Nadja Christin

Fatalis


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Gesicht, kurze, braune Haare, perfekt gepflegt. Ein Typ, nach dem sich jede Frau umdrehen würde, ein Mann, der auf das Titelblatt eines Lifestyle Magazins gehört, möglichst nur in Unterwäsche fotografiert.

      David legt Micki freundschaftlich den Arm locker um die Schultern und blickt ebenso aus dem Fenster.

      Micki ist nur ein Stück kleiner als er, ansonsten könnten sie Brüder sein. Auch Micki ist der Traumtyp schlechthin, ein Kerl, einem Adonis gleich.

      Selbst wenn man die Unverschämtheit besäße, danach zu suchen, man würde keinen Makel an ihm oder David finden. Beide sind einfach nur … perfekt.

      David grinst frech und entblößt eine Reihe ebenmäßiger, strahlendweißer Zähne.

      »Welche ist es denn von den beiden? Die Dicke?«

      Micki wirft ihm einen raschen, ärgerlichen Seitenblick zu.

      »Nein, die kleine Schwarzhaarige.«

      David wiegt seinen Kopf hin und her.

      »Hm, du hast aber auch immer ein Glück. Die sieht köstlich aus, zum anknabbern lecker.«

      »Ja, finde ich auch«, meint Micki munter.

      »Ich gehe jetzt runter und werde mich ihr vorstellen. Und du, mein Freund, wirst mitkommen.«

      »Ich? Warum in aller Welt?«, fragt er, »sie ist dein Auftrag, nicht meiner.«

      »Ja, das schon, aber es soll zufällig aussehen. Komm, wir tun so, als drehen wir unsere Nachmittägliche Joggingrunde. Wir sehen wie zwei Sportler aus, im Moment, da fällt das nicht weiter auf.« Micki steht schon mitten in dem dunklen Zimmer und winkt David zu sich.

      »Los komm schon. Bevor sie wieder reingeht.«

      Ein gequälter Ausdruck erscheint in Davids schönem Gesicht. Bewegen, das ist so gar nicht nach seinem Geschmack, lieber würde er wieder im Sessel sitzen und in seinem Buch lesen.

      Aber Micki ist sein Freund, schon viele Jahre, und er hat recht, sie sehen wirklich wie zwei Sportler aus.

      Enge T-Shirts, Jogginghosen und Turnschuhe, einfach perfekt. Ungeduldig wartet Micki auf ihn an seiner Wohnungstüre. So eilig hat er es aber auch selten, überlegt David, na ja, sie ist es wohl wert. Lächelnd geht er hinter Micki her.

      *

      Luisas Gedanken kreisen immer noch um den tollen Mann in dem Orangen und wie sie ihn Vivien schmackhaft machen kann. Da bemerkt sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung, ihr Kopf ruckt herum. Die Augen werden groß, der Mund bleibt ihr offen stehen, ein strahlendes Grinsen überzieht ihr Gesicht. Da kommt sie ja, die Chance auf die sie gewartet hat.

      Micki und scheinbar ein Freund, der ihm in punkto Aussehen in nichts nachsteht, joggen langsam die Straße hinunter.

      Luisa dreht sich rasch wieder zu Vivien um.

      »Da kommt er, mit noch einem. Jetzt schau ihn dir bloß mal an«, zischt sie über den Gartenzaun hinweg, dem verträumt vor sich hin kehrenden Mädchen zu.

      Vivien hebt erschrocken ihren Kopf, sie war ganz in Gedanken versunken und hatte ihre Nachbarin schon fast vergessen. Ein schneller Blick über die Schulter zeigt ihr, dass sie keine Möglichkeit zu einer Flucht hat.

      Verdammt, denkt sie, jetzt treffe ich doch mit diesem Kerl zusammen. In Gedanken wünscht sie Luisa die Pest an den Hals. Sie stützt sich wieder auf ihren Besen und überlegt:

      Ich muss das hier nur hinter mich bringen, dann hab ich in Zukunft wohl auch Ruhe vor ihren Verkupplungsversuchen.

      Nun schon viel gelassener erwartet sie die Dinge, die auf sie zukommen werden.

      Luisa wendet sich unterdessen den zwei Joggern zu, die nur noch wenige Meter von ihnen entfernt sind und flüstert zwischen den zusammengebissenen Zähnen in Viviens Richtung:

      »Der mit dem weißen T-Shirt ist es.«

      Dann grinst sie über das ganze Gesicht, hebt die Hand und ruft laut:

      »Hallo Herr Nachbar, schöner Tag für einen Lauf.«

      Micki und David halten vor ihr an und atmen einmal schnaufend aus. Micki streckt Luisa seine Hand entgegen, die sie sofort freudig ergreift.

