Gert Podszun

WasserGeld


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verstanden. Senden Sie mir Ihre Konzepte. Mit welchem Anzeigenvolumen kann ich rechnen?“

      „Sie werden zufrieden sein. Sie beauftragen Erik Schuch für die Serie!“

      „Unmittelbar nach Erhalt Ihrer Dokumente.“

      „Ich gehe davon aus, dass dieses Gespräch nicht stattgefunden hat, sonst müsste ich eine andere Veröffentlichung initiieren.“

      „Es ist verstanden.“

      Die beiden Herren wurden handelseinig. Gegen das Erscheinen einer kritischen Artikelserie über die Wasserversorgung würde die FN-Holding dafür sorgen, dass eine angemessene Anzahl von Anzeigen verschiedener Firmen in der OstseeZeitung erscheinen würde. Ferdinand beauftragte die Presseabteilung seines Konzerns mit der Anzeigenplanung für einige Firmen, an denen die FN-Holding beteiligt war. Eine Anzeige über die Kanzlei Naschneiner war nicht vorgesehen.

      7

      Erik Schuch, Inhaber der Presseagentur Schuch mit Sitz in einem Vorort von Rostock, erinnerte sich nicht gerne an den Ort, in dem er seine Kindheit und die ersten Jahre seiner Pubertät verbracht hatte. Es war ein kleines Dorf in der Nähe von Hannover, ein Straßendorf, ein paar Bauernhöfe und ein paar Vier- und Sechsfamilienhäuser. In diesen Häusern wohnten meistens Familien, die zugezogen waren und schwer in die Dorfgemeinschaft integriert wurden.

      Eriks Mutter neigte zu Geselligkeit und Tanzvergnügen, fand aber wenig Gelegenheiten im Dorf. Daher wünschte sie sich ab und zu, dass ihr Mann mit ihr nach Hannover fahren sollte, um dort ein Tanzlokal oder ein Restaurant aufzusuchen. Eriks Vater wollte das nicht, er war nicht glücklich darüber, in diesem Ort gelandet zu sein, hatte er doch vorher in einer größeren Fabrik in Kassel Arbeit gefunden. Wegen eines gesundheitlichen Problems konnte er diese Arbeit nicht weiter fortsetzen und musste Alternativen suchen. Das Arbeitsamt vermittelte ihm eine Stelle im Nachbarort als Lagerverwalter. Dort war die körperliche Belastung geringer, dennoch sehnte er sich nach seiner alten Funktion zurück.

      Als sich herausstellte, dass im Nachbarort seit kurzer Zeit Verwandte der Familie Schuch wohnten, senkte sich die Spannung zwischen Eriks Eltern ein wenig. Die Verwandten, die Familie des Bruders von Eriks Vater, hatten eine Tochter und einen Sohn. Sie hießen Marie und Josef. Ihr Vater war überzeugter Anhänger der Zeugen Jehovas und blickte skeptisch auf die Fähigkeiten der Ärzte und ihre Kunst. Das wurde wichtig, als Josef im Alter von achtzehn Jahren sehr oft müde und träge wurde und zu keiner Tätigkeit Lust entwickeln konnte. Seine Mutter Elisabeth schlug vor, ärztlichen Rat zu suchen, was ihr Mann aus Glaubensgründen ablehnte.

      Marie war einige Jahre jünger als ihr Bruder und war in ihrer Schulklasse gut integriert. Oft traf sie Freundinnen, mit denen sie spielte. Ihr Bruder hatte keine Freunde im Dorf. So versuchte sie, ihn aus seinem Tief zu holen und fragte nicht nach Gründen. Sie versuchte ihn aufzumuntern, indem sie Fratzen schnitt oder lustige Geschichten erzählte. Das gelang ihr nur in geringem Maße.

      Eines Tages nahm Josef sie zur Seite.

      „Es tut mir leid, wenn Du denkst, dass ich eine Macke habe. Das stimmt so nicht. Ich will auch keinen Arzt. Ich finde es nur irrsinnig langweilig hier. Hier passiert einfach nichts. Wenn hier alles so bleibt, lande ich irgendwo in der Nähe und kenne nichts von der Welt. Ich werde mein Abitur schaffen und dann suche ich das Weite. Bevor ich ein Studium oder eine Lehre beginne, möchte ich erst einmal raus aus diesem Dorf und dieser engstirnigen Denkweise der Zeugen Jehovas - Ich denke, dass unser Vater spinnt. Aber behalte das für dich.“

      Marie freute sich über das Vertrauen ihres Bruders und erzählte seinen Plan nicht weiter.

      Kurz nach dem Abitur war Josef urplötzlich verschwunden. Marie ahnte, was er vorhatte, wusste aber nicht, wie sie ihn eventuell erreichen konnte. Sie glaubte fest daran, dass er als Landstreicher unterwegs war.

