Robert Helm

Zweimal Morden lohnt sich


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mit unseren Problemen zu tun hat.“

      „Gedanklich musst du einfach einen Schritt weitergehen und dir sagen, was sich ein starker und entschlossener Staat durch seine Eliten erlaubt, dass muss auch für ein starkes und entschlossenes Individuum im privaten oder geschäftlichen Bereich gelten, nicht nur im vermeintlich öffentlichen Bereich mit angeblichen hoheitlichen Befugnissen der Amtsträger. Ein willensstarkes und kaltblütiges Individuum darf sich zu seinem Vorteil ebenfalls bedienen zulasten der Schwachen. Aber es muss klug sein und starke Nerven haben, wenn es dabei Gesetze verletzen muss, die harte Strafen nach sich ziehen können.“

      „Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Charakter eines willensstarken und kaltblütigen Menschen habe.“, antwortete Vitus mit trotziger Stimme.

      „Aber zur Elite gehören und Reichtum genießen, das wäre schon dein Fall.“

      Vitus schaute beleidigt. „Was schlägst du eigentlich vor?“

      Rudolph atmete tief durch und hoffte inständig, dass er jetzt nicht den entscheidenden Moment ruinierte. Er schaute Vitus intensiv in die Augen.

      „Wir beide heiraten reich und werden nach einem angemessenen Zeitraum dafür sorgen, dass wir von dem vermeintlich glücklichen Ehestand in den vermeintlich unglücklichen Witwerstand kommen. Und lösen damit unsere aktuellen finanziellen Probleme und können neu in eine uns angemessene Zukunft starten.“

      „Ich vertrage keine Gefängnisluft. Ich mag dieses gesiebte Zeug nicht. Und Gemeinschaftsduschen sind mir verhasst. Da bin ich noch empfindlicher.“

      „Der Plan ist wasserfest, wenn wir unsere Ausgangsposition betrachten und uns an ein paar einfache Regeln halten. Es weiß niemand, dass wir uns kennen. Das muss so bleiben. Das ist das Wichtigste.“ Rudolph sah Vitus eindringlich an, um ihm die große Bedeutung seiner Aussage zu verdeutlichen. „Wir werden zwei tödliche Unglücksfälle arrangieren, wobei ich deine bedauernswerte Gattin ins Jenseits befördere und du mir in meiner familiären Angelegenheit behilflich sein wirst. Polizei und Staatsanwaltschaft werden jeweils den Falschen verdächtigen und deshalb durch ein unerschütterliches Alibi des unglücklichen Witwers die Akten mit dem Vermerk tragischer Unglücksfall bald schließen müssen. Eine Verbindung zwischen uns werden sie nicht herstellen können.“

      „Du meinst das doch nicht etwa ernst?“ Vitus war blass geworden und knetete unbewusst wieder seine Hände. Er füllte das Whiskeyglas mit einem Doppelten vom Doppelten und nahm einen riesigen Schluck. Rudolph spürte förmlich, wie sein Partner seine Optionen abwog. Vitus hatte überschaubare Spielschulden und keine Anstellung mehr. Vor vier Wochen hatte ihn sein Arbeitgeber freigestellt. Grundgehalt bis zum Jahresende. Dann nichts mehr. Es würde dauern bis er sich wieder aus dem Schatten in das Rampenlicht vor- und hochgearbeitet hätte.

      Dann fragte Blecher überraschend direkt: „Wie willst du eigentlich an eine vermögende heiratsfähige und heiratswillige Dame herankommen?“

      „Über Todesanzeigen.“ Rudolph lächelte selbstgefällig als er den ungläubigen Gesichtsausdruck von Vitus wahrnahm. Diese Überraschung war ihm gelungen, wie beabsichtigt.

      „Ich hätte eher an den Heiratsmarkt gedacht. Schöne Anzeige. Kluger Kopf sucht reiche Frau mit geringer Lebenserwartung, um sie an ihren letzten Tagen zu begleiten.“

      „Du solltest die Angelegenheit ernst nehmen. So wie du aussiehst und bei deinem Alter und deinem Charme ist der professionelle Heiratsmarkt vielleicht das Richtige.“

      „Erklär mir das mit den Todesanzeigen.“

      „Ich prüfe die Tageszeitungen nach Todesanzeigen, die mindestens Din-A4-Format haben. Hat ein erfolgreicher Unternehmer oder Freiberufler das zeitliche gesegnet, schau ich in die Rubrik in Liebe und Dankbarkeit und suche nach weiblichen Vornamen ohne Zusatz wie mit Ehemann oder mit Familie oder mit Kindern. Habe ich die heiratsfähige, noch alleinlebende, trauernde Tochter gefunden, werden meine starken Schultern sie über den väterlichen Verlust trösten.“

