Gert Podszun

WasserGeld


Скачать книгу

Stichwortdatei, welche er mit einem elektronischen Zettelkasten eingerichtet hatte und entwarf einen ersten Artikel:

       Wasser ist Leben

       Ohne Frage, Trinkwasser ist ein Lebenselixier und für unser Leben von essenzieller Bedeutung. Und dennoch für jeden selbstverständlich. Da sich der gesamte Wasservorrat der Erde in einem ständigen Kreislauf bewegt, gibt es keinen Verbrauch – anders als bei anderen Rohstoffen. Von der Verdunstung über den Niederschlag bis hin zum Abfluss als Grund- und Flusswasser – unser wichtigstes Lebensmittel wird nur vorübergehend gebraucht und fließt danach in den großen Kreislauf zurück.

       Aber für den menschlichen Verzehr ist gebrauchtes Wasser nicht mehr geeignet. Um wieder neues Trinkwasser aufzubereiten, muss unser technologisches und umweltorientiertes Wissen eingesetzt werden. Nur so kann ein Trinkwasser von besonders hoher und stetiger Qualität zu Verfügung gestellt werden.

       Wenn die für die Sicherung dieser Qualität vorhandenen Randbedingungen gestört oder unzureichend sind, können Probleme entstehen, deren Beseitigung alle Bürger betreffen könnte.

      In den Folgeartikeln wollte er sich mit Problemen beschäftigen, welche entstehen würden, wenn sich Fehler in der Wasseraufbereitung einschleichen könnten. Das könnte das Rohrleitungssystem betreffen oder Zutaten oder unzureichende Kontrolle. Zur Kontrolle gehört auch das Steuerungssystem der Versorgungszentrale, das rein theoretisch gehackt werden könnte. Diese möglichen Fehlerquellen würden nur auftreten können, wenn die finanzielle Lage der Stadt im Ungleichgewicht wäre. Und hier fand Schuch einen Ansatz, auf den er vor einiger Zeit von einem Freund in der Stadtverwaltung hingewiesen worden war: Die Finanzierung der Stadt Rostock war etwas aus den Fugen geraten. Das könne schließlich ja auch irgendwann die Sicherung der Wasserversorgung betreffen.

      Wenn der Hansen recht hat und ein Weg ins Fernsehen möglich sein würde, dann muss ich die Qualität der politischen Führung in Zweifel ziehen. Schließlich ist die Initiative der EU auch unter diesem Aspekt zu sehen. Der Leitgedanke sollte sein, dass eine Führungsriege gleich welcher Ebene, die noch nicht einmal die Wasserversorgung sicherstellen kann, nicht in der Lage sein würde, die Kommunen, Länder oder die Republik zukunftsorientiert zu regieren. Vielleicht kann ich mir da einen Namen machen.

      Erik las seinen ersten Artikel noch einmal durch, mailte ihn dem Chefredakteur der OstseeZeitung und rief ihn wenig später an.

      Nach der Schilderung seines Konzeptes hörte er dessen Kommentar:

      „Das ist der Start für eine starke Kampagne. Wasser geht ja schließlich jeden etwas an. Da können schon ein paar Artikel erscheinen. Das schadet auch der Auflage nicht, im Gegenteil. Wir könnten es so einrichten, dass es in den Ablauf der politischen Auseinandersetzung für die bevorstehenden Wahlen passt. Schicken Sie mir bitte das Konzept auch schriftlich. Der einleitende Artikel, der sich generell mit der Bedeutung von Wasser beschäftigt, ist ein guter Auftakt. Den Startzeitpunkt für die Folgeartikel stimmen wir mit den Ereignissen des bevorstehenden Wahlkampfes ab. Noch einen schönen Tag.“

      Schuch machte sich sofort an die Arbeit und erstellte eine Liste mit den Titeln der Artikel, die in der geplanten Reihe vorkommen sollten. Das fasste er als Konzept zusammen. Den ersten Artikel Wasser ist Leben las er noch einmal durch. Er war mit sich zufrieden.

      Es dauerte nicht lange, bis er vom Chefredakteur die Bestätigung erhielt, dass sein Konzept akzeptiert sei und die Artikelserie erscheinen würde.

      Hansen bat Naschneiner um die Bestätigung der versprochenen Schaltung von Anzeigen in der Ostseezeitung. Er erhielt eine Mail mit einem Plan zur Schaltung von Anzeigen verschiedener Firmen.

      Am nächsten Morgen studierte Ferdinand die von seiner Sekretärin täglich vorbereiteten Auszüge von Tageszeitungen aus verschiedenen Regionen des Landes. Die Kanzlei hatte einen großen Klientenkreis aus vielen Bundesländern. So auch Auszüge von der OstseeZeitung. Als er die Schlagzeile Stadt an der Ostsee gerät in Wassernot las, nickte er und schrieb auf seinem Tablet eine kurze verschlüsselte Meldung: Mister can.

