ich als Freier geboren worden war. Es würde mich nur Misshandlungen aussetzen und die Chancen meiner Befreiung vermindern.
Am Morgen wurden wir nach Sonnenaufgang zum Frühstück auf das Deck gerufen. Burch nahm uns die Handschellen ab und wir setzten uns an den Tisch. Er fragte Eliza, ob sie sich ein Schlückchen genehmigen wolle. Sie lehnte ab, ihm höflich dankend. Während der Mahlzeit schwiegen wir alle – kein Wort wurde zwischen uns gewechselt. Eine Mulattin, die am Tisch bediente, schien Anteil an unserem Schicksal zu nehmen – sie forderte uns auf, guten Mutes zu sein und nicht so niedergeschlagen. Nach dem Frühstück wurden uns die Handschellen wieder angelegt, und Burch befahl uns, zum Achterdeck zu gehen. Wir saßen zusammen auf ein paar Kisten und sagten immer noch nichts in Burchs Gegenwart. Gelegentlich kam ein Passagier dahin herüber, wo wir saßen, blickte uns eine Weile an, dann kehrte er schweigend zurück.
Es war ein sehr schöner Morgen. Die Felder entlang des Flusses waren mit Grün bedeckt, weit über das Maß hinaus, wie ich es zu dieser Jahreszeit erwartet hätte. Die Sonne schien warm herab; die Vögel sangen in den Bäumen. Die glücklichen Vögel – ich beneidete sie. Ich wünschte mir Flügel, so wie sie, auf dass ich die Lüfte zerteilen könne, dahin, wo meine Küken im kühleren Norden vergeblich auf das Kommen ihres Vaters warteten.
Am Vormittag erreichte der Dampfer Aquia Creek. Dort stiegen die Passagiere in Kutschen um – Burch und seine fünf Sklaven nahmen eine allein in Beschlag. Er lachte mit den Kindern, und bei einem Halt ging er sogar soweit aus sich heraus, dass er ihnen ein Stück Pfefferkuchen kaufte. Er sagte mir, ich solle meinen Kopf hochhalten und schlau aussehen. Auf diese Weise mochte ich vielleicht einen guten Herrn erwischen, wenn ich mich benähme. Ich erwiderte darauf nichts. Sein Gesicht war mir verhasst, und ich konnte nicht ertragen, es anzublicken. Ich saß in der Ecke, in meinem Herzen die Hoffnung nährend, die noch nicht völlig erloschen war, dem Tyrannen eines Tages auf dem Boden meines Heimatstaates zu begegnen.
In Fredericksburgh wurden wir von der Kutsche in einen Eisenbahnwaggon verladen, und vor Einbruch der Dunkelheit kamen wir in Richmond, der wichtigsten Stadt Virginias an. In dieser Stadt wurden wir aus dem Waggon geholt, und durch die Straße zu einem Sklavenpferch getrieben, zwischen dem Eisenbahndepot und dem Fluss gelegen, von einem Mr. Goodin geführt. Dieser Pferch ähnelte dem von Williams in Washington, außer dass er etwas größer war; außerdem standen zwei kleine Hütten in gegenüberliegenden Ecken des Hofes. Diese Hütten findet man gewöhnlich in Sklavenpferchen, wo sie zur Untersuchung des menschlichen Viehs durch den Käufer genutzt werden, bevor der Handel besiegelt wird. Schwächlichkeit bei einem Sklaven sorgt ebenso wie bei einem Pferd für einen beträchtlichen Wertverlust. Wenn keine Garantie gewährleistet wird, ist eine genaue Untersuchung für einen „Negerjockey“ (Anm. d. Übers.: eine abwertende Bezeichnung für Sklavenhändler, die trotz ihrer Bedeutung für die Wirtschaft der Südstaaten auch innerhalb dieser Staaten ausgegrenzt wurden. Diese Schizophrenie wird durch die ebenfalls übliche Bezeichnung „Südstaaten-Shylock“ noch deutlicher.) ganz besonders wichtig.
Wir wurden an der Tür von Goodins Hof von diesem Gentleman persönlich begrüßt – ein kleiner, fetter Mann mit einem runden, feisten Gesicht, schwarzem Haar und Schnurrbart, und einem Teint, der fast so dunkel war wie der von einigen seiner eigenen Schwarzen. Ihm war ein hartes, strenges Aussehen zu eigen, und er war vielleicht fünfzig Jahre alt. Burch und er begrüßten sich mit größter Herzlichkeit. Sie waren offensichtlich alte Freunde. Einander wärmstens die Hände schüttelnd, bemerkte Burch, dass er etwas Gesellschaft mitgebracht hätte, erkundigte sich, um welche Uhrzeit die Brigg losfahren würde, und bekam zur Antwort, dass sie vermutlich am nächsten Tag um die und die Zeit losmachen würde. Dann wandte sich Goodin mir zu, nahm mich am Arm, drehte mich ein Stück herum, blickte mich scharf an mit dem Auftreten eines Mannes, der sich selbst für einen guten Kenner von Waren hält, und als ob er im Geiste abschätzte, wie viel ich wert sein mochte.
„Nun, Junge, wo bist du her?“ Mich einen Augenblick vergessend, antwortete ich: „Aus New York.“
„New York! Hölle! Was hast du denn da oben gemacht?“, war seine erstaunte Frage.
