Robert Helm

Zweimal Morden lohnt sich


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Klient oder Klientin desto lieber. Bei den Besten von ihnen bleiben wir hängen und tauschen den Status als Berater ein gegen einen lukrativen Angestelltenvertrag aber gerne auch als Teilhaber.“

      Er setzte jetzt ein spitzbübisches Lächeln auf, er war in Hochform. Caroline Falkenberger sollte nur zu gerne glauben, hier ein attraktives wie belastbares wie selbstbewusstes männliches Vorzeigeexemplar gefunden zu haben. Dass er sensibel, romantisch und hartnäckig sein konnte, musste sie noch von seinen unzähligen Liebesbriefen wissen, die sie bedauernswerter Weise der schulischen Öffentlichkeit so perfide zur Verfügung gestellt hatte. Ihre Gedanken mussten sich mit seinen überschnitten haben, denn sie sprach es nochmal an, um sich auf die ehrlichste Art und Weise zu entschuldigen, wie sie es ausdrückte. Superlative sind eben ihre Stärke, dachte er grimmig.

      Die Erinnerung löste in ihm wieder ein unbändiges Wutgefühl aus, aber es gelang ihm, wieder ein sanftes, verständnisvolles Lächeln und er nutzte die einmalige Chance zum ersten wirklichen Körperkontakt. Er streichelte leicht aber lange den Rücken ihrer rechten Hand.

      „Alles vergessen“, flüsterte er und nahm selbstzufrieden war, dass sie die Hand nicht zurückzog.

      Dieser Moment würde ihm, und er war sich sicher auch ihr in Erinnerung bleiben, als der Beginn einer stürmischen Liebesbeziehung.

      Beim Espresso erfuhr Blecher, dass Caroline Falkenberger das Risiko liebte. Sie war süchtig nach Adrenalin. Bei den Finanzgeschäften sowieso, aber auch ihre sportlichen Aktivitäten führten sie auf abenteuerliche Abwege. Sie war High-Risk-Mountainbikerin. Sie quälte sich schmale Wege hoch, die eigentlich erfahrenen Bergwanderern vorbehalten waren. Sie bremste mit ihrem Sportgerät so wenig wie möglich den schmalen holprigen Pfad nach unten. Sie riskierte viel, um am unfallfreien Ende den unglaublichen Adrenalinschub zu genießen. No risk no fun, war ihr Motto.

      6. Kapitel

      Mittwoch, 22. Oktober 2008, München

      Rudolphs Taxi wartete in der Trogerstraße vor dem Palace Hotel, das schon seit längerem seine Bleibe war. Seine Eigentumswohnung in Grünwald hatte er aus finanziellen Gründen verkauft. Ihm gehörte noch eine große Eigentumswohnung in Berlin Charlottenburg, allerdings mit Hypotheken belastet, welche er nur selten nutzte. Sie war mehr oder weniger sein Refugium, wenn er über neuen Ideen brütete.

      Sein Ziel war die Kardinal-Faulhaber-Straße. Dort war nicht nur das erzbischöfliche Palais Holnstein des Erzbistums München Freising angesiedelt, sondern auch über eine großflächige Etage in einem alten ehrwürdigen Bürogebäude der Immobilienmakler Weidach. Er wies den Taxifahrer an, die Kapellenstraße anzusteuern.

      Der Taxifahrer fluchte: „Schwere hinzukomme. Nur Einbahnstraße und Fußgängerzone.“

      Rudolph war das gleichgültig. Er wollte Weidachs größten Coup sehen.

      Hier hatte das erzbischöfliche Bistum durch seine Maklertätigkeit für sechsundachtzig Millionen im Jahr 2006 eine Immobilie erworben, um ihr Ordinariat zusammenzufassen. Hier fanden vierhundert kirchliche Mitarbeiter Platz. Von dort schlenderte er die Neuhauser Straße entlang bis fast zum Marienplatz. Er bog vorher links in eine schmale Gasse, erreichte die mächtige Frauenkirche mit ihren beiden Zwiebeltürmen, bog wieder in eine schmale Gasse ein, um schließlich die Kardinal-Faulhaber-Straße zu erreichen. Den Fußweg nutzte er, um sich zu sammeln.

      Er suchte nach der richtigen Hausnummer, fand sie und entdeckte nach längerem Suchen ein kleines Messingschild WEIDACH IMMOBILIEN. Er klingelte und sofort summte es, so dass er die schwere Holztür aufstoßen konnte. Zwei Stockwerke auf einer schiefen Holztreppe stieg er nach oben und bewunderte dabei die bunten Keramikplatten, die ihn in Kopfhöhe begleiteten. Vor einer weit offenstehenden Tür erwartete ihn die zierliche Emma Weidach persönlich. Sie wirkte unscheinbar, aber gleichzeitig neugierig. Sie trug eine cremefarbene hochgeschlossene Bluse und einen dunkelblauen kniebedeckenden Faltenrock, an dessen Ende zwei schmale langweilig gerade Unterschenkel herausschauten, die in fleischfarbene Nylonstrümpfe gehüllt waren.

