Ana Marna

Fellträger


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Entschuldigen Sie.“

      Hastig drehte er sich um und verließ den Schlafraum. Er schloss die Tür und grinste Sara verlegen an. Sein Freund kam aus der Küche und sah ihn fragend an, aber der schüttelte nur den Kopf.

      „Ne, kein Wolf. Komm, lass uns verschwinden.“

      Der Anführer knurrte nur etwas Unverständliches und stapfte wütend hinter ihm hinaus.

      Sara sah ihnen irritiert hinterher. Als die Haustür krachend ins Schloss fiel, zuckte sie zusammen. Dann schielte sie zum Schlafzimmer und überlegte, wie sie sich gerade fühlte.

      Es war wohl eine Mischung aus Erleichterung und Besorgnis.

      Was hatte der Mann im Schlafraum gesehen?

      Kurz schloss sie die Augen, murmelte ein leises Stoßgebet und öffnete die Tür zum Schlafzimmer.

      Der Boden war zu ihrer Überraschung mit einigen ihrer Kleidungsstücke bedeckt. Dann fiel ihr Blick auf’s Bett und sie erstarrte.

      Unter ihrer Bettdecke lag eindeutig kein Wolf, sondern ein Mann.

      Er war etwas blass und unter den wirren schwarzen Haaren blitzten ihr bekannte grün-irisierende Augen entgegen. Keineswegs drohend, aber wachsam und angespannt.

      „Au Mann“, stieß Sara hervor und spürte, wie sich ihre Beine mit Pudding füllten. Sie hatte das dumpfe Gefühl, dass da erneut eine ungewöhnliche Begegnung auf sie zukam. War das normal?

      Dann gab sie sich innerlich einen Ruck. Viel schlimmer als die Begegnung mit Robert konnte es ja nicht werden – hoffte sie jedenfalls.

      Sie trat näher und räusperte sich.

      „Also, äh – es ist ja nett, wenn Sie sich in meinem Bett wohl fühlen, aber eine Erklärung hätte ich schon ganz gerne.“

      Der Mann verzog sein Gesicht zu einem Grinsen, das Sara – wölfisch? – vorkam.

      „Nun.“ Seine Stimme klang dunkel, aber durchaus angenehm. „Erstmal danke und dann brauche ich erneut Ihre Hilfe.“

      „Ach.“

      Mehr fiel Sara zunächst nicht ein.

      Zur Erklärung schlug der Mann die Bettdecke zurück.

      Sara schnappte nach Luft, und zwar nicht wegen seiner Nacktheit. Unter der Decke war alles in dunkles Blutrot getaucht. Riesige Einschusslöcher klafften im Bauch und in der rechten Schulter.

      Saras Beine wurden erneut weich.

      „Um Himmels Willen“, hauchte sie. Dann hastete sie zum Kleiderschrank und riss ihre Handtücher hervor. Damit beugte sie sich über den Mann und versuchte mit den Tüchern die Blutungen abzubinden.

      „Sie brauchen dringend einen Arzt!“

      „Nein!“ Die Aussage war knapp und eindeutig. „Kein Arzt, keine Polizei. – Niemand braucht das zu sehen!“

      „Aber Sie werden verbluten“, protestierte Sara. Der Mann ergriff ihr Handgelenk mit Nachdruck.

      „Nein! Das werde ich nicht. Das Einzige was ich benötige, ist etwas zu essen.“

      Spätestens jetzt klingelten in Sara alle Warnglocken. Sie starrte ihn an.

      „Äh … also … ich hab da noch eine Pizza …“

      Er grinste jetzt wieder und schüttelte den Kopf.

      „Nein, das bringt mir nicht viel. Ich brauche Fleisch. Proteine, und zwar jede Menge.“

      Sara schaffte es nicht, seinem Blick auszuweichen. Schaudernd erkannte sie eine gewisse Ähnlichkeit zu Roberts Blick. Er war wild, gierig und hungrig.

      „Fleisch“, murmelte sie. „Wer hätte das gedacht? Und in welchem Zustand? Gekocht, gebraten oder eher blutig?“

      Das Grinsen wurde breiter.

