Robert Helm

Zweimal Morden lohnt sich


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nun mal so, wenn man im digitalen Bereich manipuliert.“ Rudolf setzte ein entschuldigendes Lächeln auf und zuckte mit ausgebreiteten Armen leicht mit den Schultern. Seine Augen verrieten, dass er von diesem Potential der Digitalisierung fasziniert war.

      „Digital oder analog egal, wir werden schlicht und einfach zu Auftragsmördern.“, protestierte Vitus.

      „Ja, aber mit dem schönen Unterschied, dass wir bestimmen, wer unser Kunde ist und wie sein Auftrag für uns aussieht; und dass mit diesem, meinen speziellen Vorschlag sozusagen Grundlagenforschung betrieben wird. Am Ende will ich wissen, ob die digitale Manipulation ohne analoge Manipulation an ihr Ziel kommen kann.“

      „Das wird dir niemals gelingen. Du brauchst Fachkräfte wie mich.“ Vitus hatte sich gefangen und Spaß an der Diskussion gefunden, wie sein aufmüpfig selbstbewusstes Lächeln offenbarte. Rudolph glaubte, sein Ziel erreicht zu haben. Dennoch wollte er nicht überreizen. Dann kam auch noch der Kellner mit der Hauptspeise.

      „Lass uns bei nächster Gelegenheit über meinen Vorschlag weiterreden und jetzt das Essen genießen.

      „Was springt für mich heraus? Finanziell meine ich.“

      „Wir teilen.“, antwortete Rudolph hinhaltend und fügte augenzwinkernd hinzu: „Wenn du deinen Job gut machst.“

      „Was teilen wir? Wie hoch ist die Summe, die wir verlangen?“

      „Wir verlangen zwei Millionen.“

      Vitus horchte auf.

      Rudolph registrierte wie Vitus nachdenklich wurde. Der finanzielle Köder wirkte. Rudolph erwartete noch einen kleinen Seitenhieb bis er seine Zurückhaltung aufgab.

      „Nur ich werde persönlichen Kontakt zu der Frau aufnehmen, du versteckst dich hinter deinen Computern und bleibst im Dunkeln. Kein Risiko für dich.“

      „In dieser Konstellation, falls es sich tatsächlich soweit entwickeln sollte, hast du nichts mit der Beseitigung des lästigen Ehegatten zu schaffen. Das ist doch klar und sollte dir eigentlich recht sein.“

      „Also gut. Ich bin dabei. Soll ich dir die linke oder die rechte Hand zum Einschlag hinhalten.“

      „Die rechte ist mir lieber, da weiß ich, dass du es ernstmeinst.

      Rudolph war stolz auf sich. Er hatte seine Erwartungen nicht so hochgesteckt, dass er seinen Partner beim ersten Gespräch überzeugen wollte. Umso mehr befriedigte es ihn, Vitus in einem Gespräch davon überzeugt zu haben, dass die Beobachtung und Persönlichkeitseinschätzung der reichen Gattin auch für ihn eine spannende und lukrative Geschichte war.

      Er jedenfalls freute sich ungemein, dass er seine Idee des zweiten Ich in abgewandelter Form weiterführen und zum dritten Mal anwenden konnte.

      18. Kapitel

      Montag, 13. Juli 2009, München

      Blecher bekam von seinem Freund die Daten verschiedener Partys zu gesellschaftlichen Anlässen wie Opernpremiere, Filmpreview oder Vernissagen, die er soweit es ihm möglich war auch besuchte. Während der ersten beiden Gelegenheiten beobachtete er lediglich die Frau und sah die personifizierte Oberflächlichkeit. Ihre Welt war die der Unterhaltung und Wellness auf luxuriösem Niveau.

      Rudolf hatte ihm eine kurze aber präzise Personenbeschreibung übermittelt. Er gab ihr Alter mit fünfundvierzig Jahren an, ihre Größe mit 1,65 Meter und beschrieb sie als untergewichtig mit fünfzig Kilo. Auffällig nannte er ihre dunkle von einem Sonnenstudio gebräunte Haut mit langen blondgefärbten Haaren. Weiter verriet sein Freund, dass sie wenig für sportliche Aktivitäten übrighatte, aber wenn sie sich dazu durchringen konnte nur mit Fitnessarmband. Diese Daten auszulesen war vermutlich ein Kinderspiel für Rudolf.

      Sie war kinderlos. Von ihrer weiblichen Fürsorge profitierten zwei Rehpinscher. Sie kleidete sich ausschließlich mit Kostümen der Marke ESCADA. Sie schien das Verzierte und Verspielte der Applikationen und die stark taillierten Jacken zu schätzen. Blecher nahm schmunzelnd an, dass diese Informationen nicht über das Fitnessarmband gewonnen werden konnten, sondern andere elektronische Datenträger ausgelesen werden mussten wie beispielsweise die Bewegungen ihres Bankkontos verursacht durch Edelboutiquen oder dem Tierarzt ihrer Wahl.