      Dann erklingt seine samtige und ruhige Stimme.

      »Guten Tag, Luisa. Sie sehen, wie bereits heute Morgen, einfach bezaubernd aus.«

      Obwohl es erst ein paar Stunden her ist, das sie die letzten Worte mit ihm gewechselt hat, kann sie sich ein wohliges Aufseufzen nur mit Mühe verkneifen. Seine Stimme trifft sie in ihrem Innersten, bringt ihr Blut in Wallung, befördert verschollen geglaubte Gefühle an die Oberfläche. Wann hat jemand sie das letzte Mal als »bezaubernd« bezeichnet, fragt Luisa sich. Das ist mindestens schon dreißig Jahre her. Sie muss sich zusammenreißen, um nicht, wie ein kleines Mädchen, in hysterisches Kichern zu verfallen.

      Micki hält noch ihre Hand fest, sie wünscht sich, er möge sie nie wieder loslassen.

      Dieser warme und feste Griff, wie mag er sich nur woanders auf ihrem Körper anfühlen, fragt sie sich kurz, da lässt er ihre Hand los und das seltsame, lüsterne Gefühl ist vorbei.

      »Das ist mein Freund, David«, Micki legt ihm kurz die Hand auf die Schulter.

      »Wir wollten gerade ein bisschen laufen gehen. David, das ist Luisa, mit Abstand die netteste und hilfsbereiteste Person hier in der Siedlung.« Er lächelt leicht.

      David lehnt sich ein wenig nach vorne und reicht ihr die Hand.

      »Freut mich, Luisa«, auch seiner Stimme fehlt es nicht an Wärme, obwohl sie eine Spur rauer ist als Mickis. Das macht sie nicht schlechter, ganz im Gegenteil.

      »Hallo David«, murmelt Luisa und versinkt fast in den bernsteinfarbenen Augen, sie muss sich mit Gewalt von seinem Gesicht losreißen. Sie zwinkert, räuspert sich und plötzlich fällt ihr ein, dass sie nicht alleine mit diesen zwei unglaublichen Kerlen hier am Gartenzaun steht.

      »Entschuldigung«, murmelt sie und räuspert sich erneut.

      »Dies ist meine Nachbarin und gute Freundin Vivien. Sie hatten sie, vermute ich, heute Morgen nicht angetroffen, Micki.« Es ist mehr eine Feststellung, als eine Frage. Luisa weiß es nämlich ganz genau, da sie am Morgen jede seiner Bewegungen durch ihr Küchenfenster beobachtet hatte, nachdem er sich bei ihr vorgestellt und gegangen war.

      Die beiden Männer drehen sich in Viviens Richtung um, die steht noch auf ihren Besen aufgestützt da, einer Statue gleich und beobachtet, mit einem zynischen Lächeln auf den Lippen, die ganze Szenerie, nur ihre Augen wandern unruhig umher.

      Sie ist etwa drei Meter von ihnen entfernt und es hat nicht den Anschein, als wollte sie auch nur einem der Jungs die Hand reichen, oder sich überhaupt irgendwie in Bewegung setzen.

      »Einen schönen guten Tag wünsche ich, Vivien«, meint Micki freundlich und verbeugt sich leicht in ihre Richtung.

      Vivien hebt nur ganz kurz eine Hand vom Besenstiel an und antwortet knapp:

      »Hi«, schon zucken ihre dunklen Augen erneut zwischen den drei Personen hin und her.

      Micki ist sich nicht ganz sicher, ist sie schüchtern oder einfach nur fürchterlich unfreundlich. Er setzt sein charmantestes Lächeln auf, atmet ein bisschen Luft ein, damit sein Brustkorb nach »noch mehr« aussieht. Dann stützt er seine Hände am Gartenzaun ab und streckt die Arme durch.

      Er weiß genau, dass dadurch seine Armmuskeln noch stärker hervortreten.

      David neben ihm grinst in sich hinein und denkt: jetzt fehlt nur noch ein perfekter Schlafzimmerblick und die dicke Luisa fällt neben ihm in Ohnmacht. Die kleine Schwarzhaarige scheint das allerdings alles kalt zu lassen. Ihr ist keinerlei Veränderung anzumerken. Wo er sich doch solche Mühe gibt und sich aufplustert wie ein feiner Gockel. David presst die Lippen zusammen um nicht laut loszulachen.

      »Es ist schön, das ich Sie treffe«, Mickis Stimme ist ruhig