Annette Riemer

Das Problem mit Afrika


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Normalbereich an – nein, daran konnte es nicht liegen.

      „Wie ist das Wetter draußen?“, fragte er.

      „Ich bin ein Haus-Manager, weshalb sich mir die Welt außerhalb dieses Gebäudes entzieht. Da jedoch kürzlich der Monat Mai angebrochen ist, vermute ich Frühlingstemperaturen mit leichtem Wind.“

      Vielleicht lag es ja daran, dachte Martin und trat zu der Terrassentür. Aus der Nähe konnte er die Mikrofaser erkennen, die bei jedem Wetter die Kunstsonne strahlen ließ – es musste längst bessere Modelle geben, auch wenn Q3 ihn darüber nicht informierte. Er griff nach der Klinke, drückte sie vorsichtig, aber sie bewegte sich nicht.

      „Q3, öffne die Tür!“, forderte Martin. Mit einem Mal war er ganz erfüllt von dem Wunsch, hinter die Mikrofaser zu sehen.

      „Ich möchte darauf hinweisen, dass Ihnen außerhalb des Hauses jedwede Unterstützung meinerseits …“

      „Mach schon auf!“, rief er aufgebracht – und tatsächlich lockerte sich die Klinke, die Tür sprang geräuschvoll aus dem Rahmen und gab den Blick frei auf einen schier endlosen Rasen. Bäume, Hecken, eine Laube: „Das hier ist also mein Garten“, stellte Martin fest, nachdem er das sonnenbeschiene Grün eine ganze Weile über schweigend betrachtet hatte.

      „Wie gesagt, der Gärtner ist auf den frühen Nachmittag bestellt“, meldete sich Q3 zu Wort, doch Martin hatte kein Ohr für ihn. Er war ganz berauscht von der Wiese, den Blumen, dem Zirpen der Vögel, dem Rauschen des Windes – Doch was tat sich dort hinten, zwischen den Bäumen? War da nicht … „Hallo, Sie!“, rief Martin.

      Eine Frau zuckte überrascht zusammen.

      „Was machen Sie denn da?“ Martin reckte den Hals, doch er sah nicht, was sie dort trieb.

      „Gott, haben Sie mich erschreckt!“ Die Frau lachte hell auf. „Ich wollte nur ein paar Äpfel … das ist doch in Ordnung, oder?“

      Martin kniff die Augen zusammen, doch davon konnte er auch nicht besser hören. „Kommen Sie doch mal her!“, rief er der Frau zu, aber die lachte nur wieder. „Kommen Sie doch!“

      „Ich habe es zuerst gesagt!“, konterte Martin, doch die Frau ließ sich davon nicht beeindrucken. „Na und? Sie wollen ja was.“

      „Ja aber …“ Martin überlegte kurz. „Das ist aber mein Grund und Boden!“

      Die Frau zögerte, dann aber stemmte sie ihre Fäuste in die Seiten. „Das ist aber ein ganz schwaches Argument“, grinste sie frech. Trotzdem kam sie auf Martin zu – zum Glück, dachte er beruhigt, denn er wusste wirklich nicht, wie er sie noch hätte herlocken können.

      „Und nun?“, fragte die Frau, als sie ihm auf der Terrasse gegenüber stand. „Wollen Sie mich anzeigen wegen der paar Äpfel?“

      Martin war wie vor den Kopf gestoßen. „Aber nein!“, meinte er mit einer abwinkenden Handbewegung. Dann versuchte er, zu lächeln. Sie lächelte zurück. Aber warum sagte sie nichts? Langsam glitt sein Blick von dem Gesicht der Frau hinunter bis zu ihren Händen, in denen sie die Äpfel hielt. „Die sehen sehr gut aus.“

      „Ja, die Bäume sind voll damit. Wenn sie nicht bald abgenommen werden … ja, warum pflücken Sie sie eigentlich nicht?“ Die Frau sah ihn mit großen Augen an.

      „Tja, das ist so …“, setzte Martin an, doch verstummte gleich wieder. Das musste so ein Mensch sein, der noch nicht mit der neusten Technik vertraut war, ging es ihm durch den Kopf. Wie sonst könnte sie nur eine so komische Frage stellen. „Wollen Sie vielleicht mit mir frühstücken?“, bot er stattdessen an und deutete auf den Esstisch hinter sich.

