Nadja Christin

Fatalis


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nicht gerne darüber reden möchte. So wechselt er einfach die Richtung.

      »Warum kommst du nicht zu der Party? Es würde Micki sehr freuen und alle die du kennst, werden da sein.«

      Erneut wirft sie ihm einen raschen Seitenblick zu.

      »Wie ich schon sagte, ich nehme keine Einladungen an.«

      Entschlossen presst sie ihre Lippen zusammen und zieht die Arme noch enger um den schmalen Körper.

      »Ich weiß, das sagtest du bereits«, antwortet er mürrisch.

      »Aber, was ist denn nun der wahre Grund?«

      »Das ist der wirkliche Grund«, meint sie mit Nachdruck. »Außerdem wüsste ich nicht … «

      »Blödsinn«, fällt David ihr brüsk ins Wort.

      »Den Quatsch glaubst du doch selbst nicht. Niemand schottet sich so dermaßen ab. Menschen sind Rudeltiere, sie müssen miteinander kommunizieren, sie brauchen einander. Das … das ist überall auf der Welt so.«

      »Bist du kein Mensch?«, fragt Vivien mit einem schiefen Lächeln. David ist kurz verwirrt.

      »W-Was? Wieso?«

      »Na du hast gesagt sie. Ganz so, als ob du kein Mensch wärst.«

      »Doch, selbstverständlich«, er schüttelt kurz den Kopf, dann breitet er seine Arme aus.

      »Sieh mich an, Vivien. Ich sehe wie ein Mensch aus, oder? Benutz deine Augen und sag mir, was du siehst?«

      Fast wünscht er sich, sie möge ihm die Wahrheit antworten, beinahe hofft er, dass sie seine wirkliche Gestalt erkennt.

      Sie lässt die Augen prüfend über seine Erscheinung schweifen, David spürt ihren brennenden Blick auf dem Körper. Erneut vollführen die tausend Schmetterlinge in ihm einen wilden Tanz.

      »Du… hm«, beginnt sie zögernd und betrachtet ihn aufmerksam.

      »Du siehst … hm, irgendwie unwirklich aus. Ja, das ist das richtige Wort. Du scheinst nicht richtig da zu sein. Du wirkst auf mich, wie ein Trugbild, wie ein … «, sie grinst flüchtig, »wie ein Spuk, ein Geist. Eben nicht real.«

      David bleibt der Mund offen stehen, vor Verwunderung. Da steht dieses traumhafte Mädchen vor ihm und erkennt fast sein wahres Selbst. Er könnte schwören, wenn sie noch schärfer hinsähe, dann würde sie das Monster in ihm sehen, es erfassen können. Plötzlich ist er sich nicht mehr sicher, ob das gut oder schlecht wäre.

      Resigniert lässt er die Arme sinken.

      »Schönen Dank auch, für das Kompliment«, knurrt er vorwurfsvoll.

      »Keine Ursache«, flüstert Vivien.

      Diesmal dreht sie sich nicht mehr weg von ihm, sondern betrachtet David weiterhin sehr aufmerksam.

      Er fühlt sich hilflos, es kam in seinem langen Dasein selten vor, dass er solche Gefühle entwickelte, wenn eine Frau ihn ansah.

      Er ist hin und her gerissen, darüber, ob er sich wünscht, das sein Monster sich offenbart und das sein, und auch Mickis Geheimnis, weiterhin im Verborgenen bleibt.

      Verträumt bleibt ihr Blick mit seinem verschlungen.

      Da sind sie wieder, diese bernsteinfarbenen Augen, denkt Vivien. Aber diesmal liegt in ihnen kein Hohn und Spott, sondern Wärme, Leichtigkeit und so etwas wie Vertrautheit.

      Noch etwas offenbaren diese Sinnesorgane, sie kann es nur nicht deutlich genug sehen, aber es liegt beinahe vor ihr frei. Sie müsste nur die Finger auszustrecken, dann könnte sie danach greifen.

      Angestrengt denkt sie darüber nach, es scheint so etwas wie … wie…

      David dreht seinen Kopf in eine andere Richtung und Vivien verliert den Kontakt.

