Nadja Christin

Fatalis


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Geruch war so ähnlich, wie der leichte Duft von Vivien, der wie ein zartes Band seine Nase umspielt.

      Wie ist so etwas nur möglich, fragt sich David. War sie damals dabei? Nein, das kann nicht sein, gibt er sich selbst die Antwort, es war nur seine Beute dort, alles andere hätte er bemerkt.

      Wie kommt so was dann zustande? Vielleicht war sie mit ihr verwandt? Das könnte durchaus die Lösung sein, sein nächtliches Mahl war eine entfernte Verwandte von Vivien, das erklärt alles. Den ähnlichen Geruch und das sie jetzt im gleichen Haus wohnt.

      Trotzdem, denkt David und geht nun endgültig zu dem Orangen zurück, ist es merkwürdig, dieses Zusammentreffen, ist das Zufall, oder vielleicht sogar … Schicksal?

      Er überlegt angestrengt, ob er Micki davon erzählen soll. Aber der regt sich immer so schnell auf, ich sollte es lieber lassen.

      Davids Gedanken kreisen um Vivien und seine eigene Vergangenheit, als er leise die Wohnungstür aufschließt. Er ist sich nicht sicher, ob Micki noch schläft und unter keinen Umständen sollte man ein Monster wecken, das weiß schließlich jedes Kind.

      Beiläufig wirft er einen Blick in das kleine Zimmer, auf dem Sofa sollte der schlafende Micki liegen.

      Aber die Couch ist leer. Auf den Polstern ist jede Menge Blut, eine Spur aus Tropfen führt in das angrenzende Badezimmer. David geht den Spritzern nach, reißt die Tür zum Bad auf und kann sich gerade noch zurückhalten, damit kein heiserer Schrei aus seiner Kehle dringt.

      In seinen Träumen II

      »Kommst du jetzt, oder willst du wie eine Salzsäule dort stehen bleiben?« Venustas blickt Micki an, um ihren Mund liegt ein amüsierter Ausdruck.

      Micki ist sich nicht sicher, ob er ihr wirklich in die dunkle Höhle folgen soll, oder lieber einen Weg aus diesem Albtraum findet.

      Mit einem Mal steht sie dicht neben ihm. Sie legt die Hand auf seinen Unterarm. Ein Schauer fließt durch seinen Körper, diese kleine unbedeutende Geste, ihre Hand, so leicht und zart, wie eine Schneeflocke.

      »Komm mit mir«, haucht sie dicht an seinem Ohr, »bei mir bist du sicher.«

      Er ist geneigt ihr zuzustimmen, um nichts in der Welt würde er jetzt wieder auf die Ebene der Verdammnis gehen, und schon gar nicht ohne sie.

      »In Ordnung«, flüstert er heiser.

      Sie lächelt ihm zu und will ihn tiefer in das dunkle Gewölbe ziehen.

      Plötzlich erklingt ein Knurren und Brüllen. Micki hört noch Venustas schreien: »Vorsicht!«

      Da wird er auch schon an der Schulter gepackt, umklammert von scharfen Krallen und mit unglaublicher Kraft nach draußen gerissen.

      Er realisiert erst, was geschieht, als er mit einem dumpfen Aufprall auf dem harten Boden landet, Schmerzen machen sich in ihm breit.

      Verwundert sieht Micki an sich herab. Was ist passiert, fragt er sich, Schmerzen spüre ich sonst nie, mir tut niemals etwas weh und ich kann auch nicht ste…

      Er kann seinen Gedanken nicht mehr weiterführen. Erneut wird er grob in die Luft gehoben, von einem starken Arm am Kragen gepackt, schwebt er einen Meter über dem Boden.

      Mit beiden Händen umklammert er den muskulösen Unterarm seines Gegners und blickt darüber hinweg in das Gesicht des Monsters.

      Es verschlägt ihm die Sprache, er hatte eigentlich einen der Seelensammler erwartet und nicht dieses Vieh, das hier vor ihm steht.

      Man könnte noch nicht einmal genau sagen, was er ist, zu undefiniert ist seine Gestalt. Der Körper gänzlich schwarz, die Umrisse verschwommen und nicht klar abgegrenzt. Aus dem Gesicht glühen Micki zwei rote, leuchtende Augen entgegen, der Blick verschlagen und mordgierig.

      Er kennt diesen Blick, er hat ihn schon oft bei David und bei sich selbst gesehen, kurz bevor sie über eine Beute herfallen.