      „Nur keine Umstände. Am schnellsten geht es ohne Zubereitung.“

      Sara wurde etwas blasser um die Nase.

      „Also, da kann ich aber nicht viel bieten“, murmelte sie. „Ich hab da ein paar Koteletts im Kühlschrank. Reicht das?“

      Jetzt lachte er sogar.

      „Für den Anfang ja.“

      Sie starrte auf seine Wunden. Tat ihm nichts weh? Das war kaum vorstellbar.

      Der Mann fasste ihr Kinn und zwang sie, ihm wieder in die Augen zu sehen.

      „Es tut weh“, sagte er leise. „Aber je schneller Sie mir Fleisch bringen, desto eher wird es mir besser gehen.“

      Sara atmete tief durch und ging zur Küche. Hastig holte sie die Koteletts aus dem Kühlschrank und legte sie auf eine Platte. Kurz überlegte sie, ob Besteck nötig war, aber dann erschien es ihr überflüssig.

      Als sie mit dem Fleisch den Raum betrat, richtete der Mann sich auf und fixierte die Fleischstücke mit gierigem Blick.

      Sara stellte ihm die Platte auf den Beistelltisch.

      „Ähm ... ich werde dann mal losfahren und mehr besorgen. Der nächste offene Laden ist eine Viertelstunde entfernt. Wie viel brauchen Sie?

      „Zehn Kilogramm sollten erstmal reichen.“

      Sie verbarg ihr Erschrecken und stand auf. Sein Blick hielt sie fest.

      „Keine Polizei, kein Arzt, niemanden“, sagte er mit leiser Stimme. Doch sein Blick war alles andere als sanft.

      Sara nickte. Diesen Ausdruck kannte sie. Sie hatte gelernt, dass man ihn besser ernst nahm.

      Als sie etwa eine Dreiviertelstunde später wiederkam, betrat sie gleich die Küche und wuchtete das riesige Fleischpaket auf den Küchentisch.

      Ein leises Geräusch hinter ihr ließ sie herumfahren.

      Er stand direkt vor ihr: groß und einschüchternd.

      Erschaudernd nahm sie wahr, dass die Wunden aufgehört hatten zu bluten. Inzwischen hatte er sich gereinigt und die Einschusslöcher sahen nicht mehr so riesig aus wie vorher.

      Sein Blick ruhte voller Begierde auf den Fleischbrocken.

      Sara schob sich langsam zur Seite.

      „Ich ... äh … geh dann mal besser“, murmelte sie und floh aus der Küche.

      Dann betrat sie das Schlafzimmer. Zumindest ihre größten Befürchtungen bestätigten sich nicht. Dieser seltsame Wolfmann hatte zu ihrer Erleichterung das Schlafzimmer gesäubert, so weit es ihm möglich war.

      Seufzend betrachtete sie die durchgeblutete Matratze. Die war hinüber, das war klar.

      Sie stemmte die Matte aus dem Bett und schleifte sie in die Ecke. Dann kramte sie nach verschiedenen Plastiktüten, um das ruinierte Stück zu verpacken.

      Anschließend polsterte sie ihr Bett mit allen Decken und Kissen aus, die sie finden konnte.

      Ein Räuspern ließ sie herumfahren.

      Der Mann stand so dicht vor ihr, dass sie mit der Nase quasi an sein Kinn stieß. Nur nebenbei registrierte sie die ungewöhnlich dichte Körperbehaarung.

      Mehr nahm sie die Tatsache gefangen, dass die Wunden an diesem muskulösen Körper bereits verschorften.

      Eine eigentümlich animalische Ausstrahlung ging von ihm aus, die sie nicht nur erschauern ließ, sondern auch ein bisschen in Erregung versetzte. Sein Blick flackerte immer noch wild und gierig, aber diesmal auf eine andere Art und Weise - und weckte eine tief vergrabene Erinnerung in ihr.

      Hastig trat sie einen Schritt zurück, was nur zur Folge hatte, dass er sich nachschob, bis sie mit den Kniekehlen gegen die Bettkante stieß.

      Abwehrend stemmte sie ihre Hände gegen seine Brust.

      „Bitte …“, stammelte sie. „Das