Heidi Dietzel

Mei Ruah möcht i'ham


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und Frau aßen ihre Weißwürste, welche ihnen scheints auch nicht besonders schmeckten, aber die mußten sie ja schließlich essen, weil sie dieselben bestellt hatten.

      Wir Semmeln stehen aber unbestellt am Tisch, mit uns kann ja jeder tun und lassen, was er will.

      Nach der Familie Huber nahm ein alter Herr, der zwar sehr gut gekleidet war, aber trotzdem einen riesigen Schnupfen hatte, an dem Tische Platz. Oweh, dachte ich Semmel, der wird mich und meine Kolleginnen wohl nicht anniesen – gesagt – getan – einige Dutzend male ging ein kräftiges Hah – zieh über uns Semmeln nieder, begleitet von einem heftigen Bakteriensprühregen.

      Wir ertrugen gerne diese Schmach des Angespucktwerdens, uns war es nur um die armen Menschen leid, die nach dieser Sauerei vom Schicksal auf diesen Tisch geführt werden.

      Der alte Herr, aß, trank, zahlte, nieste und ging.

      Eine Mutter mit vier Kinder waren die Nächsten. Wir Semmeln zitterten, als wir die vier Kinder an den Tisch kommen sahen.

      Mutter, Mutter – darf i mir a Semmel nehmen, schrie es durcheinander und wie Siuxindianer überfielen die Buben das Brotkörberl, welches dem Ansturm nicht standhielt und über den Tisch hinunter kollerte, und natürlich wir Semmeln auch. Die Mutter schalt leise: Glei klaubts die Semmeln auf, und tuts wieder ins Körberl neilegn schö, daß niemand siecht, dö Semmeln genga euch gar nichts an, mir bstelln uns Brezen.

      Zerdrückt, beschmutzt lagen wir vier Semmeln wieder ungegessen im Körbchen. Was wird aus uns noch werden, dachten wir.

      Da kamen die vielen Mittagsgäste, schauten uns verächtlich an und bestellten sich anderes Brot, aber direkt vom Büfett.

      Wir Semmeln sahen selber ein, daß wir zu unappetitlich aussahen, um verspeist zu werden. Keiner von den vielen Mittagsgästen wollte von uns was wissen – wir blieben auf dem Tisch stehen, obwohl wir fast von allen Gästen berührt, zerdrückt und angehustet wurden. Bis der Abend kam, bis die Nacht kam – und schon gleich die Polizeistunde, da kam noch schnell ein Liebespaar geschlichen, setzte sich an den Tisch, und tranken mitsammen ein Glas Bier.

      Sie hatten auch noch Hunger – aber nicht viel Geld. Wie wärs mit den vier Semmeln?

      Indem sich Beide verliebt in die Augen sahen, aßen sie dazu – uns vier Semmeln.

      Die beiden hatten gar nicht bemerkt, wie wir aussahen, denn Liebe macht blind ...!

      Der Kanarienvogel

      Valentin (zu einem Bekannten): Ich hab zu Hause einen Kanarienvogel, der ist schon 40 Jahre alt. –

      Bekannter: Schmarrn, das kann nicht sein, Sie lügen, ein Kanarienvogel wird höchstens 15 Jahre alt. –

      Valentin: Der meine ist 40 Jahre alt, 10 Jahre war er lebendig und 30 Jahre ist er schon ausgestopft, sind zusammen 40 Jahre.

      Karl Valentins Vater der Nockherbergregulierungs-Urheber!

      Ein sehr steiler, viel Unglück bringender Berg (genannt Nockherberg), der die Vorstadt Au mit Giesing verbindet, war 1895 das Auer Schmerzenskind. Der Stadtrat der Stadt München wollte von einer Regulierung nichts wissen. Der Berg war genau wie der heute noch bestehende steile, kurvige Harlachinger Berg beschaffen. Da kam dem Herrn Valentin Fey (Vater von Karl Valentin) eine gute Idee und er sagte zu seinem Stammtischfreund, Herrn Magistratsrat Vierheilig, der natürlich auf seiner Seite war: »Woaßt was, Vierheilig, wir müssen was mach'n, daß die Herren vom Magistrat sich persönlich überzeugen können, was der Nockherberg für ein Verkehrshindernis ist.« Zu dieser Tat bot sich überraschend schnell Gelegenheit. Ein Magistratsrat war gestorben. – Die Beerdigung sollte nachmittags halb 3 Uhr stattfinden. Von der Stadt aus gab es keinen anderen Weg zum Auer Friedhof als den steilen Nockherberg. Das war also das Wasser auf die Mühle, wie man zu sagen pflegt. Die vielen Fiaker und Magistratschaisen mußten also am Tage der Beerdigung unbedingt den Nockherberg passieren und als der Tag gekommen war, konnten dieselben das nicht tun, weil – mein Vater fast sämtliche Fuhrwerke von der Au und Giesing requiriert hatte, z. B. Möbelwägen, lange Baumwägen, die Latrinenreiniger mit der Dampfmaschine, Brauereiwägen, Kohlenfuhrwerke, Dienstmänner mit Zweiräderkarren waren vertreten und fuhren ab mittags 2 Uhr den Berg auf und ab. Um halb 3 Uhr, schon kamen die ersten Chaisen mit den Trauergästen angefahren, aber halt stad, Vetter, es geht nicht, der Berg war vollgepfropft von lauter Fuhrwerken. Die Fuhrknechte schrieen aus Leibeskräften durcheinander – wüst – hot – wüah, wüst!!! Peitschen knallten in der Luft, alles blieb ineinander stecken. Die eleganten Kutscher auf den Magistratschaisen lenkten und lenkten, aber umsonst, alles zwängte sich, alles schob sich ineinander, es war kein Durchkommen mehr, die Beerdigung sollte um halb 3 Uhr stattfinden, aber es war schon 3 Uhr, die Beerdigung mußte im Friedhof hinausgeschoben werden, bis sich der furchtbare Knoten gelöst hatte und das war erst ungefähr um halb 4 Uhr möglich. Als die Magistratsräte nach der Beerdigung heimfuhren, sprach man mehr über den verhängnisvollen Nockherberg als über den Heimgegangenen. Der Plan wurde bald darauf im Stadtrat besprochen und genehmigt und ein Jahr darauf wurde der Nockherberg flacher gemacht und zwar so, wie er heute noch ist, dank der pfiffigen Idee meines Vaters.

