Stefan Mitrenga

Goschamarie Bauernsterben


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… bis heute.“

      „Ach, das wird schon nicht so schlimm sein“, versuchte Eugen seine „Das-Glas-ist-halb-voll“-Strategie. „Sie waren doch sicher immer beim Kundendienst? Dann kann das gar nicht so teuer werden!“

      Kundendienst. Natürlich hatte Walter den machen lassen. Meistens. Wann eigentlich das letzte Mal? Walter überlegte, wann er zuletzt seine Werkstatt aufgesucht hatte, bis ihm einfiel, dass er zu einer freien Werkstatt gewechselt hatte, die ein Freund in Alberskirch betrieb. Die Garantie war eh schon längst abgelaufen und dann konnte man in einer unabhängigen Werkstatt doch den ein oder anderen Euro sparen. Er würde gleich nachher seinen Freund anrufen und fragen, ob er Zeit hat. Aber erst mal musste er Eugen loswerden.

      „Wie läuft es denn mit Ihren Vorbereitungen für den Halbmarathon in Lindau?“, fragte Walter und wusste genau, dass er damit einen Nerv traf.

      „Ach, Sie wissen doch, dass ich wegen meiner Achillessehnenreizung zurzeit gar nicht trainieren kann. Es ist sogar fraglich, ob ich bis Oktober wieder fit bin.“ Während er erzählte, ließ Eugen den Kopf hängen wie ein kleines Kind, dem man sein liebstes Spielzeug weggenommen hat.

      „Das tut mir leid“, sagte Walter mitfühlend, „aber Sie werden das schon hinbekommen. Machen Sie nur immer schön Ihre Übungen, die Sie vom Arzt bekommen haben.“

      „Ich bin ja gerade dabei“, antwortete Eugen und zeigte auf seinen rechten Fuß. „In dem Schuh steckt die Einlage vom Orthopäden. Mit dem Ding soll ich jeden Tag eine halbe Stunde laufen. Deshalb komme ich ja hier vorbei. Jetzt bin ich dann aber froh, wenn ich wieder zu Hause bin, weil das Teil doch sehr unangenehm ist.“

      Schon halb im Gehen drehte sich Eugen noch einmal um.

      „Wohin wollten Sie eigentlich?“

      Walter war verwirrt.

      „Wohin wollte ich wann?“

      „Na, jetzt gerade, als ihr Auto nicht anspringen wollte.“

      „Nur ins Lidl nach Neuhaus. Ein paar Sachen einkaufen. Aber ist nicht so wichtig.“

      „Papperlapapp“, konterte Eugen. „Haben Sie einen Einkaufszettel?“

      Walter fingerte ein mehrfach gefaltetes Papier aus der Hosentasche und reichte es dem ehemaligen Lehrer. Der studierte die kurze Liste und steckte sie dann ein.

      „Ich wollte nachher selber noch ins Lidl. Dann bringe ich Ihnen Ihre Sachen mit und Sie können sich in Ruhe um Ihr Auto kümmern. Einverstanden?“

      Walter war etwas überrumpelt.

      „Ja – vielen Dank. Ich bin Ihnen etwas schuldig“, stammelte er.

      „Aber gerne doch“, erwiderte Eugen lachend. „Sie können mich ja mal zum Essen einladen. Das wäre bei uns beiden doch eh schon längst mal fällig, oder?“

      Eugen lief winkend vom Hof und ließ Walter vor seiner Garage stehen. „Ist das gerade wirklich passiert?“, grübelte er und suchte gedankenverloren nach seinem Handy. Er brauchte schleunigst einen Termin in der Werkstatt.

      Als Walter zurück ins Haus kam, wurde er von Balu, seinem Wolfsspitz, so freudig begrüßt, als sei er tagelang weggewesen. Seit dem Tod von Walters Frau vor fast vier Jahren war der Hund Walters einziger Mitbewohner in dem kleinen Haus am Rande von Taldorf. Bis vor Kurzem hatten sie hier sehr abgeschieden gelebt, doch dann zog Liesl (eigentlich „Elisabeth“) in das leerstehende Nachbarhaus und brachte etwas Schwung in Walters Alltag. Zur gleichen Zeit war der ehemalige Pfarrer des Dorfes unter seltsamen Umständen gestorben und Walter hatte den Fall mit ein paar Freunden (überwiegend Polizisten) aufgeklärt. Der anschließende Medienrummel hatte Walter sehr angestrengt, doch nun hatte sich alles wieder beruhigt und er genoss sein ruhiges Leben als Zeitungsausträger in der Gemeinde.

      An Liesl hatte er sich schnell gewöhnt. Sie hatte das Nachbarhaus von ihrer Tante geerbt und war deshalb von Frankfurt nach Taldorf gezogen. Sie verstanden sich prächtig und trafen sich oft auf ein Bier oder einen Kaffee auf der Terrasse. Sie waren sogar „per du“, seit Liesl Walter beim Abschlussfest geküsst hatte. Ein Kuss, der Walter bis heute verwirrte.

