Solomon Northup

12 Jahre als Sklave


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hatten, mich in der nächsten Nacht erneut unter dem Langboot zu verstecken. Seine Wache endete um zwölf, ich sah ihn zum Vorderschiff gehen, und folgte ihm nach etwa einer Stunde. Er döste im Halbschlaf über einem Tisch, auf dem ein schwaches Licht flackerte und auf dem ebenfalls ein Stift und ein Blatt Papier lagen. Als ich eintrat wurde er wach, bedeutete mir neben ihm Platz zu nehmen und zeigte auf das Papier. Ich richtete den Brief an Henry B. Northup aus Sandy Hill – bekundete, dass ich entführt worden war, zur Zeit an Bord der Brigg Orleans war auf dem Weg nach New Orleans; dass es mir derzeit unmöglich sei, mein endgültiges Ziel zu mutmaßen, und bat, dass er Maßnahmen ergriffe, mich zu retten. Der Brief wurde versiegelt und adressiert, und Manning versprach, nachdem er ihn gelesen hatte, ihn im Postamt von New Orleans abzugeben. Ich eilte zurück zu meinem Platz unter dem Langboot, und am Morgen, als die Sklaven herauskamen und herumliefen, kroch ich heraus und mischte mich unter sie.

      Mein guter Freund, dessen Name John Manning war, war von Geburt her Engländer, und ein edelmütigerer, großzügigerer Seemann schritt nie über ein Deck. Er hatte in Boston gelebt – war ein großer, gut gebauter Mann, etwa vierundzwanzig Jahre alt, mit einem Gesicht, das leicht pockennarbig war, doch erfüllt von einem wohlwollenden Ausdruck.

      Nichts geschah, um die Eintönigkeit unseres täglichen Lebens abzuändern bis wir New Orleans erreichten. Als wir den Damm erreichten und noch bevor das Schiff festgemacht war, sah ich Manning an Land springen und in die Stadt davoneilen. Als er loslief, warf er einen bedeutungsvollen Blick über seine Schulter, womit er mir das Ziel seines Botengangs zu verstehen gab. Schließlich kehrte er zurück, und nah an mir vorbeistreifend, gab er mir einen leichten Knuff mit dem Ellbogen, mit einem besonderen Zwinkern, wie um mir zu sagen „es ist in Ordnung.“

      Der Brief erreichte Sandy Hill, wie ich seitdem erfahren habe. Mr. Northup fuhr nach Albany und legte ihn Gouverneur Seward vor, aber insoweit er keine eindeutige Information hinsichtlich meines wahrscheinlichen Aufenthaltsortes enthielt, wurde es zu diesem Zeitpunkt nicht für ratsam gehalten, Maßnahmen zu meiner Befreiung in die Wege zu leiten. Es wurde beschlossen, dies aufzuschieben, im Vertrauen, dass schließlich in Erfahrung gebracht würde, wo ich weilte.

      Wir wurden Zeuge einer glücklichen und anrührenden Szene unmittelbar, nachdem wir den Damm erreichten. Gerade als Manning die Brigg auf dem Weg zum Postamt verlassen hatte, kamen zwei Männer an Bord und riefen laut nach Arthur. Letzterer war beinahe rasend vor Vergnügen, als er sie erkannte. Es waren Männer aus Norfolk, die nach New Orleans gekommen waren, um ihn zu retten. Seine Entführer, so informierten sie ihn, waren verhaftet und in Norfolk ins Gefängnis gesperrt worden. Sie unterhielten sich einige Augenblicke mit dem Kapitän, und gingen dann mit dem erleichterten Arthur davon.

      Doch in der ganzen Menschenmenge, die sich auf dem Dock tummelte, gab es niemandem, der mich kannte oder sich um mich kümmerte. Niemand. Keine bekannte Stimme begrüßte meine Ohren, noch gab es auch nur ein Gesicht, das ich schon einmal gesehen hatte. Bald würde Arthur wieder mit seiner Familie vereint sein und das ihm zugefügte Unrecht zu seiner Befriedigung gerächt: doch weh, sollte ich meine Familie überhaupt noch einmal wieder sehen? In meinem Herzen machte sich das Gefühl völliger Verlassenheit breit, erfüllte es mit dem verzweifelnden und bedauernden Gedanken, dass ich nicht mit Robert zum Grund des Meeres gesunken war.

      Sehr bald kamen Händler und Käufer an Bord. Einer, ein großer dünngesichtiger Mann, mit hellem Teint und ein wenig gebeugt, trat mit einem Papier in der Hand in Erscheinung. Burchs Kolonne, die aus mir, Eliza und ihren Kindern, Harry, Lethe, und einigen anderen bestand, die in Richmond zu uns gestoßen waren, wurde ihm übergeben. Dieser Gentleman war Mr. Theophilus Freeman. Von seinem Papier ablesend rief er: „Platt.“ Niemand antwortete. Der Name wurde wieder und wieder gerufen, doch es gab immer noch keine Antwort. Dann wurde Lethe gerufen, dann Eliza, dann Harry, bis die Liste abgearbeitet war, jeder vortretend, wenn sein oder ihr Name gerufen wurde.

      „Kapitän, wo ist Platt?“, wollte Theophilus Freeman wissen.

      Der Kapitän konnte es ihm nicht sagen, da niemand an Bord war, der auf diesen Namen höre.