Als ich Burch in diesem Augenblick beobachtete, wie er mich mit einem zornigen Ausdruck ansah, dessen Bedeutung nicht schwer zu verstehen war, antwortete ich sofort: „O, ich war nur kurz dort oben gewesen“, auf eine Weise, die andeuten sollte, dass auch wenn ich schon bis nach New York gekommen war, ich doch eindeutig zu verstehen geben wollte, dass ich nicht zu jenem freien Staat gehörte, wie auch zu keinem anderen.
Goodin wandte sich dann Clem zu, und danach Eliza und den Kindern, untersuchte sie gründlich und stellte verschiedene Fragen. Er war mit Emily sehr zufrieden, wie jeder, der das liebenswerte Antlitz des Mädchens sah. Sie war nicht mehr so sauber wie damals, als ich sie das erste Mal sah; ihr Haar war nun etwas in Unordnung; aber durch seine zerzauste und weiche Fülle strahlte immer noch ein kleines Gesicht von höchst überragender Lieblichkeit. „Insgesamt ein hübscher Posten – ein teuflisch guter Posten“, sagte er, diese Meinung mit mehr als einem einfühlsamen Adjektiv verstärkend, die man in keinem christlichen Vokabular finden konnte. Daraufhin gingen wir in den Hof. Eine ansehnliche Zahl von Sklaven, etwa dreißig möchte ich meinen, bewegten sich dort umher, oder saßen auf Bänken unter dem Schuppendach. Sie waren alle sauber angezogen – die Männer trugen Hüte, die Frauen Taschentücher um ihre Köpfe geknotet.
Burch und Goodin stiegen, nachdem sie sich von uns abgesondert hatten, die Treppe hinauf zum hinteren Teil des Hauptgebäudes und setzten sich auf die Türschwelle. Sie begannen eine Unterhaltung, doch das Thema davon konnte ich nicht hören. Schließlich kam Burch in den Hof hinab, kettete mich los und führte mich in eine der kleinen Hütten.
„Du hast dem Mann gesagt, du kämst aus New York“, sagte er.
Ich antwortete: „Ich sagte ihm, dass ich bis in New York gewesen sei, das stimmt, aber ich sagte ihm nicht, dass ich dort hingehörte, noch dass ich ein freier Mann wäre. Ich dachte mir überhaupt nichts dabei, Master Burch. Ich hätte es nicht gesagt, wenn ich nachgedacht hätte.“
Er sah mich einen Augenblick an, als wäre er bereit mich zu verschlingen, dann drehte er sich um und ging raus. Nach wenigen Minuten kehrte er zurück. „Wenn ich jemals höre, wie du nur ein Wort über New York verlierst, oder über deine Freiheit, dann werde ich dein Tod sein – ich werde dich töten; darauf kannst du dich verlassen“, stieß er wütend hervor.
Ich bezweifle nicht, dass er damals besser noch als ich die Gefahr und die Strafe verstand, einen freien Mann in die Sklaverei zu verkaufen. Er spürte die Notwendigkeit, meinen Mund vor dem Verbrechen zu schließen, das er wissentlich beging. Natürlich hätte mein Leben noch nicht einmal soviel wie eine Feder gewogen, hätte ein Notfall ein solches Opfer erfordert. Zweifelsfrei meinte er genau das, was er sagte.
Unter dem Schuppendach auf einer Seite des Hofes war eine grobe Tafel aufgebaut worden, während darüber auf dem Boden geschlafen wurde – so wie in dem Pferch in Washington. Nachdem wir an diesem Tisch unser Abendessen aus Schweinefleisch und Brot zu uns genommen hatten, wurde ich mit der Handschelle an einen großen, gelben Mann gekettet, der recht kräftig und fleischig war, mit einer Miene, die äußerste Schwermut zur Schau trug. Er war ein Mann von Intelligenz und voller Informationen. Zusammengekettet dauerte es nicht lange, bis wir uns mit unserer Geschichte bekannt gemacht hatten. Sein Name war Robert. Wie ich, war auch er frei geboren, und besaß eine Frau und zwei Kinder in Cincinnati. Er sagte, er wäre mit zwei Männern nach Süden gekommen, die ihn an seinem Wohnort angeworben hätten. Ohne Freiennachweis war er in Fredericksburgh aufgegriffen worden, in Gefangenschaft genommen und geschlagen worden, bis er, so wie ich auch, die Notwendigkeit und Klugheit des Schweigens gelernt hatte. Er war seit etwa drei Wochen in Goodins Pferch. Diesem Mann fühlte ich mich sehr nahe. Wir brachten füreinander Mitleid auf und verstanden uns. Und es war mit Tränen und schwerem Herzen, dass ich ihn nicht viele Tage danach sterben sah und ein letztes Mal seine leblose Gestalt anblickte!
Robert und ich, sowie Clem, Eliza und ihre Kinder schliefen in dieser Nacht auf unseren Decken, in einer der kleinen Hütten auf dem Hof. Es gab noch vier andere, die ebenfalls die Hütte mit uns belegten, alle von derselben Plantage, die man verkauft hatte und die nun auf dem Weg nach Süden waren. David und seine Frau Caroline, beides Mulatten, waren außerordentlich