Heidi Dietzel

Mei Ruah möcht i'ham


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Mit den Dampfschiffen nehmen alltäglich die Starnberger Dampfschiffseerundfahrten ihren werten Anfang. Die Rundreisebilletten auf den Dampfern sind aus Pappkarton, und wenn es regnet, ist meistens während der Fahrt die Aussicht auf das bayerische Gebirge wegen schlechter Aussicht nicht zu sehen. Der Starnberger See selbst ist melancholisch, was bei anderen Seen stets meistens auch immer hie und da sehr oft der Fall ist. Einer alten Sage nach aus dem Jahre 1925 sollen sich vom Undosabad aus vorigen Sommer aus unbekannten Ursachen Tausende von Menschen in den See gestürzt haben; dieselben konnten sich aber Dank ihrer guten Schwimmkenntnisse alle selbst aus den Wellen befreien. Im selben Jahre ereignete sich auch noch ein anderer bedauernswerter Unfall. Ein Mann stieß mit dem Ruderboot, ungefähr 50 Meter vom Ufer entfernt, an eine grüne Schlingpflanze, sogenannte Wasserrose, an, das Schiff kippte um und im Handumdrehen fiel der Mann in das in der Nähe befindliche Wasser. Breit und weit kein Mensch, der dem Ärmsten Hilfe bringen konnte, trotzdem er fortwährend um Hilfe schrie. Zufälligerweise kam ein Briefbote daher und bemerkte die Hilferufe des um Hilfe Schreienden. Statt nun wacker (nicht identisch mit Fußballklub Wacker) ans Rettungswerk zu schreiten, rief der hartherzige Briefträger dem Ertrinkenden die nicht minder harten Worte zu: »Ich kann Ihnen leider nicht helfen, da ich selbst nicht schwimmen kann, aber ich kann Ihnen die Adresse eines guten Schwimmlehrers mitteilen!«

      Jeder Mensch ohne Ausnahme soll also in der heutigen Zeit schwimmen lernen, das finde ich unbedingt notwendig, damit er einen nicht Schwimmenkönnenden jederzeit aus dem Wasser retten kann. Aber eigentlich ist es auch wieder zwecklos, denn wenn jeder Mensch einmal schwimmen kann, braucht man ja keinen mehr retten. Also wäre es angebracht, daß jeder, der schwimmen kann, dasselbe sofort wieder verlernen soll. Ein weiterer Sport außer dem Ertrinken ist das sogenannte Fischen von lebenden Fischen. Daß die Fische gefangen werden müssen, leuchtet jedem ein, und das ist auch klar. Wäre im Starnberger See z. B. seit Gründung, oder besser gesagt seit dem vieltausendjährigen Bestehen desselben noch nie ein Fisch gefangen worden, so hätten sich diese Fische seit diesen Jahrtausenden so vermehrt, daß vielleicht mehr Fische im See wären als Wasser. Die Folge davon wäre, daß die Fische vor lauter Fischen nicht mehr schwimmen könnten, zu wenig Wasser hätten, und daher nicht mehr existieren könnten. Nachdem aber im Starnberger See viel Wasser ist, bleibt die Frage offen, ob tatsächlich schon so viel Fische gefangen worden sind. Eine Kontrolle hierüber käme jetzt natürlich zu nachträglich. Das Fischen mit der Angel ist von vielen Eliten als Tierquälerei empfunden worden, hauptsächlich vom Fisch selbst. Einen Dieb fängt man ja auch nicht mit der Angel, sondern eben aus Humanität mit List und Schlauheit. Stellen wir uns einmal einen Schutzmann vor, der mit der Angel einen Dieb fangen will; der Schutzmann geht mit der Angel in eine Wirtschaft, in der er den Dieb vermutet, befestigt an dem spitzen Angelhaken ein Stück Schweinsbraten, hält diesen dem Dieb vor die Nase, der Dieb beißt an, und schon hat der den Haken in der Oberlippe. Das wäre eine Grausamkeit. Ist es bei einem Fischlein keine Grausamkeit? Eigentlich noch mehr, denn der Fisch ist ja unschuldig, weil er nichts gestohlen hat.

      Über die Tiefe des Starnberger Sees gehen die Ansichten weit auseinander. Einige behaupten, er sei tiefer als lang, andere sagen, er sei länger als tief. Fachmännisch wurde genau berechnet, daß er tief, seicht, lang, kurz, schmal und breit zu gleicher Zeit. Die Tragkraft des Wassers wurde erst kürzlich von Ingenieuren geprüft, und dabei die erfreuliche Tatsache festgestellt, daß die irrige bisherige Meinung »je tiefer das Wasser, desto mehr Tragkraft« nicht richtig ist. Eine Probe brachte den sicheren Beweis. Während ein faustgroßer Stein in der Mitte des Sees, also an der tiefsten Stelle rapid unterging, blieb ein ebenso großer Gummiball an der seichtesten Stelle auf der Wasserfläche liegen. Ob dieses Experiment eine Tragweite für die Zukunft bedeutet, wird uns die Zukunft beweisen. Jedenfalls ersieht man daraus das fortwährende wissenschaftliche Tasten nach Problemen. Auf alle Fälle steht fest, daß, je weiter sämtliche Ufer eines Sees von einander entfernt sind, desto größer sich also die Wasserfläche gestaltet. Ein See ohne Ufer wäre daher kein See mehr, denn einen uferlosen See hat es bis heute noch nicht gegeben. Dasselbe gilt auch für den Ammersee.