      Ihn wunderte lediglich, dass ihr Name profanerweise Meyer war. Beim dritten gemeinsamen Treffen nahm er einen ersten oberflächlichen Konversationskontakt auf. Immerhin ihr Vorname lautete Annika. Die skandinavische Verkleinerungsform von Anna. Er erfuhr, dass ihre Mutter eine wenig bekannte schwedische Schauspielerin war, die den Vater ihrer einzigen Tochter eisern verschwieg. Der geübte Psychologe stellte sich detailliert vor, was für eine hervorragende Gelegenheit es für Annika gewesen sein musste, ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen. Wie sie sich einredete, dass ihr Erzeuger ein berühmter Schauspieler war, dessen großes Talent und Genie der Öffentlichkeit gehörte. Er konnte sich nicht um eine kleine Familie kümmern. Aber sie hatte alles an Genen von ihm geerbt, was ihn zu dieser Berühmtheit machte. Unfähigen Produzenten und Regisseuren gab sie die Schuld und nicht zuletzt der neidischen und hinterhältigen Konkurrenz ihrer Schauspielkollegen. Sie wünschte alle zum Teufel. Eine Wende schien einzutreten, als sich ein wenig angesehener aber millionenschwerer Versicherungsmakler für sie interessierte und sie zum Traualtar führte. Regenbogenpresse und Boulevardzeitungen nahmen tatsächlich Notiz davon. Der Honeymoon war kurz, schnell begann sich das ungleiche Paar zu streiten und auseinanderzuleben.

      Immer wieder gab sie zum Besten, dass sie ihre Karriere als Schauspielerin, genauer Bühnenschauspielerin, der Karriere ihres Ehegatten geopfert hatte. Blecher konnte es schon nicht mehr hören wie sie immer wieder in die Details ging und sich aufregte. Ihren in der Theaterwelt geschätzten Namen Lundström in Meyer einzutauschen, wäre ihr größter Fehler gewesen. Die Lundström wurde sie genannt. Sie verfluchte sich in einem Anfall von Nachgiebigkeit aus Verliebtsein gespeist, dem Vorschlag ihres zukünftigen Gatten gefolgt zu sein, seinen Namen zu übernehmen. Aber das große Talent, die wunderbaren Gene ihres unbekannten Vaters, schlummerten immer noch in ihr und warteten auf Erweckung wie Brunhilde in Wagners Walküre.

      Rudolf teilte ihm noch mit, dass sie eine mäßig erfolgreiche Schauspielerin war, deren künstlerischer Höhepunkt eine zweijährige tragende Nebenrolle in einer Daily Soap blieb. Ihre Bemühungen misslangen komplett auf der Bühne in klassischen und modernen Stücken erfolgreich zu sein.

      Blecher war jetzt schon vier Tage in Berlin und bereitete sich auf ein intensives Treffen mit der Zielperson vor. In der Deutschen Oper Berlin wurde Macbeth von Verdi gegeben. Frau Meyer erwarb frühzeitig zwei Eintrittskarten auf elektronischem Weg. Rudolph, ihr digitaler Beobachter, setzte ihn in Kenntnis. Blecher stellte erfreut fest, dass der Platz neben ihr noch frei war und besorgte sich das Ticket, und zwar auf analogem Weg. Er besuchte den Verkaufsschalter der Deutschen Oper und freute sich über eine nette und hübsche Verkäuferin. Am Aufführungstag nahm er sich Zeit für eine Kosmetikstunde und besuchte ausgiebig ein Sonnenstudio. Er kaufte sich einen roten Anzug, schwankte zwischen blutrot und lippenstiftrot, um sich schließlich für lippenstiftrot zu entscheiden. Er wählte dazu ein schlichtes weißes Hemd ohne Krawatte und schwarze Lackschuhe. So festlich bekleidet erschien er spät in der Oper, um sicher zu sein, dass Frau Meyer ihren Platz schon eingenommen hatte. Er drängte sich an verlegen lächelnden Opernbesuchern vorbei, die er zum Aufstehen genötigt hatte und erreichte seinen Platz.

      „Sie hier gnädige Frau. Die Schauspielerin mit schwedischen Wurzeln.“, begrüßte er sie überschwänglich und schenkte ihr ein gewinnendes Lächeln. Offensichtlich erkannte sie ihn nicht sofort. Ihr verwirrter Gesichtsausdruck legte dafür auffällig Zeugnis ab. Aber Sekundenbruchteile später hellte sich ihre Miene auf.

      „Ja! Sie sind der nette junge Mann, mit dem ich mich auf dieser Preview Party so nett unterhalten habe. War das ein langweiliger Film mit schlechten Schauspielern. Aber Laien ist das wahrscheinlich nicht so aufgefallen.“ Sie schaute ihn überlegen an und bliess sich eine schmale Haarsträhne aus der Stirn. Diese Geste wirkte auf Blecher eingeübt, um ihre Lässigkeit bei einem so wichtigen Thema zu demonstrieren.

      „Doch, doch, ich fand es auch ganz furchtbar. Die Schauspieler agierten wirklich laienhaft. Vielleicht