Robert Helm

Zweimal Morden lohnt sich


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aus, die vor der abschüssigen Stelle nicht einzusehen war. Rudolph schaute sich aufmerksam um und lächelte seiner Frau aufmunternd zu.

      Dann blickte er den Abhang hinunter und lächelte gut gelaunt. Er hatte den Unglücksort gefunden. Es war entscheidend, dass der Schutzzaun eine Höhe hatte, um einen strauchelnden Wanderer vor dem tödlichen Sturz aufzuhalten. Aber ein Radfahrer besaß ein höheres Ausgangsniveau und schon ein kurzer kräftiger Schubser sollte genügen, um für einen hindernisfreien Fall zu sorgen. Auch das Überraschungsmoment war auf seiner Seite. Die Felsennische musste über Jahrhunderte entstanden sein. Seine Zufriedenheit schien sich auch auf seine Gattin zu übertragen. Sie blieb während des mühseligen Abstiegs guter Laune und verlor sie auch nicht auf der staugeplagten Rückfahrt.

      11. Kapitel

      Montag, 11. Mai 2009, Bernbeuren

      Es war ein kleines Gestüt im noch flachen Voralpenland in der Nähe von Bernbeuren. Das Gestüt verfügte über zehn Paddocks, die sich in zwei Fünferblöcken gegenüberlagen. Zusätzlich gab es lediglich vier Boxen. Emma Weidach hielt dort ihre zwei Pferde. Jeden Dienstag und Samstag war sie ganztägig dort. Laut Rudolf hatte sie einen festen Rhythmus, was ihre Geländeausritte betraf.

      Blecher verfügte über diese Informationen, als er zu seinem Erkundungsgang aufbrach. Er hatte sich als Trachtler verkleidet, der in der Nähe des Gestütes einen Spaziergang unternahm. Er trug eine dreiviertellange Kniebundhose aus feinstem Hirschleder, ein Slim-fit-Trachtenhemd, bequeme Haferlschuhe und einen schicken Gamsbarthut. Zwar lag das diesjährige Oktoberfest noch in weiter Ferne, aber für diese Gegend schien ihm seine Verkleidung außerordentlich passend und unauffällig. Blecher erreichte sein Ziel etwa einen Kilometer vom Gestüt entfernt. Er hatte den Wanderweg verlassen und stieß nach circa hundert Meter auf den Reitweg. Hier war eine kleine Kapelle, die in einer Mulde lag. Der Reitweg führte dicht an ihr vorbei und fiel außergewöhnlich steil nach unten ab.

      Die Bäume an dieser besinnlichen Stelle waren alt und groß. Sie spendeten im Sommer Schatten und in der Dämmerung Dunkelheit. Danach ging es ebenerdig weiter, durch ein Waldstück und in einem großen Bogen wieder zurück. Das Gestüt war schon von weitem für einen Reiter zu sehen.

      Der bayerische Wandersmann war beeindruckt, dass schien ihm ein idealer Ort zu sein, ein psychisch angeschlagenes Pferd mit gezielten Provokationen völlig aus der Fassung zu bringen und damit zu einem panikartigen Fluchtverhalten zu zwingen. Seine unvorbereitete Reiterin blieb ohne Chance. Sie würde vom unvermutet aufbäumenden Pferderücken stürzen und ihr Kopf den harten Aufschlag nicht überleben. Sie trug keinen schützenden Reiterhelm, sondern eine Kappe, die der Vater aus seinem Nachlass ihr überlassen hatte, auch dies hatte ihm Rudolf gesagt.

      Das Pferd würde im ersten Fluchtimpuls den Anstieg wieder hochwollen. An dessen Ende wollte er ein paar große Reflektoren im Geäst aufhängen, die dem armen Tier den Eindruck vermitteln würden, in einer ausweglosen Falle gefangen zu sein. Die Panik des Pferdes würde ihren höchsten Grad erreichen, so dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit abrutschen würde, um seine Herrin endgültig zu begraben. Eine Handvoll Blitztürme plus Reflektoren sollten tatsächlich ausreichend sein, um ihr Ziel zu erreichen. Das sagte der Psychologe in ihm. Blecher war erleichtert, nicht selbst direkt Hand anlegen zu müssen, um diese Frau zu töten. Sein indirektes Wirken war ihm wesentlich sympathischer.

      12. Kapitel

      Mittwoch, 13. Mai 2009, München

      Rudolph saß mit seinem Laptop im Hofgarten und schaute auf die neue Staatskanzlei, die mit viel Glas Transparenz vortäuschte.

      „Ich hoffe, dass im Gegensatz zur Staatskanzlei uns der göttliche Ratschluss durch den Engel Aloisius erreicht hat.“, tippte er in den Laptop und schickte die Nachricht über eine verschlüsselte Verbindung an Vitus.

      Dieser antwortete mit einiger Zeitverzögerung. Rudolph war schon nervös geworden.

