Solomon Northup

12 Jahre als Sklave


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und ihrem Kummer geworden. Es wäre eine Erleichterung, wenn ich für immer die Szene, welche nun folgte, schweigend übergehen könnte. Sie ruft Erinnerungen zurück, welche trauriger und bewegender sind, als sie irgendwelche Worte darstellen könnten. Ich habe Mütter gesehen, die ein letztes Mal die Gesichter ihrer toten Kinder küssten; ich habe sie hinab in das Grab blicken sehen, während die Erde mit hohlem Klang auf die Särge fiel, diese für immer vor ihrem Blick verbergend; doch niemals habe ich eine derartige Zurschaustellung heftigen, maßlosen und unbändigen Leids gesehen, als zu dem Zeitpunkt als Eliza von ihrem Kind getrennt wurde. Sie löste sich von dem Platz, wo sie in der Reihe der Frauen stand und stürzte dorthin, wo Emily stand, umfing sie mit ihren Armen. Das Kind, welches eine drohende Gefahr verspürte, klammerte instinktiv ihre Arme um den Hals ihrer Mutter, und drückte seinen kleinen Kopf gegen ihren Busen. Freeman befahl ihr streng, ruhig zu sein, doch sie beachtete ihn nicht. Er packte sie am Arm und zog grob daran, doch sie klammerte sich nur noch enger an ihr Kind. Da versetzte er ihr mit einer Breitseite gewaltiger Flüche einen herzlosen Hieb, so dass sie rückwärts stolperte und hinzufallen drohte. O, wie kläglich sie da bettelte und flehte und betete, dass sie nicht getrennt würden. Warum konnten sie nicht zusammen gekauft werden? Warum durfte sie nicht wenigstens bei einem ihrer kostbaren Kinder bleiben? „Gnade, Gnade, Herr!“, rief sie, auf die Knie fallend. „Bitte, Herr, kauft Emily. Ich werde nicht arbeiten können, wenn sie von mir genommen wird: ich werde sterben.“

      Freeman mischte sich erneut ein, doch ohne ihn zu beachten, brachte sie weiter ihre aufrichtige Bitte vor, berichtete, wie ihr Randall genommen wurde – wie sie ihn niemals wieder sehen würde, und dies wäre nun zu schlimm – o Gott! es war zu schlimm, zu grausam, sie von Emily fortzubringen – ihrem Stolz – ihrem einzigen Liebling, die so jung war, dass sie nicht ohne ihre Mutter leben konnte!

      Schließlich, nach vielem weiterem Flehen, trat der Käufer Elizas vor, offenkundig angerührt, sagte Freeman, er würde Emily kaufen, und fragte ihn, was ihr Preis sei.

      „Was ihr Preis ist? Sie kaufen?“, war die Gegenfrage, die Theophilus Freeman zur Antwort gab. Und seine eigene Frage sofort beantwortend, fügte er hinzu: „Ich werde sie nicht verkaufen. Sie steht nicht zum Verkauf.“

      Der Mann merkte an, dass er eigentlich ein so junges Kind nicht brauchte – dass sie ihm keinen Gewinn bringen würde, doch da die Mutter so an ihr hängen würde, wäre er bereit einen vernünftigen Preis zu bezahlen, bevor sie getrennt würden. Doch diesem menschenfreundlichen Vorschlag gegenüber war Freeman völlig taub. Er würde sie auf gar keinen Fall verkaufen. An ihr würde er einen ganzen Berg voll Geld verdienen, wenn sie einige Jahre älter wäre. Es gäbe genügend Männer in New Orleans, die fünftausend Dollar für solch ein außergewöhnlich hübsches und feines Ding, wie es Emily einmal sein werde, bezahlen würden, bevor sie sich so etwas entgehen lassen würden. Nein, nein, er würde sie jetzt nicht verkaufen. Sie war eine Schönheit – bildhübsch – eine Puppe – eine von ordentlichem Blute – keine von euch dicklippigen, kugelköpfigen, baumwollpflückenden Niggern – er solle verdammt sein, wenn sie das wäre.

      Als Eliza Freemans Entschlossenheit vernahm, sich nicht von Emily zu trennen, wurde sie vollkommen rasend.

      „Ich werde nicht ohne sie gehen. Sie werden sie mir nicht wegnehmen“, kreischte sie, und ihre Schreie vermischten sich mit der lauten und zornigen Stimme Freemans, der ihr befahl, still zu sein.

      In der Zwischenzeit waren Harry und ich auf dem Hof gewesen und mit unseren Decken zurückgekehrt, und standen nun an der Tür, bereit zu gehen. Unser Käufer stand nahe bei uns, Eliza mit einer Miene betrachtend, die Bedauern ausdrückte, sie um den Preis von so viel Leid gekauft zu haben. Wir warteten einige Zeit, bis schließlich Freeman, der keine Geduld mehr aufbrachte, Emily mit größter Gewalt ihrer Mutter entriss, auch wenn die beiden sich mit aller Macht aneinandergeklammert hatten.

      „Verlass mich nicht, Mama – verlass mich nicht“, schrie das Kind, als seine Mutter brutal fort gestoßen wurde; „Verlass mich nicht – komm zurück, Mama“, rief sie immer noch, ihre kleinen Arme flehend ausgestreckt. Doch sie weinte umsonst. Wir wurden schnell aus der Tür und auf die Straße hinaus gescheucht. Immer noch konnten wir hören, wie sie ihre Mutter rief: „Komm zurück – verlass mich nicht – komm zurück, Mama“, bis ihre Kinderstimme leiser und immer leiser wurde, und mit zunehmender Entfernung stückchenweise erstarb, bis sie letztlich nicht mehr zu hören war.

      Eliza sah noch hörte jemals wieder etwas von Emily oder Randall. Jedoch blieben sie immer, bei Tag und bei Nacht, in ihrem Andenken. Auf dem Baumwollfeld, in der Hütte, immer und überall sprach sie von ihnen – oftmals mit ihnen, als ob sie tatsächlich da wären. Nur wenn sie in jenes Trugbild versunken war, oder im Schlaf, fand sie im Anschluss einen Augenblick Trost.

      Wie schon gesagt wurde, war sie kein gewöhnlicher Sklave. Zusätzlich zu einem großen Anteil natürlicher Intelligenz besaß sie ein allgemeines Wissen und Kenntnisse zu den allermeisten Themen. Sie hatte Möglichkeiten gehabt, die sich nur den wenigsten ihrer unterdrückten Klasse boten. Sie war in die Bereiche eines höheren Lebens gehoben worden. Freiheit – Freiheit für sich und für ihre Nachkommen war viele Jahre lang ihre Wolke am Tag, ihre Feuersäule bei Nacht. Auf ihrer Pilgerreise durch dir Wildnis der Knechtschaft, die Augen auf jenes Hoffnung verheißende Fanal gerichtet, war sie schließlich auf den „Gipfel des Pisga“ gestiegen und hatte das „Land der Verheißung“ erblickt (Anm. d. Übers.: 5. Buch Mose, Kap. 34,1-4). In einem unerwarteten Augenblick war sie vollkommen von Enttäuschung und Verzweiflung überwältigt worden. Die glorreiche Vision der Freiheit verblasste vor ihren Augen, als sie in die Gefangenschaft davongeführt wurden. Nun „weint sie des Nachts, dass ihr die Tränen über die Wangen laufen; es ist niemand unter allen ihren Freunden, der sie tröstet; alle ihre Nächsten sind ihr untreu und ihre Feinde geworden.“ (Anm. d. Übers.: Klagelieder, Kap. 1,1)

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