Robert Helm

Zweimal Morden lohnt sich


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Kapitel

      Freitag, 22. Mai 2009, München

      Blecher lag wach in seinem Bett. Es war halb acht in der Früh und da erschallte der gefürchtete Klingelton. Er ließ sich Zeit, zitterte leicht, holte tief Luft und ging auf die Haustür zu.

      „Ja.“, rief er in einem ängstlichen und fragenden Ton. „Was gibt es denn?“

      „Polizei.“, wurde ihm geantwortet. „Bitte machen Sie auf.“

      Zwei Polizisten, ein Mann und eine Frau, beide noch recht jung, standen vor der Tür. Blecher sah sie mit großen Augen an.

      „Sie sind der Ehemann von Caroline Falkenberger?“

      „Ja. Ist etwas passiert?“ Er gewann an Sicherheit. Mit diesen beiden Jungspunden würde er zurechtkommen.

      „Dürfen wir hereinkommen?“, fragte die junge Polizistin.

      „Ja, bitte.“ Er führte sie ins Wohnzimmer und bot ihnen an doch Platz zu nehmen. Die Polizisten schüttelten den Kopf und blieben stehen.

      „Herr Blecher, Ihre Frau hat gestern Nacht einen Unfall erlitten.“, begann die Polizistin.

      „Mein Gott, was ist passiert? Ist meine Frau verletzt? Ist es schlimm?“. Blecher dachte, jetzt sag es schon und schaute die Polzisten abwechselnd mit aufgerissenen Augen an.

      „Ihre Frau hat einen tödlichen Unfall in den Bergen mit ihrem Mountainbike erlitten. Es tut uns leid.“

      „Oh nein.“, hauchte er. „Ich habe es gespürt, dass etwas Fruchtbares geschehen sein musste, als sie nicht da war. Ich hatte meine Eltern besucht und es war spät geworden. Ich kam gegen Mitternacht zurück.

      „Haben Sie nach ihr gesucht?“, fragte der junge Mann.

      „Telefonisch ja, aber sie hat nicht geantwortet. Ich wollte trotz größter Sorgen den Morgen abwarten.“ Plötzlich ließ er sich zusammensacken. Hauchte ein: „Mein Gott, mir ist schlecht.“ und fiel in die Arme der jungen Polizistin. Der Polizist informierte eine Frau aus einem Kriseninterventionsteam, die Blecher in diesen schweren Stunden begleiten würde. Da er sich selbst außerstande sah, übernahm die Frau aus dem Kriseninterventionsteam die Benachrichtigung der Eltern.

      Da Caroline Falkenberger eine bekannte Buchautorin und erfolgreiche Hedgefonds-Managerin war, nahm auch die Presse Notiz von dem tödlichen Unfall. Über mehrere Tage wurde der Leichtsinn der Verunglückten diskutiert. Blecher wünschte sich, dass die publizistische Aufmerksamkeit bald ein Ende finden würde. Dennoch ließ er sich von einer adretten Journalistin zu einem Interview überreden. Er gab an, tapfer das grausame Schicksal ertragen zu wollen, da die Lust zum Risiko zur Persönlichkeit seiner Frau gehörte. Dafür hatte er sie auch geliebt und bewundert.

      So gingen die Tage dahin und Laune und Selbstsicherheit von Blecher wurden immer besser. Jeden Tag dachte er sich, ich habe gewonnen. Selbst eine weitere Vernehmung nach vierzehn Tagen, die vor allem dazu diente, schriftlich sein Alibi noch einmal festzuhalten, machte ihn nicht nervös und er überstand sie souverän.

      Nach weiteren zwei Wochen erlebte er einen seligen Glücksmoment und hätte am liebsten Rudolf kontaktiert, als die Staatsanwaltschaft nach Aktenlage beschloss, dass es sich hier um ein besonders unverantwortliches Verhalten der Mountainbikerin handelte, das den tödlichen Unfall nahezu provozierte und keine Fremdeinwirkung stattgefunden hatte. Die Behörde schloss die Akten. Blecher wusste nicht, was er mehr schätzen sollte, dass viele Geld von seiner Gattin oder dass er sich angemessen an ihr gerächt hatte.

      17. Kapitel

      Montag, 6.Juli 2009, Madrid

      Er steuerte wie so oft den Mercado San Miquel in der Nähe der Plaza de Major an. Heute regnete es. Dies war ungewöhnlich für die Jahreszeit und passte nicht zu seiner guten Laune. Rudolph leistete sich hundert Gramm Pata Negra Bellota Schinken als schmackhaftes amuse gueule. Der Genießer war etwas früher, als zur verabredeten Zeit eingetroffen, um dies auch in Ruhe zelebrieren zu können. Dann begab er sich an den Schauplatz ihres ersten Treffens. Der Weinstand war gut besucht. Mit einem Schmunzeln stellte er fest, dass dieselben Barhocker unbesetzt waren wie bei seiner ersten Begegnung mit Vitus.