      „Ich denke schon. Deine Idee mit dem Feuerwerk geht auf. Ich habe mir die Örtlichkeit angeschaut. Lediglich ein paar große Reflektoren hänge ich zusätzlich auf, um sicher zu gehen, dass die Mulde eine Falle ohne Ausweg bleibt, solange das Feuerwerk blendet und ängstigt. Die Blitz-Türme werde ich mit einem leistungsfähigen Feuerzeug anzünden, damit nichts schiefgehen kann.“

      „Sehr gut! Ich finde deinen Vorschlag auch gut. In meinem Fall genügt als Ausrüstung dunkle Kleidung, gute Wanderschuhe, eine Taschenlampe und eine schwarze Schirmmütze, so dass deine Extremsportlergattin mich nur kurz heftig spürt, aber nicht wirklich aus dem Nichts auftauchen sieht.“

      Sie tauschten noch die exakten Ausführungstermine aus und Rudolph gab noch an, dass sich jeder selbst intensiv Gedanken machen sollte, wo er sich zeugengesichert aufhalten würde, wenn der andere zur Tat schritt. Dann beendeten sie die Verbindung.

      13. Kapitel

      Freitag, 15. Mai 2009, Bernbeuren

      Es war ein verregneter Tag, der sich zum Ende neigte als Blecher mit Klappfahrrad und Rucksack unterwegs war. Er hatte sein Auto auf dem Kirchplatz eines fünf Kilometer entfernten Dorfes geparkt, der gerne genutzt wurde für ausgedehnte Wanderungen. Er erreichte die Kapelle nach einer halben Stunde, brachte die Reflektoren an, die er auf der Rückseite mit Blättern drapierte, damit sie der Reiterin nicht auffielen. Er nahm sechs Blitztürme in die linke Hand und in der rechten Hand hielt er ein Feuerzeug bereit.

      Alles war vorbereitet. Es konnte nur noch wenige Minuten dauern, bis die Reiterin eintraf. Sein Herz raste. Zweifel kamen in ihm hoch. Jetzt kann ich noch zurück, schoss es ihm durch den Kopf. Da hörte er den Hufschlag des leichten Galopps näherkommen, der dann auf einmal verstummte. Die Reiterin bereitete das Pferd sorgfältig auf den kurzen Abstieg vor. Er brauchte mehrere Versuche, um die Blitztürme mit dem Feuerzeug anzuzünden, so stark zitterten seine Hände. Im letzten Moment gelang es ihm. Er steckte das Feuerzeug ein und schob drei Blitztürme in die linke Hand und trat mit weit vorgestreckten Armen aus dem Schatten der Kapelle hervor. Jetzt war er der Mittelpunkt eines Lichtermeeres. Das Pferd scheute und stieg mit den Vorderfüßen empor. Die überraschte Reiterin riss es nach hinten. Sie zerrte an den Zügeln, um im Sattel zu bleiben. Aber die Schwerkraft zog sie aus dem Sattel, der tiefe Sturz schien unaufhaltsam. Da drehte sich das Pferd auf den Hinterhufen und berührte auch wieder mit den Vorderbeinen den Boden, um mit kräftigen Sprüngen über den Anstieg zu entkommen. Der Druck nach hinten ließ für die Reitern nach und sie blieb im Sattel, aber die Reflektoren machten ihre Arbeit. Das Tier glaubte auch diesen Ausweg verwehrt, drehte und scheute erneut. Diesmal war der Sturz unvermeidlich, und das Tier begrub seine Reiterin unter sich. Mit Entsetzen hörte Blecher erst das harte Aufschlagen der jungen Frau gefolgt vom dumpfen Aufprall des Pferdes. Einen kurzen Moment herrschte absolute Stille. Das Pferd hob den Kopf. Die Blitz-Türme stellten ihre Aktivität ein und schmorten dunkel vor sich hin. Die Reflektoren erblindeten, weil es keine Lichtquelle mehr gab. Das Pferd unternahm verzweifelte Versuche aufzustehen und belastete dabei jedes Mal die regungslose Reiterin. Sie muss tot sein, dachte Blecher.

      Erschrocken sah er zu wie der Überlebenswille des Tieres siegte. Es kam auf die Beine und stürmte an ihm vorbei. Ihm wurde in diesem Moment speiübel, panisch drehte er sich um, er durfte keine Spuren hinterlassen Es blieb ihm nichts anderes übrig, als in seinen Rucksack zu kotzen. Schnell packte er alles zusammen, ohne auf die Schweinerei im Rucksack zu achten, stieg auf sein Klappfahrrad und radelte so schnellte er konnte zurück zu seinem Auto.

      Als er die Heckklappe aufschloss fragte er sich, wie er die lange Autofahrt überstehen sollte. Er zitterte am ganzen Körper. Er war kaum in der Lage das kleine Fahrrad zu verstauen. Er hätte einen Flachmann zur Beruhigung mitnehmen sollen. Er fluchte über seine Nachlässigkeit, setzte sich hinter das Steuer und brauchte fünf Versuche, um den Motor zu starten. Er ließ alle Fensterscheiben runter, damit ihn der Fahrtwind, der an seinen Haaren zerrte, bei Besinnung hielt während der langen Rückfahrt.

      14. Kapitel

      Freitag, 15. Mai 2009, München

      Die Alibizeit verbrachte Rudolph beim Kardinal und diskutierte mit ihm, möglicherweise den Stiftungszweck von Männern auf Frauen zu erweitern.

      „Dies