      Die Frau lächelte wieder. „Ja, warum eigentlich nicht.“

      Martin hielt ihr die Tür auf, doch kaum hatte sie den ersten Schritt in das Wohnzimmer gesetzt, da meldete sich prompt Q3 rasselnd zu Wort. „Ein Gast ist nicht vorgesehen, entsprechende Datensätze sind nicht vorhanden. Der Umfang der aufzunehmenden Nahrung kann aufgrund mangelnder Angaben zur Person nicht berechnet werden, mangels Erfahrungswerten könnten möglicherweise nicht genügend Badartikel für Erfrischung respektive Erleichterung zur Verfügung stehen. Das Ausmaß an produziertem Tischabfall lässt sich ebenfalls nicht ermessen …“

      „Schon gut, Q3“, wehrte Martin ab. „Stell doch einfach ein gleiches Gedeck hin.“

      „Ich möchte vor jeder weiteren zwischenmenschlichen Interaktion darauf hinweisen, dass die Funktionalität dieses Hauses auf nur einen Bewohner abgestimmt ist“, fuhr Q3 unbeeindruckt fort. „Jede Variation erfordert eine grundlegende Neuprogrammierung.“

      Die Frau suchte etwas verunsichert nach dem Ursprung der Stimme, die von überallher gleichmäßig den Raum durchdrang. „Ich möchte keine Umstände machen“, sagte sie vorsichtig, aber Martin schüttelte nur den Kopf. „Nein, nein, kommen Sie nur.“

      Aber die Frau kam nicht. „Und eigentlich habe ich auch schon gegessen. Ich werde lieber mal wieder gehen.“ Zögerlich schaute sie ihn an. „Oder wollen Sie vielleicht mit?“

      Martin sah etwas ratlos an ihr vorbei in den Garten. „Tja, schon, nur … ich habe nur diesen Morgenmantel an.“

      Da lachte sie auf. „Wirklich nicht mehr? Dann ziehen Sie sich doch etwas an.“

      Das war eine fabelhafte Idee, dachte Martin. Warum war er selbst nicht darauf gekommen? „Warten Sie hier, nur einen Moment, ich … ich bin gleich wieder da!“ Und schon lief er quer durch das Wohnzimmer, die Treppe hinauf in das Ankleidezimmer.

      Die Frau blieb zurück, Stille umgab sie. Neugierig suchte sie den Raum ab. „Und du bist also Q3?“, fragte sie unsicher.

      „Ich verbitte mir jede Vertrautheit“, gab die Stimme kalt zurück. „Bleiben Sie bitte beim Sie. Ich möchte Sie daran erinnern, dass dieses Haus für einen Einpersonenhaushalt konzipiert wurde. Ihre Anwesenheit entspricht nicht der Norm.“

      „Ja, aber das kann man doch ändern, oder?“, meinte die Frau und runzelte leicht die Stirn.

      „Der Herr, der dieses Haus bewohnt, ist ein lausiger Programmierer. Außerdem ist er zu bedeutend – Interna – um sich mit solchen Nebensächlichkeiten – Interna – abzugeben.“

      Eine schwere Stille legte sich über den Raum. Die Frau nickte langsam. „Ich verstehe“, sagte sie und ging.

      Kurz darauf kam Martin die Treppe hinuntergerannt. In der Eile hatte er nur nach Shorts, ein Paar Socken und den Wanderschuhen gegriffen, die noch unbenutzt im Schuhschrank gestanden hatten.

      „Wo ist sie hin?“, fragte er nun und sah sich suchend um.

      „Der Fremdkörper hat sich selbst entfernt“, hörte er Q3 geradezu höhnisch sagen. Mehr musste Martin gar nicht mehr wissen. „Dann nichts wie hinterher!“, meinte er und schritt mutig zur Tür.

      „Ich möchte daran erinnern, dass Sie noch nicht gefrühstückt haben. Ihr Körpergewicht hat bereits um 132 Gramm abgenommen seit dem Aufstehen“, funkte Q3, doch Martin hörte kaum noch auf ihn. „Dann werde ich mir jetzt ein paar Äpfel klauen. Jawohl, das werde ich machen! Aus meinem eigenen Garten.“ Und ohne die Stimme noch einmal zu Wort kommen zu lassen, setzte er einen Fuß auf die Terrasse, dann den zweiten. Er sah sich nervös um, gürtete den Morgenmantel etwas enger um sich. So würde es gehen, doch, er hatte ja das feste Schuhwerk an. Am Ende der Steinplatten spürte er den weichen Boden unter seinen Füßen, er lachte auf und rannte glückselig hinein in das grenzenlose Grün.

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