      Er konnte ihn auch schon aus den Augenwinkeln erkennen. Sein leuchtend gelbes Polohemd und seine hellgrüne Röhrenjeans mit nackten Füssen in eleganten gelben Flip Flop Zehentrenner überstrahlten alles. Sein Grinsen beherrschte das ganze Gesicht. Selbst die dunkle Sonnenbrille schien zu strahlen. Noch immer den Blick auf die schutzlosen, sich offen präsentierenden Zehen gerichtet, sagte er: „Ich habe schon jeweils ein Glas Rot- und Weißwein bestellt. Eine kleine Huldigung. Hier hat alles angefangen. Nur der Losverkäufer fehlt. Wahrscheinlich betrinkt er sich immer noch mit dem vielen Geld, dass du ihm bei deinem Großeinkauf überlassen hast.“

      „Schade. Ich hatte eigentlich vorgehabt meine Glückssträhne auszunutzen und meinen Einsatz zu verdoppeln.“

      „Darauf komme ich noch.“, entfuhr es ihm.

      „Wie meinst du?“

      „Später.“ Rudolph blickte seinen Freund vielsagend an.

      „Gut ich bin zwar neugierig, aber ich will nicht hartnäckig sein.“ Er nahm einen großen Schluck aus seinem Rotweinglas, prostete Rudolf wieder zu und gestand: „Ich habe Hunger. Lass uns gehen.“

      Sie hatten ein Nobelrestaurant ausgesucht. Das erschien ihnen angemessen. Sie waren um jeweils eine Million reicher, so waren die Eheverträge ausgestaltet gewesen. Ihre Frauen hatten jeweils sichergestellt, dass bei plötzlichem wie unverhofftem Tod dem geliebten Ehemann ein stattliches Trostpflaster zustand. Rudolph war froh, ein Séparée bestellt zu haben, als er den leicht irritierten Blick der Empfangsdame feststellte, die indigniert auf die sparsame und für den Anlass ungewöhnliche Fußbekleidung starrte.

      Der Kellner stellte die fischigen Vorspeisen auf den Tisch und zog sich diskret zurück, so dass Rudolph endlich über seinen Plan reden konnte. Er sagte mit ruhiger Stimme: „Ich habe einer Frau unfreiwillig zugehört, die nach ein paar Gläsern Champagner keinen Hehl daraus machte, wie gerne sie sich ihres Ehemannes entledigen würde. Ich glaube, dass sie bereit wäre dafür eine große Summe aus dem Vermögen des reichen Gatten zur Verfügung zu stellen.“ Rudolph lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und beobachtete seinen Partner genau.

      Vitus schaute ihn erst ungläubig, dann erschrocken an. Irgendwie hatte Rudolph damit gerechnet. Sein Partner neigte zur bequemen Risikoscheu, wenn es um fundamentale Entscheidungen ging. Das war ihm schon klar. Dafür brauchte er kein Psychologiestudium. Bei Glücksspielen verhält er sich ärgerlicherweise anders. Seine Hände verkrampften sich fast unmerklich. Er sah wie der Blick von Vitus durch das Nobelrestaurant wanderte, um eine Ablenkung zu finden von diesem Thema. Ein kurzer Blick unter den Esstisch zeigte Rudolph, dass Vitus‘ Zehen verkrampften. So passten sie nicht mehr zu den lockeren Flipflops. Aber so schnell gab er nicht auf.

      „Wie stehst du dazu?“

      Vitus‘ umherirrender Blick suchte immer noch nach Ablenkung und fand eine hübsche Blondine die genüsslich einen halben Hummer entkernte.

      „Ich bin überrascht. Das hätte ich nicht erwartet. Reicht dir die Million nicht? Willst du den unersättlichen, raffgierigen Banker verkörpern?“, antwortete Vitus unwirsch.

      „Ich mache da nicht mit.“

      „Hör doch erstmal zu, bestimmt kann ich dich überzeugen. Es geht mir nicht um Geld oder Raffgier, wie du es formulierst. Nein. Mir geht es um etwas wesentlich anderes, um etwas Großes mit viel Zukunftspotential und du als ausgebildeter Psychologe solltest interessiert sein. Ich möchte testen, ob es mir gelingt, über einen Hackerangriff und mit Algorithmen, die ich mir mittlerweile habe einfallen lassen, ausreichend Erkenntnisse über die Persönlichkeit dieser Frau zu gewinnen, um abschätzen zu können, ob sie geeignet ist, unser erfolgreiches Konzept das zweite Ich abgewandelt fortzusetzen. Du bist zuständig für die Abteilung Charme und Manipulation im analogen Bereich und ich im digitalen Bereich.“

      „Ripley lässt