Nadja Christin

Fatalis


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eine feine Linie entsteht dazwischen, sie hat etwas gehört, ein Geräusch. Ihre Augen wandern schnell hin und her, wo kam bloß dieser Laut her, fragt sie sich. Es hat sich angehört, wie ein erschrecktes Keuchen, wie ein angstvolles, schnelles Einatmen. Es war ganz in ihrer Nähe, nur ein paar Meter weiter rechts von ihr.

      Immer noch in der Hocke, dreht sie sich leise um und schleicht den Weg zurück, wieder am Steinwall entlang, bis zu seinem Ende, dann linst sie um die Ecke und erstarrt in ihrer Bewegung.

      Dort sitzt jemand, ebenso geduckt. Er scheint angestrengt in die trübe Nacht zu blicken.

      Es ist ein Kerl, von ihrer Position aus, erscheint er ganz normal, aber man kann ja nie wissen.

      Leise schleicht sie in seine Richtung, er hat sie noch nicht bemerkt. Aus ihrem Stiefel zieht sie langsam einen Dolch, einen Ringknaufdolch.

      Mit einer geschmeidigen Bewegung, stürzt sie sich auf den Mann, packt seinen linken Arm, zieht ihn nach hinten und hält ihm gleichzeitig ihren Dolch an die Kehle.

      Erneut dieses erschreckte Keuchen, jetzt ist sie sich sicher, dass er eben dieses Geräusch verursacht hat.

      »Wer bist du und was willst du hier draußen?«, zischt sie leise an seinem Ohr.

      »Ich … ich bin Micki«, stottert er und schluckt einmal. Sie kann es an ihrem Dolch spüren, den sie weiterhin unbarmherzig an seine Kehle drückt.

      »Das beantwortet meine Frage nicht vollständig«, antwortet sie grimmig.

      »Was machst du hier, habe ich dich gefragt und ich will darauf ebenso eine Antwort.«

      »Wenn ich das wüsste, würde ich dir deine Frage gerne beantworten«, flüstert er und klingt zerknirscht.

      Das Mädchen runzelt ihre Stirn.

      »Was sagst du da? Du weißt nicht, was du hier draußen treibst?«, sie ist kurz völlig perplex. Vorsichtig schüttelt ihr Gefangener mit dem Kopf, sie nimmt den Dolch von seinem Hals, und schleudert Micki gegen den Steinwall. Er kneift kurz die Augen zusammen, dann reißt er sie auf und sieht sie an.

      Ein Erstaunen überzieht sein gesamtes Gesicht.

      »Vivien… « flüstert er kaum hörbar, »ich … ich kann es kaum glauben, was machst du denn hier?«

      Misstrauisch runzelt sie ihre Stirn, wovon redet dieser Typ eigentlich.

      »Wer zum Teufel ist Vivien?«, fragt sie genervt. »Mein Name ist Venustas.«

      Sie überlegt kurz, ob dieser Micki nur Zeit gewinnen will, oder spricht er die Wahrheit? Er sieht verblüfft aus, erstaunt und ziemlich ratlos. Nochmals fragt sie leise:

      »Wie kommst du hierher, eh … Micki, war das dein Name?«

      Langsam, sie immer noch anstarrend, nickt er mit dem Kopf.

      »Ja, das ist mein Name. Falls das hier nicht ein total verrückter Traum ist und ich plötzlich anders heiße.«

      Er lacht kurz auf und grinst hilflos.

      »Das ist alles vollkommen verwirrend. Wo in drei Teufelsnamen bin ich hier?«

      Venustas kaut nervös an ihrer Unterlippe.

      »Später, sag mir erst, was du bist, Freund oder Feind«, sie presst die Lippen zusammen.

      Micki hebt erstaunt die Augenbrauen.

      »Was bist du denn für mich? Immerhin hast du mir ein Messer an die Kehle gehalten.«

      »Es war ein Dolch und du hast meine Frage nicht beantwortet. Freund oder Feind? Bist du ein Mensch oder ein Dämon?«

      Amüsiert hebt Micki eine Augenbraue in die Höhe. Mensch oder Dämon, diese Frage hat ihm auch noch nie jemand gestellt, wie soll er nur darauf reagieren?

      Er entschließt sich, nach seinem gewohnten Schema zu verfahren, das was er am besten kann, die Verführkunst. Er lächelt milde, und lässt seine Augen für sich sprechen, er verschießt seinen ganzen Charme in ihre Richtung.