      Im Moment allerdings vermisste er seine Nachbarin. Sie war für eine Woche zurück nach Frankfurt gefahren, um sich mit ein paar Freundinnen zu treffen. Sie wollten wandern und ein Wellnesshotel besuchen.

      Walter suchte noch immer nach seinem Handy, um endlich in der Werkstatt anzurufen und fand es auf der Kommode im Flur - mit leerem Akku. Walter hängte es mit einem Seufzer an das Ladegerät in der Küche. Er hatte das iPhone von seinen Freunden geschenkt bekommen und fand es wirklich fantastisch – nur war der Akku nach spätestens zwei Tagen leer. Walter verstand das nicht. Es lag doch nur rum! Sein altes Siemens S4 hatte zwei Wochen lang gehalten, wenn man nicht zu oft telefoniert hatte.

      Er nahm den Hörer seines Festnetztelefons ab und wartete auf das Freizeichen. Er wählte die Nummer der Werkstatt aus dem Kopf.

      „Faxes Garage, hallo?“, meldete sich eine Stimme nach dem dritten Klingeln.

      „Hey Faxe, Walter hier“, rief Walter etwas lauter, da er auf der anderen Seite laute Musik im Hintergrund hörte.

      „Ich brauche dringend deine Hilfe. Mein guter alter Peugeot will nicht mehr anspringen und ich habe keine Ahnung warum. Hat er noch nie gemacht!“

      Die Musik auf der Gegenseite wurde leiser gedreht und man hörte Werkzeuggeräusche.

      „Aber Benzin hast du schon drin, oder?“

      „Natürlich nicht“, empörte sich Walter, „es ist ja ein Diesel. Aber der Tank ist fast voll, falls du das meinst.“

      „Was passiert denn, wenn du ihn anlassen willst?“, hakte Faxe nach.

      „Jetzt gar nichts mehr. Ich glaube, ich habe die Batterie leergeorgelt. Hast du eine Ahnung, was das sein kann?“

      „Das kann ich dir so nicht sagen, Walter. Da gibt es viele Möglichkeiten und so ganz taufrisch ist dein 205er ja auch nicht mehr. Ich glaube, der ist Baujahr 93 … da kann alles Mögliche den Geist aufgeben. Am besten wir schleppen ihn ab zu mir in die Garage, dann kümmere ich mich darum. Einverstanden?“

      Walter schluckte trocken. Abschleppen, Werkstatt, Reparatur … das würde sicher einiges kosten, aber er sah keine andere Möglichkeit.

      „Also gut. Wann kommst du vorbei?“

      Faxe versprach innerhalb der nächsten Stunde da zu sein. Walter bedankte sich und legte auf. Er nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und setzte sich auf die Terrasse. Das brauchte er jetzt.

      2

      Walter saß mit seinem Bier auf einem der neuen Gartenstühle, die er erst kürzlich gekauft hatte. Balu lag zu seinen Füßen und döste, als Kitty elegant um die Ecke schlenderte. Die schlanke Tigerkatze gehörte eigentlich zur Wirtschaft im Dorf, doch sie und Balu waren beste Freunde und verbrachten viel Zeit miteinander.

      „Oh, oh … Walter so früh schon mit einem Bier auf der Terrasse?“ Kitty kannte Walter gut genug, um zu wissen, dass etwas passiert war. „Ärger mit dem Auto“, klärte Balu sie auf. „Er springt nicht mehr an. Nachher kommt sein Freund Faxe und schleppt ihn ab. Ich hoffe nur, er findet den Fehler schnell und kann ihn günstig reparieren.“ Kitty verstand, was Balu meinte. Walter war durch und durch ein Schwabe und daher so sparsam wie nur möglich. Eine teure Reparatur hätte seine Laune für Tage oder sogar Wochen ruiniert. „Ola Muchachos“, grüßte Eglon, der sich zwischen den Jostabüschen hindurchzwängte. Der Kater war noch nie schlank gewesen, doch seit er bei Liesl wohnte, hatte er nochmal deutlich zugelegt. „Walter schon beim Bier?“, fragte er besorgt. „Sein Auto springt nicht an“, erklärte Balu. „Oh, oh … hoffe es, ist nichts Schlimmes“, sagte Eglon und setzte sich ordentlich neben Balu. „Wie gefällt es dir ein ganzes Haus alleine zu bewohnen?“, fragte der Wolfsspitz, der natürlich wusste, dass Liesl verreist war. „Ist eigentlich prima. Walter sorgt ja für mein Futter, und dank der Katzenklappe kann ich kommen und gehen wie ich will. Leider hat Liesl die Schlafzimmertür zugemacht. Hätte gerne in ihrem Bett geschlafen, aber das Sofa ist auch ok. Sie hat mir da extra eine flauschige