      Aber ich bin doch einer von ihnen, kreischt es laut in ihm, sie können mich nicht töten, das dürfen sie einfach nicht. Außerdem besitze ich die Unsterblichkeit meiner Seele, verdammt ich kann nicht sterben.

      Aus den Augenwinkeln bemerkt Micki einen Schatten, dann ertönt ein wütender Schrei. Er sieht genauer hin und erblickt Venustas, die wieder ihren Dolch gezückt hat. Ihn in der erhobenen Hand haltend, kommt sie kreischend und drohend auf dieses seltsame Ding zu.

      Das schwarze Wesen wendet nur kurz seinen Kopf, dann hebt es eine krallenbewährte Hand und lässt sie pfeifend durch die Luft schnellen, genau auf Micki zu.

      »Nein!«, ist alles, zu dem er noch fähig ist, dann trifft ihn die Pranke.

      Sie reißt ihn in Fetzen, von Mickis Brust, bis zum Bauch entstehen klaffende Wunden, das Blut spritze nach allen Seiten davon.

      Der Schmerz kommt in Wellen, die sich zu immer größeren Bergen auftürmen. Er bekommt keine Luft mehr, auch wenn er die letzten paar hundert Jahre nicht atmen brauchte, so ist ihm jetzt zumute, als ersticke er, wenn er nicht sofort seine Lungen mit Sauerstoff füllt.

      Das Monster lässt ihn achtlos fallen und wendet sich der angreifenden Venustas zu. Micki bekommt nur am Rande die weiteren Geschehnisse mit. Zu groß ist sein Schmerz, sein Entsetzen und … seine Angst.

      Ich sterbe, schießt es ihm durch den Kopf, das glaube ich einfach nicht. Nach all den Jahrhunderten voller Sorglosigkeit, völlig frei von Furcht, könnte sein Dasein jetzt und hier beendet sein.

      Die Dunkelheit, die ihn und alle um ihn herum, umgibt, legt sich langsam und kriechend über seine Seele. Wie aus weiter Ferne sieht er das Mädchen mit dem dunklen Monster kämpfen.

      Micki sinkt auf den Boden, schließt die Augen und lächelt.

      »Wer hat Angst vorm schwarzen Mann … «, flüstert er, bevor er gänzlich in die Dunkelheit eintaucht.

      Ein heiserer Schrei und das Kreischen von Venustas, begleitet sein Sterben.

      Die Realität II

      Micki schnellt in eine sitzende Position.

      »Ahhh«, erklingt es aus seinem Mund. Seine Hände fahren tastend über seinen Körper, er fühlt die Nässe, spürt die klaffenden Wunden. Nur die Schmerzen, die eben noch so deutlich waren, sind jetzt weg.

      Langsam steht er auf und geht in Richtung Badezimmer.

      Ich laufe ja aus, denkt er belustigt, wie ein leckendes Ölfass. Im Badezimmer schaltet er die Deckenbeleuchtung ein und betrachtet sich im Spiegel.

      »Ohweia«, murmelt er vor sich hin.

      Er zieht die letzten Fetzen seines T-Shirts aus und sieht die ganze Bescherung vor sich.

      Drei große, breite Schnitte ziehen sich von der Brust abwärts, quer über seinen Oberkörper. Unaufhörlich quillt Blut daraus hervor, aber es wird schon merklich weniger. Mit den Fingern streicht er über die Schnitte und Kratzer, es sind nicht nur drei, es sind mehr, nicht alle bluten noch.

      Wie viele verfluchte Finger hat dieses Scheusal denn gehabt, fragt er sich und verfolgt eine tiefe Verletzung, die sogar unter dem Gürtel seiner Jeans verschwindet. Fast hätte der Bastard mich kastriert, denkt er grimmig.

      Sein Kopf fährt herum, er hat ein Geräusch gehört, er lauscht.

      Mit einem Ruck wird die Türe aufgerissen. David steht vor ihm, sieht ihn mit großen Augen und offenem Mund an.

      Nach einigen Sekunden hat sein Freund die Stimme wiedergefunden und krächzt heiser:

      »Heiliger Teufel, was ist denn mit dir geschehen?«

      Micki grinst ihn an.

      »Hatte ne Einladung zum Barbecue, wusste aber nicht, dass ich die Hauptspeise werden sollte.«

      David hat sich scheinbar wieder