      „Nette Idee. Und ich?“

      „Überleg dir was, du Charmebolzen. Das kann doch nicht so schwierig sein.“

      3. Kapitel

      Sonntag, 12. Oktober 2008, München

      Blecher saß in seiner Eigentumswohnung in Bogenhausen in einer der schönsten Straßen, nach dem Maler Holbein benannt. Ein Altbau aus der vorletzten Jahrhundertwende bestehend aus fünf Zimmern auf hundertfünfzig Quadratmeter verteilt. Mäanderbänder aus Stuck als verspielte Wandabschlüsse in knapp vier Meter Höhe und Stuckrosetten an der Deckenmitte, die die modernen Zimmerleuchten einrahmten. Breite wuchtige Dielen, die ihre Risse und Astanteile als Alterswürde trugen. Er hatte sich ein Bibliothekszimmer eingerichtet und hier saß er mit allen fünf Bänden der Ripley Romane. Tom war ein böser gesellschaftsfähiger Bube, den eine geniale Schriftstellerin zum Leben erweckt hatte. Das Lesezimmer ließ sich in ein veritables Heimkino umwandeln. Die Leinwand maß zwei mal drei Meter. Zwei seiner absoluten Lieblingsfilme hatte er angeschaut. Nur die Sonne war der Zeuge mit Alain Delon als Tom Ripley und Der talentierte Mr. Ripley mit Matt Damon als sympathischem Bösewicht. Diese beiden Schauspieler waren sein Vorbild. Im Grunde glaubte er, dass er den beiden Männern in ihrer Virilität und ihrem Charme durchaus ebenbürtig war.

      Tom wurde in Ripleys Game von John Malkovich verkörpert. Mit ihm konnte und wollte er sich nicht identifizieren. Da sah er Rudolf eher als fleischgewordene Verkörperung.

      Neben dieser Stimulierung, um Rudolfs Idee als durchführbar zu akzeptieren, traf ihn noch ein anderer Gedanke mit Wucht, der ihn weiterbringen sollte zu seinem Entschluss, der Idee seines seltsamen Freundes zu folgen.

      Er hatte noch eine Rechnung offen mit Caroline Falkenberger. Sie war im Internat eine Mitschülerin gewesen. Das Mädchen in der Klasse, von der neunzig Prozent der pubertierenden männlichen Mitschüler träumten und einer es wagte, es ihr zu sagen. Er bedauerte zutiefst, den Mut dazu gehabt zu haben. Jahre später hätte man von einem Shitstorm gesprochen. Sie erzählte jedem, dass ein kleiner Romantiker um sie werben würde mit peinlichen Liebesbriefen und kleinen Geschenken. Eines Tages lagen alle seine Liebesbriefe und Geschenke vor der Haupttreppe zu den Klassenzimmern mit einem Schild versehen: Flohmarkt - jedes Angebot ein Euro. In einer Pappschachtel lagen schon drei Euros. Er wechselte das Internat, und Caroline bekam einen strengen Verweis. Ihre Eltern sorgten dafür, dass dieser annulliert wurde.

      Caroline war eine erfolgreiche Hedgefonds-Managerin geworden und ließ sich ausgiebig in der Fachpresse und in Internetforen feiern, dass sie die Krise an den Finanzmärkten hatte kommen sehen und ihre Fonds dementsprechend bestückte, damit sie bei fallenden Kursen schnell an Wert zulegen konnten. Ihre kühne Strategie ging auf, ihre Kunden hatten viel Geld verdient und sie am meisten. Letzte Woche wurde sie zur Königin der Finanzbranche ausgerufen, da sie auch den historischen Verlust von mehr als zwanzig Prozent mit kräftigen Gewinnen überstanden hatte. Ihr attraktives Aussehen hatte durch ihren Erfolg nicht gelitten, hatte sich aber gewandelt. Die Endzwanzigerin bevorzugte nicht mehr blond, sondern braun als Haarfarbe und eine Kurzhaarfrisur. Früher trug sie mehr als schulterlanges Haar. Rock oder Kleid mussten dem dezenten Hosenanzug weichen. Geschminkt war sie fast gar nicht. Lediglich die blauen Augen betonten ein dünn aufgetragener schwarzer Lidstrich. Und sie schien viel Sport zu treiben. Sie wirkte durchtrainierter und kräftiger als früher. Blecher tippte auf täglichen Besuch im Fitnessstudio.

      Diese Beobachtungen und Überlegungen machte er als interessierter Besucher einer Buchpräsentation am Abend. Die junge Autorin war anwesend. Caroline Falkenberger schien über einen reichen Fundus an Talenten zu verfügen. Sie präsentierte professionell mit der Botschaft: Wer an diesen schwierigen Märkten Geld verdienen wollte, der bräuchte nur den Erkenntnissen ihres Finanzbuches folgen. Am Ende der Präsentation bildete sich eine lange Schlange von Autogrammjägern, denen sich Blecher anschloss, nachdem er ein Exemplar des Buches erworben hatte.

      Nur noch ein älterer Herr war vor ihm, der schüchtern um eine Widmung bat, die dann doch sehr länglich und persönlich ausfiel. Mit einem glücklichen Gesichtsausdruck und schwebendem Gang verließ der Herr die Schlange, und Blecher war an der Reihe.

      „Auch