      Die Schlacht bei Ringelberg

      Im Zeichen des Krieges stand ein Flammenschwert, gebildet aus schneeweißen Wolken am Abendhimmel. Gegen sechs Uhr am Morgen rückte ein Kriegsheer, bestehend aus vier Mann und siebenhundert Pferden, bis an die Zähne bewaffnet gegen Ringelberg vor.

      Und es sei denn, daß es so kam. Da befahl König Pharao seinem Chauffeur: »Gehe hin und streue Rotzglocken unter das Volk.« – Und er tat es. Kriegsgeheul und Krankheiten verpesteten die Luft – die Glocken läuteten und verkündeten die nahe Mittagsstunde, und das Unheil war nicht mehr aufzuhalten. War es die Wachsamkeit, oder die Liebe zum Vaterlande, oder war es nur stolze Eitelkeit, die Ringelberger sahen die Zeit gekommen, denn sie sprachen gemeinsam: »Entweder – Oder.«

      Die Andern behaupteten Frankfurt an der Oder. – Kurzum in drei darauffolgenden Nächten stiftete man überall Brand, Ringelberg war nicht mehr die verhaßte Fremdenstadt, sondern ein Flammenmeer – Frauen und Fräuleins, Schwestern, Mädchen und Eltern, flüchteten ins unendliche und brachten den Hilfesuchenden Bier und Zigaretten. –

      Kanonen, Sportwagen, Fallschirme und dergleichen Kriegsgeräte rasselten Tag und Nacht durch die Straßen Ringelbergs, und ehe man sich umsah, war die Stadtmauer umstellt. Aber leider waren die Stadttore mit einem Fexierschloß versperrt und guter Rat war nicht billig. –

      Die Wut des bösen Feindes wuchs ins Aschlochgraue und zugleich stand durch die Belagerung ein zweiter böser Feind vor Ringelberg – das Hungergespenst. Ganz Ringelberg sollte nun spätestens in einigen Stunden ausgehungert werden, samt Hab und Gut – die Ringelberger trotzten aber dem Hunger, waren froh und heiter und aßen und tranken mehr als zuvor.

      Der Feind hatte hier wieder einmal die Rechnung ohne den Wirt gemacht – – –. Die Stadt war verraten – ein fünfundsechzigjähriger Bursche, Namens Hopfenzupfer, von Beruf Huber, hatte sich nächtlicher Weile in einen Grammophontrichter versteckt, somit das ganze Gespräch des Feindes belauscht und demselben wieder alles verheimlicht und erzählt.

       Als am andern Morgen der warme Westwind föhnartig über die Dächer der alten Residenzstadt wehte, verkündete ein Husarenbläser die Übergabe der Stadt und zwar in schwäbischem Dialekt. Stolz und voll Ingrimm liefen die Bürger wirr durcheinander und am Vormittag des 15. Maies veranstaltete man zugunsten des Überfalles eine polizeiliche Razzia, bei der nicht weniger als ein einhalb Gefangene (Vater und Sohn) in unsere Hände fielen –. Der Jubel wollte keinen Anfang nehmen als zehn Volksschulklassen (zusammen 50 Kinder) aus voller Kehle sangen: »Nun sei gedankt, mein lieber Schwan« – – – Als dieses Lied verklungen war, kam wieder Leben in die Bude, vielmehr in die Stadt. Viel Hundert Jahre später hatte die lange Zeit die Kriegswunden zugeheilt, und kein Mensch in ganz Ringelberg spricht heute mehr von diesen Tagen jener Zeit.