      Wenige Minuten später erhielten europäische Nachrichtenagenturen eine Mitteilung über Wassernot in Großstädten und die damit verbundenen Gefahren bis hin zu sozialen Unruhen. Im Umweltministerium war man über diese als gefährlich eingestufte Nachrichten erschrocken, weil es keine Vorzeichen für eine solche Entwicklung gab.

      Marie Naschneiner-Schuch wurde gebeten, sich der Angelegenheit anzunehmen. Ihre Mitarbeiter und sie recherchierten nach den Quellen dieser Nachrichten und waren nach kurzer Zeit überzeugt, dass es sich nicht um eine Finte handelte. Marie bat den zuständigen Mitarbeiter für Kommunikation zu sich:

      „Stellen Sie bitte fest, ob es zu diesem Thema weitere Veröffentlichungen geben kann, zum Beispiel in Rundfunk oder Fernsehen.“

      „Die zuständigen Redaktionen werden sofort befragt.“

      8

      Die Schlagzeile Stadt an der Ostsee gerät in Wassernot schockierte die Bürger in Rostock. Dort las Lehrer Otten die Lokalseite der OstseeZeitung an diesem Tag zum zweiten Mal. Er ist ein akribischer Zeitungsleser und lässt fast keine Zeile aus. Gerne findet er sich selbst in der Rubrik Leserbriefe wieder. Seine sonst glatte Stirn legte sich in Falten. Er strich mit seiner linken Hand durch seine blonden Haare, die etwas strähnig und dünn seinen Kopf bedeckten. Mehrfach rückte er seine fast randlose Brille mit den flexiblen Bügeln zurecht. Die Schlagzeile ärgerte ihn. Er verfolgte den Artikel Zeile für Zeile mit ausgestrecktem Finger und traute dem Inhalt nicht. Das ist Unfug, grober Unfug. Die Wasserwerke sind doch vor kurzer Zeit saniert worden. Er fand die dortige Meldung abscheulich und ganz und gar nicht in Ordnung.

      Einige der übrigen Besucher des Lokals Die Kogge waren ihm bereits bekannt. Es war ein lockerer Stammtisch ohne die Verpflichtung regelmäßiger Anwesenheit. Otten las eine kurze Zeit später den Artikel noch einmal mit dem Finger, weil ihm der Inhalt überhaupt nicht passte. Zornig steckte er die Zeitung in die Innentasche seiner Lederjacke, unter der er ein blau kariertes Hemd trug. Seine Erregung wurde von den Tischnachbarn beobachtet.

      „Gibt es was Besonderes?“

      Otten nickte. Er hatte instinktiv einen Verdacht und vermutete Manipulation. Er gehörte zu den Menschen, die sehr sensibel auf Veränderungen und auffallende Nachrichten reagieren.

      „Ich verstehe nicht, dass angeblich ein Problem mit unserem Wasser bestehen soll. Das muss doch wissenschaftlich fundiert und nachgewiesen werden. Außerdem hat man die Wasserwerke vor gar nicht langer Zeit modernisiert.“

      „Machen Sie sich da keine Sorgen. Das ist vielleicht eine voreilige und vorgeschickte Information, damit viele Leute sich aufregen und sich rühren, aufmerksam werden. Das steigert auch die Auflage des Blattes.

      Übrigens gibt es morgen eine aktuelle Fernsehsendung zu dem Thema. Es handelt sich um die Sendung GesünderLeben. Die sollten Sie sich anschauen. Das Umweltministerium soll auch vertreten sein. Von dort kommen bestimmt klare Aussagen zum Thema. Unsere Leute hier wissen ja über diese angebliche Problematik bestimmt nicht Bescheid.“

      „Das kann man nicht ausschließen.“

      „Also werden wir beim nächsten Stammtisch darüber reden.“

      „Klar. Das machen wir. Danke für Ihren Hinweis.“

      Lehrer Otten zog die Zeitung aus seiner Jackentasche, überflog noch einmal den Artikel, schüttelte den Kopf, faltete die Zeitung wieder zusammen und steckte sie zurück. Er leerte sein Bierglas. Seine Stirn über der kurzen Nase und den blauen Augen mit den schmal getrimmten Augenbrauen zeigte immer noch Sorgenfalten.

      „Wer schreibt das überhaupt in der Zeitung?“

      „Das ist der Schuch. Von dem habe ich schon Verschiedenes gelesen. Erik Schuch. Ich glaube der hat eine Agentur als freier Journalist.“

      Im Geographieunterricht seiner Klass wurde der