin sah Blanchard eine große Chance. Mit diesem Angebot war es ihm möglich, von der Legion ohne Folgen frei gestellt zu werden. Blanchard nahm das Angebot an und machte sich auf den Weg zu seinem neuen Einsatzort in Valenciennes. Dort erfuhr er, eine ihm unbekannte FN-Holding habe ihn empfohlen. Ihm wurde avisiert, später mit einem Verantwortlichen dieser Holding sprechen zu können.

      Josef hatte Verständnis für seinen Freund und wollte sich anfänglich ebenfalls freistellen lassen. Sein Chef bedeutete ihm, dass das nicht möglich sei. Er gehöre quasi lebenslang zur Legion. Da er in Afrika in einer nicht unbedingt legalen Situation Menschen getötet habe, sei er in einem anderen Rechtsraum als Mörder angesehen.

      Josef konnte diese Behauptung nicht überprüfen. Er hatte schließlich immer auf Befehl gehandelt und hatte nie eigenständig über den jeweiligen Befehl hinaus gehandelt. Er war über die Ablehnung schwer enttäuscht.

      Niemand konnte ihm in dieser Lage helfen, weil er seine rechtliche Lage nicht beurteilen konnte. So ging er davon aus, dass er möglicherweise als Mörder angesehen werden könnte.

      Er wollte die Legion unbedingt verlassen. Eine Gelegenheit zur Flucht ergab sich, als sein Regiment an einen neuen Standort verlegt wurde. Dort verabschiedete sich der Regimentskommandeur und übergab die Führung an seinen Nachfolger. Die Übergabe wurde bis in den späten Abend gefeiert. Josef nutzte die Gelegenheit, kramte ein paar Sachen zusammen, steckte seinen Sold ein und verließ nachts den Standort. Die Wachen waren glücklicherweise nicht sehr aufmerksam. Ihm gelang die Flucht. Nun war er ein Deserteur.

      Er trampte durch Frankreich nach Deutschland und erreichte schließlich den Hauptbahnhof von Hannover. Er übernachtete er in einem Gasthof und suchte am nächsten Tag Hilfe und Schutz bei dem Anwalt, dessen Visitenkarte er seit dem Einsatz in der Nähe von Assinie bei sich trug. Er nahm an, dass der Anwalt sich auch mit internationalem Recht auskennen würde. Sein Name war Naschneiner, Ferdinand Nasch-neiner.

      Josef war vorsichtig und rief wegen einer Terminvereinbarung von einer öffentlichen Telefonzelle aus an. Die Sekretärin bat um einen Moment Geduld, weil sie rückfragen müsse. Naschneiner ließ sich nach einem kurzen Moment mit Josef verbinden. Nachdem er erfuhr, woher Josef seine Karte hatte, gab er ihm einen Termin.

      Nach einigen Rücksprachen erklärte er Josef, dass es in seiner Situation zwei Möglichkeiten gäbe. Entweder würde Josef sich einem Prozess, einem offiziellen Prozess mit den französischen Behörden, stellen und das Risiko eingehen, von diesen Behörden in einem langwierigen Prozess verurteilt zu werden, oder er könne sich in den Schutz eines deutschen Anwalts begeben.

      „Wie soll das denn geschehen?“

      „Die Dinge können ganz einfach sein, wenn man sie versteht. Sie sind ein erfahrener Mann, der hier in Deutschland keine Berufsgeschichte hat. Sie sind nach dem Abitur nach Frankreich gegangen. Ich will gar nicht nach den Gründen fragen, die Sie dazu