      Keine Trauerkleidung, stellte er fest. Als er sie mit der Webcam ausspioniert hatte, lief sie immer mit schwarzer Kleidung herum. Noch gestern. Er nahm es als gutes Zeichen, dass sie vermutlich zum ersten Mal für diesen Anlass nach dem Tod des geliebten Vaters auf Trauerkleidung verzichtete. Sie wollte bestimmt ihm gegenüber nicht schwarz abweisend auftreten.

      „Sie haben es gefunden. Wie schön. Und so pünktlich. Kommen Sie doch herein.“

      Sie begrüßte ihn mit einem schwachen Händedruck, aber immerhin mit Augenkontakt, der freundlich ausfiel. Sie führte ihn durch einen langen breiten Flur bis das kleine, aber fein eingerichtete Besprechungszimmer erreicht war. Ausschließlich Gründerzeitmöbel hatten hier ihren Platz gefunden. Auf dem schweren Besprechungstisch standen eine Kristallkaraffe Wasser und zwei Gläser.

      „Wenn Sie Kaffee oder Tee wollen, müssen Sie es nur sagen.“

      Sie nahmen über Eck Platz. Rudolph richtete es so ein. Das schien ihm privater als die frontale Sitzordnung.

      „Nein, danke. Alles bestens.“ Er lächelte sie mit einem milden Gesichtsausdruck an, der offen und bescheiden wirken sollte. Das hatte er tapfer vor dem großen Hotelspiegel geübt. Auf den ersten Eindruck kam es an. Sie lächelte zurück und eine leichte Röte trat in ihr Gesicht.

      Aufmerksam folgte sie seinen Ausführungen: Er schilderte seine aufregende Zeit bei seiner Investmentbank, von rasant steigender Geldgier und brutaler Abstrafung durch die Kapitalmärkte. Dem Schock wich die Einsicht, dass er seine christlichen Koordinaten aufgegeben hatte. Hier machte er eine Pause und schaute seine mittlerweile gebannt lauschende Gastgeberin an und seufzte, um seinem schlechten Gewissen Ausdruck zu geben.

      „Dies war für mich umso bedauerlicher, als mir der liebe Gott die großartigen Gaben eines Mathematikers und Physikers mitgegeben hat. Ich war Jahrgangsbester beim Diplomabschluss in diesen Studienfächern. Jetzt will ich diese Begabungen zur Verbesserung von Computerprogrammen einsetzen, um den Menschen das Leben leichter zu machen.“

      Er hoffte, dass er nicht zu dick aufgetragen hatte. Seine Hoffnung trog ihn nicht. Er sah ein Strahlen auf dem Gesicht der jungen Frau. Jetzt betete er geradezu, dass Emma Weidach bereit war, den Wink des Schicksals oder noch besser die göttliche Vorsehung anzunehmen. Er wusste durch seine Hackertätigkeit, dass sie schon aufwendig eine Heiratsanzeige vorbereitet hatte. Sie wollte ihre Zukunft mit einem erfahrenen warmherzigen Mann teilen, der ihr Stütze und Halt versprach. Rudolph wünschte sich, dass sie sich entschloss, ein wenig zuzuwarten mit der Aufgabe der schon fertig formulierten Heiratsanzeige. Er wollte keine störende Konkurrenz.

      Sie bedankte sich für die großzügige Spende an ihre Stiftung. Er stellte weitere Gelder in Aussicht, weil ihm der Stiftungszweck so wichtig wäre.

      „Wollen Sie mit Ihrer Erfahrung nicht dem Stiftungsrat beitreten? Sie wären bestimmt eine Bereicherung.“ Sie vermittelte einen fast energischen Eindruck als sie ihre Bitte vortrug. Sein Herz schlug schneller, so kannte er sich noch gar nicht.

      „Glauben Sie wirklich, dass ich für diese verantwortungsvolle Aufgabe geeignet wäre?“

      „Mein Gefühl lässt mir keine Zweifel.“

      „Ich probiere es mit meinen bescheidenen Kenntnissen und verspreche Ihnen großes persönliches Engagement.“

      Unvermittelt fing Emma Weidach an, über sich zu sprechen. Wie schwer ihr der Tod des Vaters zusetzte. Welch gutes Verhältnis sie gehabt hatten, obwohl er fünfzig Jahre älter als sie gewesen war. Sie war die Tochter seiner zweiten Ehefrau. Die erste war jung an einer schweren Krankheit gestorben. Ihr Vater hatte diesen Schicksalsschlag nie richtig überwunden.

      Er zeigte Empathie so gut er konnte. Um das triste Thema zu beenden, schaute er sich um, ließ seinen Blick über Gründermöbel und Kristallkaraffen schweifen. Das war ihm alles zu verspielt und stieß ihn ab. Da fiel ihm ein, dass er im Flur eine Serie von Reiterbildern wahrgenommen hatte.

      „Mir sind die vielen Reiterbilder aufgefallen, die die Wände des Flurs zieren. Sie interessieren sich für Pferde?“

      Vor