      »Was glaubst du denn?« Seine Stimme klingt verführerisch, sie ist eine Spur rauer geworden und dabei doch immer noch sanft.

      Aber wie schon bei Vivien Stunden zuvor, so springt auch jetzt bei Venustas der Funke scheinbar nicht über.

      Sie schiebt düster die Brauen zusammen, hält die Spitze ihres Dolches erneut an seinen Hals und zischt:

      »Für mich bist du nur ein verfluchter Bastard.«

      Micki streckt die Arme abwehrend in die Höhe.

      »Schon gut, schon gut. Freund, ich bin ein verdammter Freund«, ruft er schnell.

      »Dann ist es ja gut«, Venustas nimmt langsam ihren Dolch herunter.

      »Und jetzt sagt mir, was du hier draußen treibst. Du musst doch wissen, dass du in den Zeiten der Jagd dich nicht draußen aufhalten darfst, es ist verboten.«

      Micki sieht ihr in die Augen, dann blickt er sich zögernd um.

      »Sag mir bitte, wo wir hier sind.«

      »Hinter einem Steinwall«, antwortet Venustas ihm und sieht irritiert aus.

      »Und wo noch?«

      »Auf der Ebene der Verdammnis.«

      Ihre Antwort klingt fast wie eine Frage, sie ist sich unsicher, was genau er wissen will und ihr ist unklar, warum er es nicht selbst weiß.

      »Auf der Ebene der Verdammnis?«

      Micki schließt kurz die Lider, dann schnellen seine Hände vor, er packt das Mädchen an den Armen, blickt ihr pfeilgerade in die Augen, laut knurrt er:

      »Verdammt, Vivien, sag mir wo genau ich hier bin. In welchem Land, Stadt, Ort… «, er kneift die Augen zusammen, »… wie auch immer.«

      Es ist kurz still um die beiden, dann meint sie nachdenklich: »Ich heiße Venustas, und du weißt nicht, wo du dich befindest?«

      Micki schüttelt seinen Kopf und sieht sie flehend an.

      »Du bist in Nexanima, das ist das Land hier um uns herum. Wie schon gesagt, befinden wir uns auf der Ebene der Verdammnis. Nicht weit von uns ist eine der Silberminen, das ist mein Zuhause, dort wohne ich. Da verbringe ich die Tage, wenn die glühende Scheibe am Horizont aufgeht und uns alle verbrennen will, Gute, wie Böse.«

      Sie blickt angestrengt vor sich hin, Micki hat ihre Arme losgelassen und hört ihr gespannt zu.

      »Einst war dieses Land frei, es wurde von uns, den Nexanimas, bewohnt. Wir lebten glücklich und zufrieden, bestellten unser Land und hüteten unser Vieh.« Venustas zuckt kurz mit den schmalen Schultern.

      »Na ja, wir hatten nicht viel, aber es hat uns zum Leben gelangt. Dann gab es noch die Guten, die Engel und Geister, wir lebten in Eintracht mit ihnen zusammen. Immer wieder gab es Gerüchte, das die Bösen Einzug in unser Land gehalten hätten, aber niemand glaubte daran.«

      Sie seufzt kurz auf, in Mickis Ohren klingt es sehr gequält, er würde sie am liebsten in seine Arme schließen und trösten. Aber ein kurzer Blick auf ihre Hand, die immer noch den spitzen Dolch umklammert, hält ihn davon ab. Wer weiß, was sie damit anstellen würde, denkt er kurz, diese Kriegerin seines merkwürdigen Traumes.

      »Dann aber fegte ein Wirbelsturm über uns hinweg«, fährt sie fort, »ein Sturm in Form einer Invasion der Dämonen. Angeführt von einem der Götter der Finsternis, von Furchnur. Er hatte unzählige Dämonen um sich versammelt, die Atemräuber, die Seelenlosen aus der Dunkelheit, Vampire, Werwölfe, und die Seelensammler, die im Auftrag des Teufels Seelen jagen.

      Einen von ihnen hast du eben kurz gesehen, bevor ich ihn erwischt habe und er in blaues, reines Licht zerfiel. Sie sind es, die ich jage und töte.«

      »Warum in aller Welt?«, fragt Micki flüsternd.

      Sie senkt die Augen und blickt auf ihre Hände.

      »Ich hatte