      Ihre Mutter grämte sich, weil Josef nicht aufzufinden war und fand sehr oft Gelegenheit, ihrem Mann deswegen Vorwürfe zu machen. Eine Reihe von Streitigkeiten blieb nicht aus. Irgendwann eskalierte der Streit so weit, dass der Vater sich betrank und wenig später das Haus verließ und nicht wiederkam. Seine Frau fand bald heraus, dass er mit einer Gläubigen aus dem Kreise der Zeugen Jehovas ein Verhältnis begonnen hatte. Sie erfuhr wenig später, dass ihr Mann in den Armen dieser Frau gestorben war. Eine Todesursache hat sie nie erfahren.

      Sie blieb mit Marie alleine und musste für beider Unterhalt sorgen. Sie suchte eine Stelle in Hannover. Ihre Ausbildung als Fremdsprachenkorrespondentin und Buchhalterin sollte eine gute Basis für eine Anstellung sein. Davon war sie überzeugt.

      „Ich werde kämpfen!“

      Sie fand moralische Unterstützung in der Familie und traf sich einige Male mit Eriks Eltern. Sie unterstützten die Schwägerin in ihrem Bemühen, in der nahe gelegenen Stadt eine Anstellung zu suchen und berieten sie entsprechend. Marie hing sehr an ihrer Mutter und unterstützte sie so gut sie konnte.

      Erik führte seit Beginn seiner Schulzeit ein Tagebuch. Dort hielt er die Ereignisse in den beiden Familien fest und empfand viel Freude beim Schreiben. Das führte letztlich dazu, dass er Journalist werden wollte. Nach dem Besuch der Deutschen Journalistenschule praktizierte er bei verschiedenen Verlagen. Er wollte seine Unabhängigkeit wahren und entschied sich nach einem Praktikum bei der OstseeZeitung, sich als freier Journalist niederzulassen. Seine vielen Standortwechsel hatten die Verbindung zu seinen Verwandten erlöschen lassen.

      Erik interessierte sich als freier Journalist besonders für europolitische und internationale wirtschaftliche Beziehungen. Er hatte auch die die Pressemitteilungen der EU über die beabsichtigte Privatisierung der Wasserversorgung gelesen und sich ein eigenes Bild über diese Problematik gemacht. Seine Agentur arbeitete gelegentlich für die OstseeZeitung. Dort wurde er als zuverlässiger Rechercheur und guter Texter geschätzt. Zudem war bekannt, dass er kein Parteibuch hatte, sondern sich bei attac engagierte. In politischen und wirtschaftlichen Belangen vertrat er eine neutrale Position. Der Anruf des Chefredakteurs der OstseeZeitung erreichte ihn am Vormittag.

      „Herr Schuch, ich grüße Sie.“

      „Guten Morgen, Herr Hansen. Was kann ich für Sie tun?“

      „Sie könne tatsächlich etwas für unser gemeinsames Interesse tun. Sie kennen doch die Nachrichten aus Brüssel, die sich mit der Privatisierung von Wasserwerken beschäftigen.“

      „Selbstverständlich. Das ist ein sehr bemerkenswerter Vorstoß, der augenscheinlich mit der Finanzkrise in Zusammenhang gebracht worden ist. Man weiß ja nie genau, wessen Interessen wirklich hinter solchen Vorhaben stehen.“

      „Das sehen Sie richtig. Es ist auf jeden Fall sehr aktuell. Und damit bin ich schon bei meinem heutigen Thema. Können Sie eine Artikelserie über die Wasserversorgung vorbereiten? Der Tenor sollte etwas kritisch sein, um die Aufmerksamkeit der Bürgerinnen und Bürger auf das Thema zu lenken. Sie könnten da ruhig ein wenig schwarzmalen. Denken Sie auch an die Verseuchung des Grundwassers, den Sauren Regen und die defekten Infrastrukturen. Das Thema hat eine starke politische Dimension. Die Regierungspartei neigt dazu, den Empfehlungen der EU zu folgen. Das ist wegen der bevorstehenden Wahlen von äußerst besonderer Bedeutung. Zielsetzung sollte sein, den denkbaren Widerstand gegen eine Privatisierung zu erweichen.“

      „Sie meinen, dass Übertreibung anschaulich macht?“

      „Ja, so in der Art. Zunächst ja, dann wird die Botschaft positiv. Seien Sie durchaus ein wenig kritischer als sonst. Sie erhalten von mir per E-Mail ein paar Informationen, die Sie gerne verwenden sollten.“

      „Ich verstehe. Sie erhalten danach kurzfristig mein Konzept zu dem Themenkreis.“

      „Es kann durchaus eine kleine Serie sein. Noch eine Anmerkung. Wenn wir dieses Thema gut aufbereiten, könnte ich mir vorstellen, dass sich das Fernsehen dafür interessieren würde. Ich kann mir vorstellen, entsprechende Kontakt aufzubauen.“

      „Das wäre natürlich großartig. Ich danke Ihnen und starte sofort.“

      „Bis bald!“