      Geschichtliches ist vom Starnberger See nur noch zu berichten, daß der damalige bayerische Herzog der Pfiffige, einen Antrag des Starnberger Bürgermeisters: Errichtung einer Handelsflotte auf dem Starnberger See, schnöde abwies. Die heutigen noch existierenden Starnberger See-Salondampfer können nur noch in den Augen der Firmlinge »Gewaltiges« auslösen, denn für Weltreisende bedeuten dieselben nur mehr ein Lustspiel, auf offener See. »Bei schönem Wetter«, sagt der kleine Maxl, »ist es auf dem Starnberger See herrlich, regnet e aber, so wird der See naß.« Über Starnberg selbst ist wenig zu berichten. Starnberg hat seinen eigenen Reiz und seinen eigenen Bahnhof, in welchem unsere neuen elektrischen Schnellzüge stehen. Bei den elektrischen Schnellzügen, die einen Gipfel der deutschen modernen Technik darstellen, haben sich die alten Gasfunseln (aus dem Jahre 1880 ungefähr) so gut bewährt, daß dieselben jetzt in den modernen Münchner Straßenbahnwagen statt der elektrischen Glühlampen eingeführt werden sollen. In Starnberg sind jetzt schon viele Fremde zu sehen, die aus München geflüchtet sind, wegen den unaufhörlichen chronischen Straßenbauarbeiten.

      Soweit wäre über Starnberg alles berichtet. Nächsten Sonntag nachmittag um halb 21 Uhr findet im Starnberger See ein Karpfenrennen statt, mit darauffolgendem Brilliantfeuerwerk. Zwölf zehnpfündige dressierte Karpfen schwimmen mit Motorboot und Musikbegleitung von Starnberg nach Seeshaupt; während dem Rennen ist der See für Fußgänger gesperrt.

      Teilnehmer meldet sich nicht

      Die lustige Geschichte von dem selbst eingerichteten Fernsprecher verdient erzählt zu werden. Man konnte sich in jedem Schreibwarengeschäft um das Jahr 1895 einen Telephonapparat kaufen und die ganze Apparatur, zwei Pappschachteln mit Pergamentpapier bespannt und eine 10 Meter lange feine Schnur, kostete 20 Pfennige. Man hätte sich ja auf 10 Meter Entfernung auch ohne Telephon verständigen können. (Bitte, in einem modernen Betrieb sprechen heute die Menschen von Zimmer zu Zimmer per Telephon.) Wir Buben, ich und mein Freund Finkenzeller Schorsche, wollten gleich hoch hinaus und legten uns ein Spagattelephon von meiner Wohnung in der Entenbachstraße 63 bis in die Lilienstraße, also eine Strecke von ungefähr 500 Meter. Leitern wurden angelegt, Dächer wurden bestiegen, um den Leitungsdraht vom Sender zum Empfänger zu legen. Ein Hof war zu überspannen, in welchem wir uns nicht hineintrauten, aber ein eiserner Schraubenschlüssel sollte die Leitungstelephonschnur über den Hof befördern – ein Wurf – aber zu kurz, und ein Fenster klirrte. »Es Hundsbuam, es miserable, des war wieder der rotharete Fey-Batzi; aber wart, wenn i di dawisch, dann kriagst Nuß (Prügel)!«, schrie der Nachbar den kleinen Telephonarbeitern nach! Unbekümmert um die Glasscherben vollzog sich die Arbeit. Als das Telephonkabel gespannt war, wurden die Pappschachteln an die jeweiligen Endstationen, bei mir und ihm, am Fensterstock befestigt und das Telephon war fertig. Wer sollte zuerst hineinsprechen und wer sollte zuerst horchen, das war hier die Frage! Wahrscheinlich horchten wir nun beide oder wir sprachen beide, Extrahörer hat es hier nicht gegeben, an dem Pappschachtelmikrophon wurde aber damals auch gehorcht und gesprochen wie an einem Sprachrohr. – Ich entschloß mich nun, meinem Freund Schorsche ohne Telephon aus voller Kehle hinüberzuschreien:

      »Schorsche, red du zuerst nei, dann horch i, ob der Telephon funktioniert!« Darauf horchte ich – – – keine Antwort! Wieder schrie ich hinüber: »Schorsche, red halt was nei, dann horch i – – –!« Wieder kein Resultat. – Wiederum schrei ich hinüber: »Was is denn, Schorsche, so red halt amol was ins Telephon eini – –!« Und der Schorschi schreit herüber: »I woaß ja net, was i neiredn soll!!!«

      Wie Karl Valentin das Schützenfest 1927 erlebte

      Kaum war der Kanonendonner des 30jährigen Krieges verhallt, begann die Schießerei von neuem. Diesmal auf der Theresienwiese. Die Nachbarschaft der Theresienwiese, also des Bavariarings, hatte sich schon sehr oft beschwert über den furchtbaren Lärm des Oktoberfestes. Nun kam gleich gar das Schützenfest mit der unaufhörlichen Knallerei. Unser Magistrat hatte aber vorgesorgt und hatte um das ganze Schützenfest eine endlose Bretterwand geschlungen. Aber das Krachen der Büchsen klang trotzdem nach außen. Die Bretterwand war mindestens 35 Zentimeter zu nieder, oder die Schützen hätten leiser schießen müssen, eventuell mit Gummikügerl und