      Was immer es auch war, oder zu sein schien, jetzt ist es weg. Wenige Sekunden später, ist sie sich nicht mehr sicher, überhaupt etwas gesehen zu haben. Was es auch immer war, es ist durch ihre Finger hindurch geglitten wie Sirup, sie bekam es nicht zu fassen.

      »Ich geh’ dann mal«, murmelt David und wagt nicht, sie erneut anzusehen.

      Ihm ist nicht wohl dabei, eben war es kurz so, als hätte Vivien sein Geheimnis erkannt, nicht nur das, als hätten ihre schlanken Finger, in seinen tief verborgenen Wünschen und Empfindungen gekramt.

      Nicht, dass er nicht gerne ihre Finger auf seinem Körper spüren würde, aber in seinem Geist hat niemand etwas zu suchen, der gehört ihm ganz allein.

      Die Augen immer noch fest auf ihn gerichtet, haucht sie mit einem Mal:

      »Ich stehe jede Nacht um drei hier.«

      Mit einer raschen Bewegung dreht er sich um.

      »Warum?«, fragt er gespannt.

      »Vor zwanzig Jahren wurde dort hinten«, mit dem Finger zeigt Vivien in die Dunkelheit hinein, zu der kleinen Baumgruppe.»Meine Schwester ermordet. Meine Eltern und ich zogen bald danach von hier weg. Aber ich habe unser altes Haus zurückgekauft. Seit ich wieder hier wohne, stehe ich Nacht für Nacht an dieser Stelle und blicke in die Dunkelheit.«

      »Was glaubst du zu sehen?«, seine Stimme klingt vorsichtig, lauernd.

      »Ihren Mörder«, antwortet sie knapp und holt tief Luft.

      »Ich warte auf das Monster, das Ellen damals tötete.«

      »Und wenn es kommen sollte? Was dann?«

      Sie zuckt flüchtig mit den Schultern.

      »Ich weiß nicht«, haucht sie traurig, »vielleicht bitte ich es, mich ebenso aufzufressen.«

      Sie wendet den Kopf und starrt in die Nacht.

      »Etwas in mir ist damals mit gestorben. Den Rest von mir kann es gerne haben.« Eine Träne stiehlt sich aus ihrem Augenwinkel. Die dichten Wimpern zwinkern einmal, dadurch löst sie sich und fließt Viviens Wange hinunter.

      David kann das nicht mehr ertragen, ohne einen Gedanken daran zu verschwenden tritt er näher an sie heran und legt seine Arme um ihre dürre Gestalt.

      Er zieht sie an seine Brust, ihr Geruch ist plötzlich überall, um ihn herum, auch in ihm.

      Sein, für sie, unsichtbarer Cauda schlingt sich eng um Beide herum. Zart legt Vivien ihre Hände auf seinen Rücken und ihre Wange gegen seine Brust.

      Durch sein T-Shirt fühlt er die Nässe, sie weint weiter. Ihr kleiner Rücken bebt unter seinen streichelnden Händen. Er ist sich nicht sicher, ob er etwas sagen muss, ob er überhaupt diese Stille zwischen ihnen durchbrechen soll.

      Das Blut kocht in ihm, die Schmetterlinge vollführen einen wilden Rock’n Roll. Der Cauda zieht sich enger um sie, bringt beide noch näher zusammen, er dachte nicht, dass das überhaupt möglich sei.

      Ein fast nicht hörbares Knurren ertönt aus seinem Körper, vermischt sich mit Viviens heiserem Schluchzen.

      Er streicht ihr sacht über das Haar, küsst sie leicht auf die Schläfe. Ihre Haut, scheint unter seinen Lippen zu glühen. David erwartet fast, das beide gleich Feuer fangen, dem sie jeden Moment in Flammen aufgehen.

      Er nimmt ihr Gesicht in beide Hände, blickt ihr tief in die von Tränen überquellenden Augen.

      Ihr Blick ist traurig und gequält, er geht kurz zu seinem Mund, der ihrem so nah ist, wie es noch nie zuvor einer war.

      »Es wird alles wieder gut, Vivi«, haucht David ihr zu und versucht seine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.

      »Lass mich los«, krächzt sie, »sofort.«

      Erschrocken lässt er seine Hände sinken, auch der Cauda löst die Umklammerung, um sich erneut locker um seine Hüften zu legen.

      »Was ist… «

      Sofort unterbricht sie ihn.

      »Ihr