      „Wer hat diesen Nigger verschifft?“, fragte er abermals beim Kapitän nach, auf mich deutend.

      „Burch“, antwortete der Kapitän.

      „Dein Name ist Platt – du passt zu meiner Beschreibung. Warum trittst du nicht vor?“, verlangte er in zornigem Tonfall von mir zu wissen.

      Ich setzte ihn darüber in Kenntnis, dass dies nicht mein Name sei; dass ich niemals so genannt worden sei, aber keinen Einwand dagegen hätte, soweit ich wüsste.

      „Nun, ich werde dir deinen Namen beibringen“, sagte er; „und zwar so, dass du ihn auch nicht mehr vergessen wirst, bei Gott“, fügte er hinzu.

      Mr. Theophilus Freeman stand übrigens seinem Partner Burch nicht im Geringsten hinsichtlich des Gebrauchs blasphemischer Redewendungen nach. Auf dem Schiff hatte ich auf den Namen „Steward“ gehört, und dies war das erste Mal, dass ich als Platt bezeichnet wurde – der Name, den Burch seinem Abnehmer übermittelt hatte. Vom Schiff aus beobachtete ich die Sklavenkolonne, die am Deich arbeitete. Wir kamen nahe bei ihnen vorbei, als wir zu Freemans Sklavenpferch getrieben wurden. Dieser Pferch ähnelt stark dem von Goodin in Richmond, außer dass dieser Hof von Brettern, aufrecht stehend und mit spitzen Enden, umgeben war, anstatt von Ziegelmauern.

      Uns eingeschlossen waren wir nun wenigstens fünfzig in diesem Pferch. Nachdem wir unsere Decken in einem der kleinen Gebäude auf dem Hof verstaut hatten und zusammengerufen und gefüttert worden waren, wurde uns erlaubt, bis zum Abend auf dem Gelände herumzuschlendern, worauf wir uns dann in unsere Decken hüllten und uns unter dem Schuppendach, oder auf dem Dachboden oder dem offenen Hof hinlegten, so wie es jeder vorzog.

       KAPITEL VI.

      FREEMANS FLEISS – SAUBERKEIT UND KLEIDER – ÜBEN IM SCHAURAUM – DER TANZ – BOB, DER FIEDLER – ANKUNFT DER KUNDSCHAFT – SKLAVEN UNTERSUCHT – DER ALTE GENTLEMAN VON NEW ORLEANS – DER VERKAUF VON DAVID, CAROLINE UND LETHE – ABSCHIED VON RANDALL UND ELIZA – DIE POCKEN – DAS HOSPITAL – GESUNDUNG UND RÜCKKEHR IN FREEMANS SKLAVENPFERCH – DER KÄUFER VON ELIZA, HARRY UND PLATT – ELIZAS SCHMERZ BEI DER TRENNUNG VON DER KLEINEN EMILY.

      Der sehr liebenswürdige, gottesfürchtige Mr. Theophilus Freeman, Partner oder Warenabnehmer von James H. Burch und Inhaber des Sklavenpferches in New Orleans, war früh am Morgen draußen bei seinem Vieh. Mit einem gelegentlichen Tritt für die älteren Männer und Frauen und so manch scharfem Peitschenknall um die Ohren der jüngeren Sklaven dauerte es nicht lange, bis sie alle auf den Beinen und hellwach waren. Mr. Theophilus Freeman schwirrte auf sehr emsige Weise umher, seine Ware für den Schauraum bereit machend, ohne Zweifel mit der Absicht, an diesem Tag stürmische Geschäfte zu tätigen.

      Zuallererst hatten wir uns gründlich zu waschen, und die mit Bart sich zu rasieren. Dann wurde jeder von uns mit einem neuen Anzug ausgestattet, billig aber sauber. Die Männer trugen Hut, Mantel, Hemd, Hose und Schuhe; die Frauen Hauskleider aus Baumwollstoff, und Taschentücher, die sie um ihre Köpfe banden. Nun wurden wir in einen großen Raum an der Vorderseite des Gebäudes geführt, an das sich der Hof anschloss, um ordentlich trainiert zu werden, bevor die Kunden hereingelassen wurden. Die Männer wurden auf der einen Seite des Raumes aufgereiht, die Frauen auf der anderen. Der Größte wurde an die Spitze der Reihe gestellt, dann der Nächstgrößte, und so weiter immer der Größe nach. Emily bildete das Ende der Frauenreihe. Freeman trug uns auf, uns an unsere Plätze zu erinnern; ermahnte uns, pfiffig und beschwingt zu erscheinen – manchmal drohend, dann wieder verschiedene Anreize bereithaltend. Während des Tages übte er mit uns die Kunst „pfiffig auszusehen“, und uns mit exakter Genauigkeit an unsere Plätze zu begeben.

      Nachdem wir gefüttert worden waren, wurden wir am Nachmittag wieder zur Schau gestellt und gezwungen zu tanzen. Bob, ein farbiger Junge, der schon lange Freeman gehörte, spielte auf der Geige. Neben ihm stehend, fragte ich kühn nach, ob er den „Virginia Reel“ spielen könne. Er antwortete, das könne er nicht und fragte mich, ob ich spielen könnte. Ich bestätigte dieses und er gab mir die Geige. Ich stimmte die Melodie an und spielte das Lied zu Ende. Freeman